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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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directen Wege nach Rousselaer, welches ursprünglich als Mittelpunkt der all¬
gemeinen Wiedervereinigung bezeichnet worden war, völlig abgedrängt ist, so
eilen die Befreiten zunächst in der Richtung auf Courtray vorwärts, werfen
noch zweimal feindliche Abtheilungen, die sich ihnen entgegenstellen, in raschem
Anlauf zurück und erreichen endlich, in höchstem Maße erschöpft und ganz
aufgelöst, das Dörfchen Jseghem an der Straße nach Rousselaer. Von
1800 Mann sind aber kaum 300 und von 18 Geschützen nur 13 gerettet!
Ueberdies findet man auch in Jseghem immer noch nicht die so dringend
benöthigte Ruhe und Erholung. Die Verfolgung des Feindes ist noch so
hitzig, daß eiligst auf Rousselaer weiter marschirt werden muß. Allgemach
beginnt die, furchtbare Ermüdung und Ueberanstrengung der Truppen ihr
Recht zu üben; verzweiflungsvolle Gleichgiltigkeit und Aogespanntheit treten
an Stelle des so begeisterten Kampfesmuthes und der eisernen Ausdauer.
Noch ein energischer Druck des Feindes und man muß auch für die letzten
Trümmer der bisherigen Vertheidiger Menins das Schlimmste befürchten!
Da plötzlich sprengt durch das Dunkel der Nacht ein Reiter von Rousselaer
daher. Er bringt dem General die frohe Kunde, daß die verlorengeglaubten
drei Bataillone bereits wohlbehalten auf dem Marktplatz von Rousselaer
stehen. Diese Tapferen haben sich nicht damit begnügt, eine blutige Gasse
durch die feindlichen Reihen zu bahnen; sie haben in der Vorstadt Brügge
sogar eine feuernde Batterie mit stürmender Hand erobert und zwei Geschütze
als Siegestrophäen mitgeführt. Endloser, stürmischer Jubel begrüßt unter
diesen Umständen die Wiedervereinigung der treuen Waffengefährten. Na¬
mentlich das Bataillon Loyal Emigrant zollte dem General von Hammer-
strin tief bewegten Dank für die schwer und blutig errungene Rettung.

Nach kurzer Rast wurde der Marsch aus Thourout fortgesetzt, hier den
übermüdeten Truppen bis Tagesanbruch zu ruhen gestattet und endlich gegen
Mittag des 30. Brügge erreicht, wo man befreundete StreitkrMe antraf und
sich in völliger Sicherheit vor weiterer Verfolgung befand. In Brügge
schlossen sich auch noch die letzten Nachzügler und Versprengten der ehemali¬
gen Besatzung von Menin an und mit gerechtem Stolze konnte man nun
das Gesammtresultat des kühnen Unternehmens dahin zusammenfassen, daß
von 1800 Mann fast 1400 und von 18 Geschützen Is (einschließlich der beiden
eroberten) gerettet waren -- gewiß ein bewundernswürdiges Ergebniß, wel¬
ches den Führern wie den Truppen in gleichem Maße zu hoher Ehre ge¬
reicht! Der Löwenantheil des Verdienstes aber gebührt ohne Zweifel dem
wackern Scharnhorst, wie dies auch der durch und durch ehrenhafte General
von Hammerstein in seinen Berichten an den König von England und den
Grasen Walmoden in rühmlicher Bescheidenheit rückhaltlos anerkannte. Der
glänzende Lohn für Scharnhorst's herrliche That sollte denn auch nicht aus-


directen Wege nach Rousselaer, welches ursprünglich als Mittelpunkt der all¬
gemeinen Wiedervereinigung bezeichnet worden war, völlig abgedrängt ist, so
eilen die Befreiten zunächst in der Richtung auf Courtray vorwärts, werfen
noch zweimal feindliche Abtheilungen, die sich ihnen entgegenstellen, in raschem
Anlauf zurück und erreichen endlich, in höchstem Maße erschöpft und ganz
aufgelöst, das Dörfchen Jseghem an der Straße nach Rousselaer. Von
1800 Mann sind aber kaum 300 und von 18 Geschützen nur 13 gerettet!
Ueberdies findet man auch in Jseghem immer noch nicht die so dringend
benöthigte Ruhe und Erholung. Die Verfolgung des Feindes ist noch so
hitzig, daß eiligst auf Rousselaer weiter marschirt werden muß. Allgemach
beginnt die, furchtbare Ermüdung und Ueberanstrengung der Truppen ihr
Recht zu üben; verzweiflungsvolle Gleichgiltigkeit und Aogespanntheit treten
an Stelle des so begeisterten Kampfesmuthes und der eisernen Ausdauer.
Noch ein energischer Druck des Feindes und man muß auch für die letzten
Trümmer der bisherigen Vertheidiger Menins das Schlimmste befürchten!
Da plötzlich sprengt durch das Dunkel der Nacht ein Reiter von Rousselaer
daher. Er bringt dem General die frohe Kunde, daß die verlorengeglaubten
drei Bataillone bereits wohlbehalten auf dem Marktplatz von Rousselaer
stehen. Diese Tapferen haben sich nicht damit begnügt, eine blutige Gasse
durch die feindlichen Reihen zu bahnen; sie haben in der Vorstadt Brügge
sogar eine feuernde Batterie mit stürmender Hand erobert und zwei Geschütze
als Siegestrophäen mitgeführt. Endloser, stürmischer Jubel begrüßt unter
diesen Umständen die Wiedervereinigung der treuen Waffengefährten. Na¬
mentlich das Bataillon Loyal Emigrant zollte dem General von Hammer-
strin tief bewegten Dank für die schwer und blutig errungene Rettung.

