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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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dem Triumphbogen. Es war ein einziges Gefühl, an diesem Tage auf dem
Siegeswagen zu stehen, den Napoleon für sich gebaut, und von hier auf die
Franzosen hinabzusehen, die früher so voll Stolz und Uebermuth über un¬
sere Köpfe weggingen. Diese standen von Weitem, so wie die Juden zu
Jerusalem und sahen durch die Arcaden der Tuilerien und durch die Straße
des Louvre und seufzten über den Schaden Joseph's.

Alle Deutsche, die auf dem Triumphbogen waren, wollten ein Andenken
von diesem Tage und von dieser Stunde; die aus Blei gegossenen Zierrathen,
die recht hübsch vergoldet waren, schienen hierzu nicht unschicklich zu sein und
die englischen Pioniere waren sehr behilflich, sie loszumachen. Auf dem
Triumphbogen herrschte eine allgemeine Brüderschaft und eine große Einig¬
keit. Für Jahr nahmen wir ein großes mit. Es schien uns billig zu
sein, daß 1e iwmiu"z ^alm, der seiner Zeit im Moniteur so herrlich florirt,
nicht vergessen werde. Ich habe mir ein Stück vom Lorbeerkranz zugetheilt.
Die Zierrathen waren auf den aus Kupfer getriebenen Siegeswagen auf¬
geschraubt, und da war es leicht, die Schraubenköpfe zu vermögen, daß sie
sich durch das Blei durchzogen. In ein Paar Stunden war der Sieges¬
wagen ganz kahl, bis auf den großen Adler, der vorne war und der viel¬
leicht 100 Pfund wog und Jedermann zu schwer war.

Und es begab sich, daß an diesem Tage viele Menschen aus dem fran¬
zösischen Aberglauben kamen. Man sah deutlich, daß man ein solches Heer
pariser Egoisten nie zu fürchten hat, sobald man zwei Bataillone Gre¬
nadiere und einig".' Schwadronen Cürassiere aufziehen läßt. Courage und
große Mäuler hatten die Pariser vorher genug, allein, da Jeder nur an sich
selbst denkt, so kann unter ihnen nie etwas Großes, nie etwas Gemeinschaft¬
liches zu Stande kommen, und alles Wetterleuchten ihres Zorns
zieht in heftigen Redensarten spurlos vorüber. Gegen 6 Uhr
kam das erste Pferd herunter, gegen 7 Uhr das zweite. Da es dunkel wurde,
so blieben die beiden anderen bis den folgenden Morgen. Dieses war ein
Sonntag, Als die Pferde weg waren, so zogen die Oestreicher ab, und die
Franzosen strömten auf den Platz und besahen den Siegeswagen und die
beiden Genien des Ruhmes und des Sieges, welche stehen geblieben, ob-
schon sie nichts mehr zu thun hatten und ein Spottbild auf die Zeit und
die ihnen weggelaufenen Pferde waren, die zu führen die Franzosen sie hin¬
gestellt.

Der große Adler war nun auch vom Siegeswagen weg, in der Nacht
hatte ihn einer mitgehen heißen, und ich vermuthe sast, daß er nach London
gegangen.

An dem Tage, an dem die Pferde abgenommen wurden, waren die
Franzosen so kitzlich und so gereizt als die Bienen, wenn es heiß ist, und sie


dem Triumphbogen. Es war ein einziges Gefühl, an diesem Tage auf dem
Siegeswagen zu stehen, den Napoleon für sich gebaut, und von hier auf die
Franzosen hinabzusehen, die früher so voll Stolz und Uebermuth über un¬
sere Köpfe weggingen. Diese standen von Weitem, so wie die Juden zu
Jerusalem und sahen durch die Arcaden der Tuilerien und durch die Straße
des Louvre und seufzten über den Schaden Joseph's.

Alle Deutsche, die auf dem Triumphbogen waren, wollten ein Andenken
von diesem Tage und von dieser Stunde; die aus Blei gegossenen Zierrathen,
die recht hübsch vergoldet waren, schienen hierzu nicht unschicklich zu sein und
die englischen Pioniere waren sehr behilflich, sie loszumachen. Auf dem
Triumphbogen herrschte eine allgemeine Brüderschaft und eine große Einig¬
keit. Für Jahr nahmen wir ein großes mit. Es schien uns billig zu
sein, daß 1e iwmiu«z ^alm, der seiner Zeit im Moniteur so herrlich florirt,
nicht vergessen werde. Ich habe mir ein Stück vom Lorbeerkranz zugetheilt.
Die Zierrathen waren auf den aus Kupfer getriebenen Siegeswagen auf¬
geschraubt, und da war es leicht, die Schraubenköpfe zu vermögen, daß sie
sich durch das Blei durchzogen. In ein Paar Stunden war der Sieges¬
wagen ganz kahl, bis auf den großen Adler, der vorne war und der viel¬
leicht 100 Pfund wog und Jedermann zu schwer war.

