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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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ganz abgesehen von dem Vorzuge, daß sie mit ihren oberen Geschützen noch
feuern konnten, als sie bei hohem Seegang in ihrer unteren Batterie und
die Fregatten in ihrer einzigen Batterie alle Stückpforten schließen mußten.
Wohl infolge dieser Erfahrungen haben denn auch alle neueren Panzer¬
fregatten und Panzercorvetten in Frankreich über ihrer Batterie noch schwere
Geschütze erhalten, allerdings mit besserer Placirung nach einem neuen
System.

Seit ein paar Jahren hat sich übrigens sowohl hinsichtlich der Geschütz-
armirung als hinsichtlich der Benennung der Maschinenstärke ein bedeutender
Umschwung vollzogen. Mährend England danach strebte, möglichst schwere
Geschütze herzustellen und mit einer kleinen Zahl solcher Kanonen die große
Anzahl leichterer Geschütze zu ersetzen, weil dieselben ein Feuergefecht auf
größere Distanzen ermöglichten und mehr Percussionskraft gegen die immer
stärker werdende Panzerung besaßen, hoffte man in Frankreich lange Zeit,
durch concentrirtes Feuer vieler leichterer Geschütze mehr auszurichten. Erst
die Erfolge der schwer armirten amerikanischen Unionsschraubensloop "Kear-
sarge" gegen den Conföderationskaper "Alabama" auf der Rhede von Cher-
bourg bestimmte auch die französische Marine zur Einführung gezogener
löOpsünder und noch schwererer Geschütze (17, 24 und 27 Centimeter Ca-
liber), und zwar Guß e ihm kunonen mit Verstärkung durch Stahlringe und
Hinterladung, während bekanntlich alle Geschütze der französischen Landarmee
Vorderlader sind. Seitdem haben die 16 älteren Panzerschiffe nur 10 bis
14 Geschütze, aber von viel schwereren Caliber als früher. In den
officiellen Ackerstücken der französischen Marine werden die beiden Panzer¬
linienschiffe und die 14 Panzerfregatten immer als die 16 Panzerfregatten
alten Systems zusammengefaßt.

Auch hinsichtlich der Maschine hat sich Vieles verändert. Man berech¬
nete früher in Frankreich wie noch jetzt bei uns und in England die Ma¬
schinenstärke einfach nach dem Cylindertnhalt und drückte sie in Pferde¬
kraft als Nominalstärke aus. Indessen leisteten die Maschinen infolge
der immer mehr verbesserten Construction bald viermal mehr als die
Nominalstärke, und diese effektive Stärke (indieirte Pferdekraft-
zahl) wuchs bald auf das Fünffache der normalen, ja jetzt bei den
besten englischen und norddeutschen Schiffen aus das Sechsfache und selbst
noch darüber. Seitdem nimmt man in Frankreich ein Fünftel der indi-
cirten Pferdekräfte als Nominalstärke an, wodurch bei den älteren Maschinen
die Zahl etwas gesunken erscheint: die früher mit 1000 Pferdekraft auf-
geführten älteren Panzerfregatten werden jetzt als Schiffe von 900 Pferde¬
kraft, die beiden Panzerlinienschiffe als solche von 1000 Pferdekraft berechnet.

Infolge der mit den älteren 16 Panzerschiffen gemachten Erfahrungen


ganz abgesehen von dem Vorzuge, daß sie mit ihren oberen Geschützen noch
feuern konnten, als sie bei hohem Seegang in ihrer unteren Batterie und
die Fregatten in ihrer einzigen Batterie alle Stückpforten schließen mußten.
Wohl infolge dieser Erfahrungen haben denn auch alle neueren Panzer¬
fregatten und Panzercorvetten in Frankreich über ihrer Batterie noch schwere
Geschütze erhalten, allerdings mit besserer Placirung nach einem neuen
System.

Seit ein paar Jahren hat sich übrigens sowohl hinsichtlich der Geschütz-
armirung als hinsichtlich der Benennung der Maschinenstärke ein bedeutender
Umschwung vollzogen. Mährend England danach strebte, möglichst schwere
Geschütze herzustellen und mit einer kleinen Zahl solcher Kanonen die große
Anzahl leichterer Geschütze zu ersetzen, weil dieselben ein Feuergefecht auf
größere Distanzen ermöglichten und mehr Percussionskraft gegen die immer
stärker werdende Panzerung besaßen, hoffte man in Frankreich lange Zeit,
durch concentrirtes Feuer vieler leichterer Geschütze mehr auszurichten. Erst
die Erfolge der schwer armirten amerikanischen Unionsschraubensloop „Kear-
sarge" gegen den Conföderationskaper „Alabama" auf der Rhede von Cher-
bourg bestimmte auch die französische Marine zur Einführung gezogener
löOpsünder und noch schwererer Geschütze (17, 24 und 27 Centimeter Ca-
liber), und zwar Guß e ihm kunonen mit Verstärkung durch Stahlringe und
Hinterladung, während bekanntlich alle Geschütze der französischen Landarmee
Vorderlader sind. Seitdem haben die 16 älteren Panzerschiffe nur 10 bis
14 Geschütze, aber von viel schwereren Caliber als früher. In den
officiellen Ackerstücken der französischen Marine werden die beiden Panzer¬
linienschiffe und die 14 Panzerfregatten immer als die 16 Panzerfregatten
alten Systems zusammengefaßt.

Auch hinsichtlich der Maschine hat sich Vieles verändert. Man berech¬
nete früher in Frankreich wie noch jetzt bei uns und in England die Ma¬
schinenstärke einfach nach dem Cylindertnhalt und drückte sie in Pferde¬
kraft als Nominalstärke aus. Indessen leisteten die Maschinen infolge
der immer mehr verbesserten Construction bald viermal mehr als die
Nominalstärke, und diese effektive Stärke (indieirte Pferdekraft-
zahl) wuchs bald auf das Fünffache der normalen, ja jetzt bei den
besten englischen und norddeutschen Schiffen aus das Sechsfache und selbst
noch darüber. Seitdem nimmt man in Frankreich ein Fünftel der indi-
cirten Pferdekräfte als Nominalstärke an, wodurch bei den älteren Maschinen
die Zahl etwas gesunken erscheint: die früher mit 1000 Pferdekraft auf-
geführten älteren Panzerfregatten werden jetzt als Schiffe von 900 Pferde¬
kraft, die beiden Panzerlinienschiffe als solche von 1000 Pferdekraft berechnet.

Infolge der mit den älteren 16 Panzerschiffen gemachten Erfahrungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/22>, abgerufen am 23.12.2024.