Nach kurzer Rast wurde der Marsch aus Thourout fortgesetzt, hier den
übermüdeten Truppen bis Tagesanbruch zu ruhen gestattet und endlich gegen
Mittag des 30. Brügge erreicht, wo man befreundete StreitkrMe antraf und
sich in völliger Sicherheit vor weiterer Verfolgung befand. In Brügge
schlossen sich auch noch die letzten Nachzügler und Versprengten der ehemali¬
gen Besatzung von Menin an und mit gerechtem Stolze konnte man nun
das Gesammtresultat des kühnen Unternehmens dahin zusammenfassen, daß
von 1800 Mann fast 1400 und von 18 Geschützen Is (einschließlich der beiden
eroberten) gerettet waren — gewiß ein bewundernswürdiges Ergebniß, wel¬
ches den Führern wie den Truppen in gleichem Maße zu hoher Ehre ge¬
reicht! Der Löwenantheil des Verdienstes aber gebührt ohne Zweifel dem
wackern Scharnhorst, wie dies auch der durch und durch ehrenhafte General
von Hammerstein in seinen Berichten an den König von England und den
Grasen Walmoden in rühmlicher Bescheidenheit rückhaltlos anerkannte. Der
glänzende Lohn für Scharnhorst's herrliche That sollte denn auch nicht aus-


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[0256] directen Wege nach Rousselaer, welches ursprünglich als Mittelpunkt der all¬ gemeinen Wiedervereinigung bezeichnet worden war, völlig abgedrängt ist, so eilen die Befreiten zunächst in der Richtung auf Courtray vorwärts, werfen noch zweimal feindliche Abtheilungen, die sich ihnen entgegenstellen, in raschem Anlauf zurück und erreichen endlich, in höchstem Maße erschöpft und ganz aufgelöst, das Dörfchen Jseghem an der Straße nach Rousselaer. Von 1800 Mann sind aber kaum 300 und von 18 Geschützen nur 13 gerettet! Ueberdies findet man auch in Jseghem immer noch nicht die so dringend benöthigte Ruhe und Erholung. Die Verfolgung des Feindes ist noch so hitzig, daß eiligst auf Rousselaer weiter marschirt werden muß. Allgemach beginnt die, furchtbare Ermüdung und Ueberanstrengung der Truppen ihr Recht zu üben; verzweiflungsvolle Gleichgiltigkeit und Aogespanntheit treten an Stelle des so begeisterten Kampfesmuthes und der eisernen Ausdauer. Noch ein energischer Druck des Feindes und man muß auch für die letzten Trümmer der bisherigen Vertheidiger Menins das Schlimmste befürchten! Da plötzlich sprengt durch das Dunkel der Nacht ein Reiter von Rousselaer daher. Er bringt dem General die frohe Kunde, daß die verlorengeglaubten drei Bataillone bereits wohlbehalten auf dem Marktplatz von Rousselaer stehen. Diese Tapferen haben sich nicht damit begnügt, eine blutige Gasse durch die feindlichen Reihen zu bahnen; sie haben in der Vorstadt Brügge sogar eine feuernde Batterie mit stürmender Hand erobert und zwei Geschütze als Siegestrophäen mitgeführt. Endloser, stürmischer Jubel begrüßt unter diesen Umständen die Wiedervereinigung der treuen Waffengefährten. Na¬ mentlich das Bataillon Loyal Emigrant zollte dem General von Hammer- strin tief bewegten Dank für die schwer und blutig errungene Rettung. Nach kurzer Rast wurde der Marsch aus Thourout fortgesetzt, hier den übermüdeten Truppen bis Tagesanbruch zu ruhen gestattet und endlich gegen Mittag des 30. Brügge erreicht, wo man befreundete StreitkrMe antraf und sich in völliger Sicherheit vor weiterer Verfolgung befand. In Brügge schlossen sich auch noch die letzten Nachzügler und Versprengten der ehemali¬ gen Besatzung von Menin an und mit gerechtem Stolze konnte man nun das Gesammtresultat des kühnen Unternehmens dahin zusammenfassen, daß von 1800 Mann fast 1400 und von 18 Geschützen Is (einschließlich der beiden eroberten) gerettet waren — gewiß ein bewundernswürdiges Ergebniß, wel¬ ches den Führern wie den Truppen in gleichem Maße zu hoher Ehre ge¬ reicht! Der Löwenantheil des Verdienstes aber gebührt ohne Zweifel dem wackern Scharnhorst, wie dies auch der durch und durch ehrenhafte General von Hammerstein in seinen Berichten an den König von England und den Grasen Walmoden in rühmlicher Bescheidenheit rückhaltlos anerkannte. Der glänzende Lohn für Scharnhorst's herrliche That sollte denn auch nicht aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/256>, abgerufen am 22.12.2024.