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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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war, daß man sich vor allen Dingen mit dem gefangenen Könige selbst in
Verkehr setzen müsse; Uechtritz solle daher unverzüglich sich nach Berlin auf
den Weg machen um demselben über den Stand der Dinge Bericht zu er¬
statten und seine Einwilligung zu den nach Senfft's Vorschlag zu ergreifenden
Maßregeln zu erreichen. Diese gingen dahin, der König solle zunächst ihn,
den Grafen, mit Vollmacht versehen, um in seinem Namen mit den verbün¬
deten Mächten zu unterhandeln, auch eigenhändige Briefe an die drei Sou¬
veräne richten, um ihn bei denselben zu beglaubigen, ferner sollte er die
Prinzen Friedrich und Clemens mit dem General Watzdorf zum Beweis der
Aufrichtigkeit seines Anschlusses an die Verbündeten in's österreichische Haupt¬
quartier schicken, wo dieselben den Feldzug gegen Frankreich mitmachen sollten,
endlich möge er einen diplomatischen Agenten nach England abfertigen um
dort, was bisher noch nicht hatte geschehen können, den königlichen Titel von
Sachsen anerkennen zu lassen und sich der Intervention des dortigen Hofes
zu Gunsten Sachsens zu versichern. Da also erst die Briefe des Königs
dem Grafen Senfft den Weg bahnen sollten, um sich dem Kaiser Alexander
und dem König von Preußen mit Erfolg vorstellen zu können, "so fanden
es die übrigen Mitwisser dieses Plans nicht nöthig, die Minister der beiden
Herrscher von der beabsichtigten Mission in Kenntniß zu setzen". Dem Herrn
von Uechtritz dagegen stieg doch eine Ahnung davon auf, daß die Sache
wenn sie im geheimen betrieben würde, für seine persönliche Sicherheit von
unangenehmen Folgen werden könne, und obgleich Metternich dringend Ge¬
heimniß empfahl, so bestand er, gerade dadurch auf den Mangel an Ueber¬
einstimmung zwischen Oesterreich und dessen Verbündeten aufmerksam ge¬
worden, umsomehr darauf, daß dem Grafen Nesselrode und dem Staatskanzler
Hardenberg von seiner Reise Nachricht gegeben werde, ließ sich jedoch durch
die Versich?rung des östreichischen Barons Binder, Metternichs Vertrauten,
beruhigen, daß er mit jenen Ministern darüber sprechen werde. Ferner ver¬
schaffte Binder ihm einen Paß des Fürsten Schwarzenberg, der in dem Rayon
der verbündeten Heere respectirt werden würde und den er ja auch noch zu
weiterer Sicherheit in Leipzig von dem Fürsten Repnin visiren lassen könne,
gab ihm auch noch einen Brief an den östreichischen Gesandten in Berlin,
den Grafen Zichy, der alle Schwierigkeiten, die man ihm etwa dort machen
könnte, ebenen würde. Den Morgen vor seiner Abreise besuchte Uechtritz den
General von Langenau; derselbe bezeigte, wie sich denken läßt, den lebhaftesten
Antheil an der von Senfft eingeleiteten Unterhandung und gab ihm einen
östreichischen Gul^en (Botenmeister) als Sauvegarde mit, der, was wegen der
zahlreichen Marodeurs von Wichtigkeit war, russisch verstand.

