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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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darin versteckt hätte, nahmen mir auch die zweite Börse, die ich bei mir trug,
ließen mir aber mein Taschentuch, meine Dose und alle Kleider, die ich auf
dem Leibe trug, gaben mir auch die Stiefeln und die Sammetmütze, die sie
mir ebenfalls abgenommen hatten, zurück und behandelten mich im Allge¬
meinen mit vieler Rücksicht. Aehnlich verfuhren sie mit meinen Leuten, denen
es jedoch gelang, ihre Uhren, indem sie dieselben zu Boden fallen ließen, zu
retten. Dem Gulden nahmen sie nur den Säbel. Als einer von den Ko¬
saken Lust zeigte, meinem Diener seinen Mantel zu nehmen, sagte ihm
der Oestreicher, außer sich über Alles, was uns widerfuhr, auf russisch:
"Laß den Mantel, er ist zerrissen, nimm lieber meinen, der ist noch gut, da
kannst Du Dich mit einem einem Waffenkameraden gestohlenen Mantel
schmücken!" Aber die Kosaken mochten ihn nicht und ließen auch den des
Dieners fahren. Mittlerweile (erst jetzt!) erinnerte ich mich meines Porte¬
feuilles, das der Guide auf dem Schooße gehabt hatte; es war das Erste
gewesen, wonach sie gegriffen hatten. Ich bat die Kosaken, mir wenigstens
diese Papiere zurückzugeben, die ja für sie keinen Werth hätten, ebenso bat
der Oestreicher, aber man rief uns immer nur "Se. Se.!" zu und als ich
auf der Herausgabe der Papiere bestand, gab einer von den Kosaken durch
Händeklatschen ein Zeichen, worauf sie die gestohlenen Sachen ergriffen und
in vollem Galopp nach Leipzig zu davon ritten. "Wohl bekomm's euch, ihr
infamen Spitzbuben!" rief ihnen mein Begleiter nach, aber sie thaten, als ob
sie es nicht hörten. Im Allgemeinen hatten sie kein Wort gesprochen und
uns nur durch ihr unheimliches "Se. Se" geantwortet.

Nach ihrer Entfernung befand ich mich mit meinen Leidensgefährten in
dichter Dunkelheit allein neben unserem Wagen; wir reeognoscirten so gut
es ging das Schlachtfeld und fanden zu unserem großen Erstaunen den Koffer
zwar durchsucht, aber noch gefüllt; meine Wäsche und Kleider, mein Degen,
jedoch ohne das Ported'cpe'e, die Stiefeln und was sonst noch zu einem voll
ständigen Anzüge gehört, alles war noch darin. Wir suchten nun die Straße
wiederzufinden und nach langem Herumirren in den Feldern kamen wir end¬
lich nach Breitenfeld, wo wir mit Hilfe eines Boten die Landstraße wieder
erreichten, auf der ich Nachts zwei Uhr in das Hütel de Baviere zurückkam.

Die höfliche Art, mit der man uns behandelt hatte, die Gegenwart von
drei Officieren, die Nutzlosigkeit meiner Sauvegarde, die außerordentliche-
Sorgfalt, mit der man meine Papiere zu entdecken gesucht, die Großmuth,
mit der man mir viele Gegenstände, die sonst in den Augen von Kosaken
Werth genug haben, gelassen hatte, bewiesen mir unzweifelhaft, daß ich auf
Befehl des Fürsten Repnin durchsucht worden sei, der, wie ich später erfuhr,
von meiner Sendung Wind bekommen hatte. Die ganze Art und Weise,
wie man sich in der Folge gegen mich benahm, haben bewiesen, daß meine


darin versteckt hätte, nahmen mir auch die zweite Börse, die ich bei mir trug,
ließen mir aber mein Taschentuch, meine Dose und alle Kleider, die ich auf
dem Leibe trug, gaben mir auch die Stiefeln und die Sammetmütze, die sie
mir ebenfalls abgenommen hatten, zurück und behandelten mich im Allge¬
meinen mit vieler Rücksicht. Aehnlich verfuhren sie mit meinen Leuten, denen
es jedoch gelang, ihre Uhren, indem sie dieselben zu Boden fallen ließen, zu
retten. Dem Gulden nahmen sie nur den Säbel. Als einer von den Ko¬
saken Lust zeigte, meinem Diener seinen Mantel zu nehmen, sagte ihm
der Oestreicher, außer sich über Alles, was uns widerfuhr, auf russisch:
„Laß den Mantel, er ist zerrissen, nimm lieber meinen, der ist noch gut, da
kannst Du Dich mit einem einem Waffenkameraden gestohlenen Mantel
schmücken!" Aber die Kosaken mochten ihn nicht und ließen auch den des
Dieners fahren. Mittlerweile (erst jetzt!) erinnerte ich mich meines Porte¬
feuilles, das der Guide auf dem Schooße gehabt hatte; es war das Erste
gewesen, wonach sie gegriffen hatten. Ich bat die Kosaken, mir wenigstens
diese Papiere zurückzugeben, die ja für sie keinen Werth hätten, ebenso bat
der Oestreicher, aber man rief uns immer nur „Se. Se.!" zu und als ich
auf der Herausgabe der Papiere bestand, gab einer von den Kosaken durch
Händeklatschen ein Zeichen, worauf sie die gestohlenen Sachen ergriffen und
in vollem Galopp nach Leipzig zu davon ritten. „Wohl bekomm's euch, ihr
infamen Spitzbuben!" rief ihnen mein Begleiter nach, aber sie thaten, als ob
sie es nicht hörten. Im Allgemeinen hatten sie kein Wort gesprochen und
uns nur durch ihr unheimliches „Se. Se" geantwortet.

Nach ihrer Entfernung befand ich mich mit meinen Leidensgefährten in
dichter Dunkelheit allein neben unserem Wagen; wir reeognoscirten so gut
es ging das Schlachtfeld und fanden zu unserem großen Erstaunen den Koffer
zwar durchsucht, aber noch gefüllt; meine Wäsche und Kleider, mein Degen,
jedoch ohne das Ported'cpe'e, die Stiefeln und was sonst noch zu einem voll
ständigen Anzüge gehört, alles war noch darin. Wir suchten nun die Straße
wiederzufinden und nach langem Herumirren in den Feldern kamen wir end¬
lich nach Breitenfeld, wo wir mit Hilfe eines Boten die Landstraße wieder
erreichten, auf der ich Nachts zwei Uhr in das Hütel de Baviere zurückkam.

Die höfliche Art, mit der man uns behandelt hatte, die Gegenwart von
drei Officieren, die Nutzlosigkeit meiner Sauvegarde, die außerordentliche-
Sorgfalt, mit der man meine Papiere zu entdecken gesucht, die Großmuth,
mit der man mir viele Gegenstände, die sonst in den Augen von Kosaken
Werth genug haben, gelassen hatte, bewiesen mir unzweifelhaft, daß ich auf
Befehl des Fürsten Repnin durchsucht worden sei, der, wie ich später erfuhr,
von meiner Sendung Wind bekommen hatte. Die ganze Art und Weise,
wie man sich in der Folge gegen mich benahm, haben bewiesen, daß meine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/182>, abgerufen am 23.12.2024.