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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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deutende Geschützzahl auf, die mehrere Stunden hindurch ein wahres Höllen-
feuer gegen Menin unterhielt. Aus jeder Furche, von jedem Stein, hinter
jedem Busch hervor folgt Blitz auf Blitz und Knall auf Knall, während sich
der Pulverdampf als dichter Schleier über der Landschaft lagert. Das un¬
unterbrochene Pfeifen, Knattern und Prasseln der in die Straßen einschlagen¬
den Kartätsch- und Gewehrkugeln glich, wie Scharnhorst selbst berichtet hat,
"dem Fallen eines heftigen Regens"! Aber auch diesem Blei- und
Eisenhagel gegenüber sollte sich wieder die schon am Tage vorher bewährte
Taktik als Retterin in der Noth erweisen. Wieder ließ Scharnhorst eine
westlich der Brügger Vorstadt aufgestellte Batterie, deren Feuer besonders
lästig fiel, plötzlich von allen verfügbaren Geschützen dermaßen "durchwalken",
daß die entsetzten Kanoniere auch diesmal mit "Lauvs <Mi peut!^ fortstürz¬
ten und ihre Kanonen elend im Stich ließen. Auch gegen die vor der Nord-
sronte eingenisteten, äußerst zudringlichen Schützen half ein ähnlicher Hand¬
streich mit gleichem Erfolge.

Gegen 10 Uhr Vormittags schwieg mit einem Male das Feuer des
Feindes völlig; dafür aber sah die aufathmende Besatzung plötzlich mehrere
Colonnen, anscheinend zum Sturm, sich den Werken nähern; zugleich erschien
am Uperner Thor ein Parlamentär, welcher den Commandanten zur Ueber¬
gabe aufforderte. Da vernimmt in der Todtenstille, die während dieses kur¬
zen Jntermezzos über der Stadt lag, das gespannt lauschende Ohr der Be¬
lagerten dumpf, aber deutlich ein Rollen, ähnlich dem Donner entfernter Ge¬
witter, für das Gehör des erfahrenen Soldaten aber unverkennbar der Schall
einer lebhaften Kanonade, die in der Richtung auf Mouscron stattfindet.
Nur von Mouscron her kann der so heiß ersehnte Ersatz kommen; es ist
also kein Zweifel mehr möglich; dort, hinter jenen Höhen kämpfen die Freunde,
die Brüder für die Rettung Menin's! Und so war es in der That. Ge¬
neral Clairfait hatte sich mit den Resten des vor drei Tagen bei Mouscron
geschlagenen Wangenheim'schen Corps vereinigt und war, nunmehr 10,000
Mann stark, treu seinem Versprechen sogleich wieder zur Offensive überge¬
gangen. In der Gegend von Mouscron durch überlegene Kräfte angegriffen,
hielt er dem wüthenden Anprall des Feindes längere Zeit Stand, bis ihn
der inzwischen eingetretene Munitionsmangel zum Rückzüge auf Dottignies
und Espierres zwang; die energische Verfolgung der Franzosen verwandelte
aber den Rückzug bald in eine wilde Flucht, auf der Clairfait 2000 Mann
und 23 Kanonen einbüßte, bevor 6 frische Bataillone bei Dottignies ihn
aufnahmen.

Damit war Menin's Schicksal besiegelt. Die Rettung der braven Be¬
satzung, für die es keine Hilfe von außen mehr gab, konnte nur noch in ihr
selbst beruhen, in der kühnen Entschlossenheit der Führer, in der standhaften


deutende Geschützzahl auf, die mehrere Stunden hindurch ein wahres Höllen-
feuer gegen Menin unterhielt. Aus jeder Furche, von jedem Stein, hinter
jedem Busch hervor folgt Blitz auf Blitz und Knall auf Knall, während sich
der Pulverdampf als dichter Schleier über der Landschaft lagert. Das un¬
unterbrochene Pfeifen, Knattern und Prasseln der in die Straßen einschlagen¬
den Kartätsch- und Gewehrkugeln glich, wie Scharnhorst selbst berichtet hat,
„dem Fallen eines heftigen Regens"! Aber auch diesem Blei- und
Eisenhagel gegenüber sollte sich wieder die schon am Tage vorher bewährte
Taktik als Retterin in der Noth erweisen. Wieder ließ Scharnhorst eine
westlich der Brügger Vorstadt aufgestellte Batterie, deren Feuer besonders
lästig fiel, plötzlich von allen verfügbaren Geschützen dermaßen „durchwalken",
daß die entsetzten Kanoniere auch diesmal mit „Lauvs <Mi peut!^ fortstürz¬
ten und ihre Kanonen elend im Stich ließen. Auch gegen die vor der Nord-
sronte eingenisteten, äußerst zudringlichen Schützen half ein ähnlicher Hand¬
streich mit gleichem Erfolge.

Gegen 10 Uhr Vormittags schwieg mit einem Male das Feuer des
Feindes völlig; dafür aber sah die aufathmende Besatzung plötzlich mehrere
Colonnen, anscheinend zum Sturm, sich den Werken nähern; zugleich erschien
am Uperner Thor ein Parlamentär, welcher den Commandanten zur Ueber¬
gabe aufforderte. Da vernimmt in der Todtenstille, die während dieses kur¬
zen Jntermezzos über der Stadt lag, das gespannt lauschende Ohr der Be¬
lagerten dumpf, aber deutlich ein Rollen, ähnlich dem Donner entfernter Ge¬
witter, für das Gehör des erfahrenen Soldaten aber unverkennbar der Schall
einer lebhaften Kanonade, die in der Richtung auf Mouscron stattfindet.
Nur von Mouscron her kann der so heiß ersehnte Ersatz kommen; es ist
also kein Zweifel mehr möglich; dort, hinter jenen Höhen kämpfen die Freunde,
die Brüder für die Rettung Menin's! Und so war es in der That. Ge¬
neral Clairfait hatte sich mit den Resten des vor drei Tagen bei Mouscron
geschlagenen Wangenheim'schen Corps vereinigt und war, nunmehr 10,000
Mann stark, treu seinem Versprechen sogleich wieder zur Offensive überge¬
gangen. In der Gegend von Mouscron durch überlegene Kräfte angegriffen,
hielt er dem wüthenden Anprall des Feindes längere Zeit Stand, bis ihn
der inzwischen eingetretene Munitionsmangel zum Rückzüge auf Dottignies
und Espierres zwang; die energische Verfolgung der Franzosen verwandelte
aber den Rückzug bald in eine wilde Flucht, auf der Clairfait 2000 Mann
und 23 Kanonen einbüßte, bevor 6 frische Bataillone bei Dottignies ihn
aufnahmen.

Damit war Menin's Schicksal besiegelt. Die Rettung der braven Be¬
satzung, für die es keine Hilfe von außen mehr gab, konnte nur noch in ihr
selbst beruhen, in der kühnen Entschlossenheit der Führer, in der standhaften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/252>, abgerufen am 23.12.2024.