Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.großen Damen eiferten den Loretten nach, Theresa und Cora Pearl waren Es soll gewiß nicht behauptet werden, daß die ganze materielle Ent¬ Was dagegen für die geistige Bildung des Volkes und namentlich den Die andere Seitenlinie des obenerwähnten napoleonischen Dreiecks war großen Damen eiferten den Loretten nach, Theresa und Cora Pearl waren Es soll gewiß nicht behauptet werden, daß die ganze materielle Ent¬ Was dagegen für die geistige Bildung des Volkes und namentlich den Die andere Seitenlinie des obenerwähnten napoleonischen Dreiecks war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124925"/> <p xml:id="ID_660" prev="#ID_659"> großen Damen eiferten den Loretten nach, Theresa und Cora Pearl waren<lb/> die beneideten Nebenbuhlerinnen der Fürstin Metternich und Gräfin Castiglione<lb/> in der jeuussLö äorss.</p><lb/> <p xml:id="ID_661"> Es soll gewiß nicht behauptet werden, daß die ganze materielle Ent¬<lb/> wicklung der letzten 21 Jahre Schwindel war, der Ausbau des französischen<lb/> Eisenbahnsystems und die durch die kaiserliche Handelspolitik geschaffene freiere<lb/> Bewegung sind dauernde Wohlthaten, durch welche die Hilfsquellen des von<lb/> der Natur so reich begünstigten Landes sich mächtig hoben. Aber es muß<lb/> betont werden, daß das ganze Streben der kaiserlichen Politik im Innern<lb/> auf das Materielle ging, und um die Welt stets durch neue glänzende Erfolge<lb/> zu frappiren, neben den soliden Mitteln naturgemäßer Entwicklung auch den<lb/> Schwindel und Socialismus nicht verschmähte. Daher die Bäckereikasfen,<lb/> welche die Brodpreise in den großen Städten künstlich fixirten, die unent¬<lb/> geltlichen Schau- und Wettspiele an dynastischen Festtagen, die colossalen<lb/> Bauten in den großen Städten, welche diese in immer wachsende Schulden<lb/> stürzten und dem Ackerbau die nöthigen Hände entzogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_662"> Was dagegen für die geistige Bildung des Volkes und namentlich den<lb/> öffentlichen Unterricht, vorzüglich während des Ministeriums des wackern Pro¬<lb/> testanten Duruy geschah, war im Verhältniß geringfügig; während für neue<lb/> Boulevards und Feldzüge immer Geld da war, wurden die Schullehrer küm¬<lb/> merlich abgespeist. Im Großen und Ganzen hatte der Klerus freie Hand,<lb/> der auf dem platten Lande und noch mehr in den kleinen Städten eine<lb/> immer steigende Macht gewann. Klöster, Priesterseminarien, geistliche Schulen<lb/> mehrten sich täglich, die Bauern und die kleine Bourgeoisie warfen sich<lb/> aus Angst vor dem Socialismus der Kirche in die Arme, die unabhängigeren<lb/> Geister der jüngeren Generation andrerseits wurden Materialisten und<lb/> Atheisten. Es liegt eine furchtbare Wahrheit in dem Ausspruch eines Ar¬<lb/> tikels des Constitutionnel, der im August mit Erbitterung die Protestanten<lb/> angriff: On ters. vont-fers as nous avso 1s tsmvL et 1a corruption rin<lb/> peuvls atlivö, Mmais Protestant.</p><lb/> <p xml:id="ID_663" next="#ID_664"> Die andere Seitenlinie des obenerwähnten napoleonischen Dreiecks war<lb/> die Armee, sie bildete neben den Massen und dem Klerus die Hauptstütze des<lb/> Systems und der Kaiser hatte seit dem Staatsstreich Alles gethan, um sie<lb/> zu heben, namentlich um die Linie auf denselben Grad der Ausbildung zu<lb/> bringen, die unter der Julimonarchie den Elitetruppen, den Chasseurs<lb/> d'Afrique, Zuaven und Spahis gegeben war. Der Krimmkrieg und der<lb/> italienische Feldzug brachten die französische Armee auf die Höhe ihres Ruh¬<lb/> mes, von da an aber ging sie abwärts. Die Expedition nach Mexico kostete<lb/> nicht nur Tausende von Menschen und Millionen, sondern die Verluste soll¬<lb/> ten auch versteckt werden, weil man für das unpopuläre Unternehmen nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
großen Damen eiferten den Loretten nach, Theresa und Cora Pearl waren
die beneideten Nebenbuhlerinnen der Fürstin Metternich und Gräfin Castiglione
in der jeuussLö äorss.
Es soll gewiß nicht behauptet werden, daß die ganze materielle Ent¬
wicklung der letzten 21 Jahre Schwindel war, der Ausbau des französischen
Eisenbahnsystems und die durch die kaiserliche Handelspolitik geschaffene freiere
Bewegung sind dauernde Wohlthaten, durch welche die Hilfsquellen des von
der Natur so reich begünstigten Landes sich mächtig hoben. Aber es muß
betont werden, daß das ganze Streben der kaiserlichen Politik im Innern
auf das Materielle ging, und um die Welt stets durch neue glänzende Erfolge
zu frappiren, neben den soliden Mitteln naturgemäßer Entwicklung auch den
Schwindel und Socialismus nicht verschmähte. Daher die Bäckereikasfen,
welche die Brodpreise in den großen Städten künstlich fixirten, die unent¬
geltlichen Schau- und Wettspiele an dynastischen Festtagen, die colossalen
Bauten in den großen Städten, welche diese in immer wachsende Schulden
stürzten und dem Ackerbau die nöthigen Hände entzogen.
Was dagegen für die geistige Bildung des Volkes und namentlich den
öffentlichen Unterricht, vorzüglich während des Ministeriums des wackern Pro¬
testanten Duruy geschah, war im Verhältniß geringfügig; während für neue
Boulevards und Feldzüge immer Geld da war, wurden die Schullehrer küm¬
merlich abgespeist. Im Großen und Ganzen hatte der Klerus freie Hand,
der auf dem platten Lande und noch mehr in den kleinen Städten eine
immer steigende Macht gewann. Klöster, Priesterseminarien, geistliche Schulen
mehrten sich täglich, die Bauern und die kleine Bourgeoisie warfen sich
aus Angst vor dem Socialismus der Kirche in die Arme, die unabhängigeren
Geister der jüngeren Generation andrerseits wurden Materialisten und
Atheisten. Es liegt eine furchtbare Wahrheit in dem Ausspruch eines Ar¬
tikels des Constitutionnel, der im August mit Erbitterung die Protestanten
angriff: On ters. vont-fers as nous avso 1s tsmvL et 1a corruption rin
peuvls atlivö, Mmais Protestant.
Die andere Seitenlinie des obenerwähnten napoleonischen Dreiecks war
die Armee, sie bildete neben den Massen und dem Klerus die Hauptstütze des
Systems und der Kaiser hatte seit dem Staatsstreich Alles gethan, um sie
zu heben, namentlich um die Linie auf denselben Grad der Ausbildung zu
bringen, die unter der Julimonarchie den Elitetruppen, den Chasseurs
d'Afrique, Zuaven und Spahis gegeben war. Der Krimmkrieg und der
italienische Feldzug brachten die französische Armee auf die Höhe ihres Ruh¬
mes, von da an aber ging sie abwärts. Die Expedition nach Mexico kostete
nicht nur Tausende von Menschen und Millionen, sondern die Verluste soll¬
ten auch versteckt werden, weil man für das unpopuläre Unternehmen nicht
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