Und es begab sich, daß an diesem Tage viele Menschen aus dem fran¬
zösischen Aberglauben kamen. Man sah deutlich, daß man ein solches Heer
pariser Egoisten nie zu fürchten hat, sobald man zwei Bataillone Gre¬
nadiere und einig«.' Schwadronen Cürassiere aufziehen läßt. Courage und
große Mäuler hatten die Pariser vorher genug, allein, da Jeder nur an sich
selbst denkt, so kann unter ihnen nie etwas Großes, nie etwas Gemeinschaft¬
liches zu Stande kommen, und alles Wetterleuchten ihres Zorns
zieht in heftigen Redensarten spurlos vorüber. Gegen 6 Uhr
kam das erste Pferd herunter, gegen 7 Uhr das zweite. Da es dunkel wurde,
so blieben die beiden anderen bis den folgenden Morgen. Dieses war ein
Sonntag, Als die Pferde weg waren, so zogen die Oestreicher ab, und die
Franzosen strömten auf den Platz und besahen den Siegeswagen und die
beiden Genien des Ruhmes und des Sieges, welche stehen geblieben, ob-
schon sie nichts mehr zu thun hatten und ein Spottbild auf die Zeit und
die ihnen weggelaufenen Pferde waren, die zu führen die Franzosen sie hin¬
gestellt.

Der große Adler war nun auch vom Siegeswagen weg, in der Nacht
hatte ihn einer mitgehen heißen, und ich vermuthe sast, daß er nach London
gegangen.

An dem Tage, an dem die Pferde abgenommen wurden, waren die
Franzosen so kitzlich und so gereizt als die Bienen, wenn es heiß ist, und sie


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[0232] dem Triumphbogen. Es war ein einziges Gefühl, an diesem Tage auf dem Siegeswagen zu stehen, den Napoleon für sich gebaut, und von hier auf die Franzosen hinabzusehen, die früher so voll Stolz und Uebermuth über un¬ sere Köpfe weggingen. Diese standen von Weitem, so wie die Juden zu Jerusalem und sahen durch die Arcaden der Tuilerien und durch die Straße des Louvre und seufzten über den Schaden Joseph's. Alle Deutsche, die auf dem Triumphbogen waren, wollten ein Andenken von diesem Tage und von dieser Stunde; die aus Blei gegossenen Zierrathen, die recht hübsch vergoldet waren, schienen hierzu nicht unschicklich zu sein und die englischen Pioniere waren sehr behilflich, sie loszumachen. Auf dem Triumphbogen herrschte eine allgemeine Brüderschaft und eine große Einig¬ keit. Für Jahr nahmen wir ein großes mit. Es schien uns billig zu sein, daß 1e iwmiu«z ^alm, der seiner Zeit im Moniteur so herrlich florirt, nicht vergessen werde. Ich habe mir ein Stück vom Lorbeerkranz zugetheilt. Die Zierrathen waren auf den aus Kupfer getriebenen Siegeswagen auf¬ geschraubt, und da war es leicht, die Schraubenköpfe zu vermögen, daß sie sich durch das Blei durchzogen. In ein Paar Stunden war der Sieges¬ wagen ganz kahl, bis auf den großen Adler, der vorne war und der viel¬ leicht 100 Pfund wog und Jedermann zu schwer war. Und es begab sich, daß an diesem Tage viele Menschen aus dem fran¬ zösischen Aberglauben kamen. Man sah deutlich, daß man ein solches Heer pariser Egoisten nie zu fürchten hat, sobald man zwei Bataillone Gre¬ nadiere und einig«.' Schwadronen Cürassiere aufziehen läßt. Courage und große Mäuler hatten die Pariser vorher genug, allein, da Jeder nur an sich selbst denkt, so kann unter ihnen nie etwas Großes, nie etwas Gemeinschaft¬ liches zu Stande kommen, und alles Wetterleuchten ihres Zorns zieht in heftigen Redensarten spurlos vorüber. Gegen 6 Uhr kam das erste Pferd herunter, gegen 7 Uhr das zweite. Da es dunkel wurde, so blieben die beiden anderen bis den folgenden Morgen. Dieses war ein Sonntag, Als die Pferde weg waren, so zogen die Oestreicher ab, und die Franzosen strömten auf den Platz und besahen den Siegeswagen und die beiden Genien des Ruhmes und des Sieges, welche stehen geblieben, ob- schon sie nichts mehr zu thun hatten und ein Spottbild auf die Zeit und die ihnen weggelaufenen Pferde waren, die zu führen die Franzosen sie hin¬ gestellt. Der große Adler war nun auch vom Siegeswagen weg, in der Nacht hatte ihn einer mitgehen heißen, und ich vermuthe sast, daß er nach London gegangen. An dem Tage, an dem die Pferde abgenommen wurden, waren die Franzosen so kitzlich und so gereizt als die Bienen, wenn es heiß ist, und sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/232>, abgerufen am 23.12.2024.