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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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nicht den rein defensiven Zweck wie die eben beschriebenen schwimmenden
Batterien, die nur mit ihren Geschützen als Positionsartillerie in den Küsten¬
gewässern wirken sollen, vielmehr sollen sie die Hafenvertheidigung in offensiver
Form führen. Hierzu erachtete man in Frankreich die Wirkung des Sporns
beim Anrennen eines Widderschiffs für weit gewaltiger als die Wirkung von
Geschützfeuer, und man construirte daher die vier Mräo-evto "Taureau",
"Belier", "Cerbere" und "Bouledogue" als Widderschiffe mit einer
so starken Maschine, als ihr verhältnißmäßig geringer Tiefgang irgend zuließ
(530 Pferdekraft), nebst der nothwendigsten Geschützarmirung. Die letztere
besteht aus einem einzigen Deckgeschütz von allerschwerstem Caliver; da man
aber aus guten Gründen in Frankreich gegen Drehthürme mißtrauisch ist
und fürchtet, sie im Gefecht festgeklemmt zu sehen, so brachte man bei diesen
Küstenwachtschiffen das Geschütz auf der einem Wulfischrücken ähnlich ge¬
wölbten oberen Hälfte des Rumpfes in einem festen Thurme unter, innerhalb
dessen es sich auf einer Drehscheibe beliebig richten und durch vier im festen
Thurm angebrachte Pforten nach den vier Hauptrichtungen feuern kann.
Takelage haben diese Küstenwachtschiffe gar nicht, und ob sie sich in der Praxis
bewähren, ist bis jetzt noch nicht zur Entscheidung gekommen.

Die dritte Kategorie von Küstenvertheidigungsschiffen, welche Frankreich
besitzt, sind die beiden gelegentlich der Luxemburger Affaire 1867 eilig in
Amerika angekauften "Rochambeau" (früher Dur derb erg) und "Onon-
daga". Der "Rochambeau" ist ein sehr großes und von den Amerikanern
sehr gepriesenes Casemattenschiff mit schwacher Schoonertakelage, das in
der Schwäche selner Panzerung und seiner durch schwache Maschine bei be¬
deutender Größe bedingten Langsamkeit bedenkliche Fehler besaß, doch soll
die Schnelligkeit durch, gewisse Modificationen sehr gehoben worden sein, und
im October v. I. sprachen sich dem Verf. gegenüber französische Marine¬
offiziere über den "Rochambeau" höchst befriedigt aus, befriedigter als über
die Erkerthurmfregatten. Eine genaue, auf amerikanischen Quellen beruhende
Beschreibung dieses Casemattenschiffs wie des zweithürmigen Monitors "Onvn-
daga" gaben wir bereits einer früheren Ur. d. Bl. Die Seefähigkeit des letzte¬
ren Fahrzeugs ist so gering, daß es beim ersten Versuch der Ueberfahrt von
Amerika nach Europa umzukehren gezwungen war.

Das unterseeische Petardenfahrzeug "Le Plongeuc", das in Rochefort
gebaut und als Modell 1867 auf der Pariser Ausstellung war, scheint den
Erwartungen nicht entsprochen zu haben, da man kein zweites dieser Art ge¬
baut hat. --

Nach dieser Beschreibung des Schiffsmaterials der französischen Marine
ist es noch übrig, das Wesentlichste über Häfen und Bemannung derselben
anzuführen. -- Frankreich besitzt fünf Kriegshafen, die zugleich die Depotstatio-


Grcnzbote" IV. 1870. 3

nicht den rein defensiven Zweck wie die eben beschriebenen schwimmenden
Batterien, die nur mit ihren Geschützen als Positionsartillerie in den Küsten¬
gewässern wirken sollen, vielmehr sollen sie die Hafenvertheidigung in offensiver
Form führen. Hierzu erachtete man in Frankreich die Wirkung des Sporns
beim Anrennen eines Widderschiffs für weit gewaltiger als die Wirkung von
Geschützfeuer, und man construirte daher die vier Mräo-evto „Taureau",
„Belier", „Cerbere" und „Bouledogue" als Widderschiffe mit einer
so starken Maschine, als ihr verhältnißmäßig geringer Tiefgang irgend zuließ
(530 Pferdekraft), nebst der nothwendigsten Geschützarmirung. Die letztere
besteht aus einem einzigen Deckgeschütz von allerschwerstem Caliver; da man
aber aus guten Gründen in Frankreich gegen Drehthürme mißtrauisch ist
und fürchtet, sie im Gefecht festgeklemmt zu sehen, so brachte man bei diesen
Küstenwachtschiffen das Geschütz auf der einem Wulfischrücken ähnlich ge¬
wölbten oberen Hälfte des Rumpfes in einem festen Thurme unter, innerhalb
dessen es sich auf einer Drehscheibe beliebig richten und durch vier im festen
Thurm angebrachte Pforten nach den vier Hauptrichtungen feuern kann.
Takelage haben diese Küstenwachtschiffe gar nicht, und ob sie sich in der Praxis
bewähren, ist bis jetzt noch nicht zur Entscheidung gekommen.

Die dritte Kategorie von Küstenvertheidigungsschiffen, welche Frankreich
besitzt, sind die beiden gelegentlich der Luxemburger Affaire 1867 eilig in
Amerika angekauften „Rochambeau" (früher Dur derb erg) und „Onon-
daga". Der „Rochambeau" ist ein sehr großes und von den Amerikanern
sehr gepriesenes Casemattenschiff mit schwacher Schoonertakelage, das in
der Schwäche selner Panzerung und seiner durch schwache Maschine bei be¬
deutender Größe bedingten Langsamkeit bedenkliche Fehler besaß, doch soll
die Schnelligkeit durch, gewisse Modificationen sehr gehoben worden sein, und
im October v. I. sprachen sich dem Verf. gegenüber französische Marine¬
offiziere über den „Rochambeau" höchst befriedigt aus, befriedigter als über
die Erkerthurmfregatten. Eine genaue, auf amerikanischen Quellen beruhende
Beschreibung dieses Casemattenschiffs wie des zweithürmigen Monitors „Onvn-
daga" gaben wir bereits einer früheren Ur. d. Bl. Die Seefähigkeit des letzte¬
ren Fahrzeugs ist so gering, daß es beim ersten Versuch der Ueberfahrt von
Amerika nach Europa umzukehren gezwungen war.

Das unterseeische Petardenfahrzeug „Le Plongeuc", das in Rochefort
gebaut und als Modell 1867 auf der Pariser Ausstellung war, scheint den
Erwartungen nicht entsprochen zu haben, da man kein zweites dieser Art ge¬
baut hat. —

Nach dieser Beschreibung des Schiffsmaterials der französischen Marine
ist es noch übrig, das Wesentlichste über Häfen und Bemannung derselben
anzuführen. — Frankreich besitzt fünf Kriegshafen, die zugleich die Depotstatio-


Grcnzbote» IV. 1870. 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/25>, abgerufen am 23.12.2024.