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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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und zugleich infolge der bedeutenden Überlegenheit, welche Thurmschiffe durch
ihr Geschützfeuer aus Drehthürmen nach jeder beliebigen Richtung den Breit-
seitenschiffen gegenüber besitzen, kam man vor einigen Jahren auf eine ganz
neue Construction. Die Drehthürme haben den Nachtheil, daß ehre Drehungs-
maschinerie durch aufschlagende feindliche Schüsse sehr leicht unbrauchbar ge¬
macht werden kann, und deshalb wählte man feste Thürme, bei denen, um
ein Nichten des Geschützes nach jeder Direction zu ermöglichen, die Decke
fehlte und das auf einer Drehscheibe innen stehende Geschütz mit dem Rohr
so hoch lag, daß es eben über die Oberkante der Thurmwand hinwegfeuern
konnte. Außerdem wurden diese Thürme noch über der gewöhnlichen Batterie,
also über einem hohen Oberdeck angebracht (während alle andern Thurmschiffe
j^ner Zeit ihre Drehthürme auf einem niedrigen Oberdeck führten), und diese
Fahrzeuge ^ touröllss waren somit zugleich eine sehr eigenthümliche und
sehr sinnreiche Construction. Um beim Schießen nach vorn und nach hinten
nicht durch die Takelage behindert zu werden, brachte man die Thürme nicht
in der Mittellinie des Schiffes an, sondern auf den Flanken, über die sie
noch wie Erker seitwärts herausragen, und zwar je einen solchen Thurm auf
jeder der vier Ecken des mittleren gepanzerten Drittels des Fahrzeugs, das
außerdem noch Batteriegeschütze enthielt.

Das erste Erkerthurmfahrzeug, das überhaupt gebaut wurde und an
dem man die neue Construction erproben wollte, mit 400 Pferdekraft,
mit 2 Batteriegeschützen in jeder Flanke, also im Ganzen mit 8 Kanonen
war die Panzercorvette " B ellixu cuse", zugleich die erste Panzer-
corvette der Welt. Während man zur Zeit ihrer Erbauung noch in
keiner Marine Panzerschiffe in überseeischen Gegenden zu verwenden
wagte, indem man ihnen nicht genug Seefähigkeit zutraute, und bei
dem Mangel an Docks in jenen Gegenden den schnell mit Seegewächsen
bewachsenden Eisenboden nicht reinigen zu können fürchtete, ward die "Belli-
queuse" sofort nach Ostasien gesandt. Als Holzschiff konnte sie gekupfert
werden, wodurch das Bewachsen des Bodens sicher verhindert wurde, und
als Erkerthurmfahrzeug mit fast ebenso hohem Obergewicht wie ein Panzer¬
linienschiff hatte sie so weiche Bewegungen, daß alle Sachverständigen ihres
Lobes voll waren. Sofort wurden 7 andere Panzereorvetten auf Stapel
gesetzt, so "Thetts", "Armide", "Jndienne", "Atalante", "Jeanne
d'Arc" (die beiden letzteren in Cherbourg), aber theilweise mit nur zwei
Erkerthürmen, also im Ganzen mit 6 Geschützen versehen. Der Anblick solch
eines Fahrzeugs auf Stapel ist wirklich imponirend. Fast 30 Fuß hoch hebt
sich der mächtige Rumpf mit Eichenbalken von einer Stärke, wie sonst nicht
einmal bei Linienschiffen, in die Luft, und vorn ragt der mächtige Bronze-


und zugleich infolge der bedeutenden Überlegenheit, welche Thurmschiffe durch
ihr Geschützfeuer aus Drehthürmen nach jeder beliebigen Richtung den Breit-
seitenschiffen gegenüber besitzen, kam man vor einigen Jahren auf eine ganz
neue Construction. Die Drehthürme haben den Nachtheil, daß ehre Drehungs-
maschinerie durch aufschlagende feindliche Schüsse sehr leicht unbrauchbar ge¬
macht werden kann, und deshalb wählte man feste Thürme, bei denen, um
ein Nichten des Geschützes nach jeder Direction zu ermöglichen, die Decke
fehlte und das auf einer Drehscheibe innen stehende Geschütz mit dem Rohr
so hoch lag, daß es eben über die Oberkante der Thurmwand hinwegfeuern
konnte. Außerdem wurden diese Thürme noch über der gewöhnlichen Batterie,
also über einem hohen Oberdeck angebracht (während alle andern Thurmschiffe
j^ner Zeit ihre Drehthürme auf einem niedrigen Oberdeck führten), und diese
Fahrzeuge ^ touröllss waren somit zugleich eine sehr eigenthümliche und
sehr sinnreiche Construction. Um beim Schießen nach vorn und nach hinten
nicht durch die Takelage behindert zu werden, brachte man die Thürme nicht
in der Mittellinie des Schiffes an, sondern auf den Flanken, über die sie
noch wie Erker seitwärts herausragen, und zwar je einen solchen Thurm auf
jeder der vier Ecken des mittleren gepanzerten Drittels des Fahrzeugs, das
außerdem noch Batteriegeschütze enthielt.

Das erste Erkerthurmfahrzeug, das überhaupt gebaut wurde und an
dem man die neue Construction erproben wollte, mit 400 Pferdekraft,
mit 2 Batteriegeschützen in jeder Flanke, also im Ganzen mit 8 Kanonen
war die Panzercorvette „ B ellixu cuse", zugleich die erste Panzer-
corvette der Welt. Während man zur Zeit ihrer Erbauung noch in
keiner Marine Panzerschiffe in überseeischen Gegenden zu verwenden
wagte, indem man ihnen nicht genug Seefähigkeit zutraute, und bei
dem Mangel an Docks in jenen Gegenden den schnell mit Seegewächsen
bewachsenden Eisenboden nicht reinigen zu können fürchtete, ward die „Belli-
queuse" sofort nach Ostasien gesandt. Als Holzschiff konnte sie gekupfert
werden, wodurch das Bewachsen des Bodens sicher verhindert wurde, und
als Erkerthurmfahrzeug mit fast ebenso hohem Obergewicht wie ein Panzer¬
linienschiff hatte sie so weiche Bewegungen, daß alle Sachverständigen ihres
Lobes voll waren. Sofort wurden 7 andere Panzereorvetten auf Stapel
gesetzt, so „Thetts", „Armide", „Jndienne", „Atalante", „Jeanne
d'Arc" (die beiden letzteren in Cherbourg), aber theilweise mit nur zwei
Erkerthürmen, also im Ganzen mit 6 Geschützen versehen. Der Anblick solch
eines Fahrzeugs auf Stapel ist wirklich imponirend. Fast 30 Fuß hoch hebt
sich der mächtige Rumpf mit Eichenbalken von einer Stärke, wie sonst nicht
einmal bei Linienschiffen, in die Luft, und vorn ragt der mächtige Bronze-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/23>, abgerufen am 23.12.2024.