Ob Binder sein Versprechen wirklich so ganz ehrlich gehalten, dürfte
nach dem, was weiter geschah, wohl zweifelhaft sein; unzweifelhaft ist dagegen,
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war, daß man sich vor allen Dingen mit dem gefangenen Könige selbst in
Verkehr setzen müsse; Uechtritz solle daher unverzüglich sich nach Berlin auf
den Weg machen um demselben über den Stand der Dinge Bericht zu er¬
statten und seine Einwilligung zu den nach Senfft's Vorschlag zu ergreifenden
Maßregeln zu erreichen. Diese gingen dahin, der König solle zunächst ihn,
den Grafen, mit Vollmacht versehen, um in seinem Namen mit den verbün¬
deten Mächten zu unterhandeln, auch eigenhändige Briefe an die drei Sou¬
veräne richten, um ihn bei denselben zu beglaubigen, ferner sollte er die
Prinzen Friedrich und Clemens mit dem General Watzdorf zum Beweis der
Aufrichtigkeit seines Anschlusses an die Verbündeten in's österreichische Haupt¬
quartier schicken, wo dieselben den Feldzug gegen Frankreich mitmachen sollten,
endlich möge er einen diplomatischen Agenten nach England abfertigen um
dort, was bisher noch nicht hatte geschehen können, den königlichen Titel von
Sachsen anerkennen zu lassen und sich der Intervention des dortigen Hofes
zu Gunsten Sachsens zu versichern. Da also erst die Briefe des Königs
dem Grafen Senfft den Weg bahnen sollten, um sich dem Kaiser Alexander
und dem König von Preußen mit Erfolg vorstellen zu können, „so fanden
es die übrigen Mitwisser dieses Plans nicht nöthig, die Minister der beiden
Herrscher von der beabsichtigten Mission in Kenntniß zu setzen". Dem Herrn
von Uechtritz dagegen stieg doch eine Ahnung davon auf, daß die Sache
wenn sie im geheimen betrieben würde, für seine persönliche Sicherheit von
unangenehmen Folgen werden könne, und obgleich Metternich dringend Ge¬
heimniß empfahl, so bestand er, gerade dadurch auf den Mangel an Ueber¬
einstimmung zwischen Oesterreich und dessen Verbündeten aufmerksam ge¬
worden, umsomehr darauf, daß dem Grafen Nesselrode und dem Staatskanzler
Hardenberg von seiner Reise Nachricht gegeben werde, ließ sich jedoch durch
die Versich?rung des östreichischen Barons Binder, Metternichs Vertrauten,
beruhigen, daß er mit jenen Ministern darüber sprechen werde. Ferner ver¬
schaffte Binder ihm einen Paß des Fürsten Schwarzenberg, der in dem Rayon
der verbündeten Heere respectirt werden würde und den er ja auch noch zu
weiterer Sicherheit in Leipzig von dem Fürsten Repnin visiren lassen könne,
gab ihm auch noch einen Brief an den östreichischen Gesandten in Berlin,
den Grafen Zichy, der alle Schwierigkeiten, die man ihm etwa dort machen
könnte, ebenen würde. Den Morgen vor seiner Abreise besuchte Uechtritz den
General von Langenau; derselbe bezeigte, wie sich denken läßt, den lebhaftesten
Antheil an der von Senfft eingeleiteten Unterhandung und gab ihm einen
östreichischen Gul^en (Botenmeister) als Sauvegarde mit, der, was wegen der
zahlreichen Marodeurs von Wichtigkeit war, russisch verstand.

Ob Binder sein Versprechen wirklich so ganz ehrlich gehalten, dürfte
nach dem, was weiter geschah, wohl zweifelhaft sein; unzweifelhaft ist dagegen,
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[0179] war, daß man sich vor allen Dingen mit dem gefangenen Könige selbst in Verkehr setzen müsse; Uechtritz solle daher unverzüglich sich nach Berlin auf den Weg machen um demselben über den Stand der Dinge Bericht zu er¬ statten und seine Einwilligung zu den nach Senfft's Vorschlag zu ergreifenden Maßregeln zu erreichen. Diese gingen dahin, der König solle zunächst ihn, den Grafen, mit Vollmacht versehen, um in seinem Namen mit den verbün¬ deten Mächten zu unterhandeln, auch eigenhändige Briefe an die drei Sou¬ veräne richten, um ihn bei denselben zu beglaubigen, ferner sollte er die Prinzen Friedrich und Clemens mit dem General Watzdorf zum Beweis der Aufrichtigkeit seines Anschlusses an die Verbündeten in's österreichische Haupt¬ quartier schicken, wo dieselben den Feldzug gegen Frankreich mitmachen sollten, endlich möge er einen diplomatischen Agenten nach England abfertigen um dort, was bisher noch nicht hatte geschehen können, den königlichen Titel von Sachsen anerkennen zu lassen und sich der Intervention des dortigen Hofes zu Gunsten Sachsens zu versichern. Da also erst die Briefe des Königs dem Grafen Senfft den Weg bahnen sollten, um sich dem Kaiser Alexander und dem König von Preußen mit Erfolg vorstellen zu können, „so fanden es die übrigen Mitwisser dieses Plans nicht nöthig, die Minister der beiden Herrscher von der beabsichtigten Mission in Kenntniß zu setzen". Dem Herrn von Uechtritz dagegen stieg doch eine Ahnung davon auf, daß die Sache wenn sie im geheimen betrieben würde, für seine persönliche Sicherheit von unangenehmen Folgen werden könne, und obgleich Metternich dringend Ge¬ heimniß empfahl, so bestand er, gerade dadurch auf den Mangel an Ueber¬ einstimmung zwischen Oesterreich und dessen Verbündeten aufmerksam ge¬ worden, umsomehr darauf, daß dem Grafen Nesselrode und dem Staatskanzler Hardenberg von seiner Reise Nachricht gegeben werde, ließ sich jedoch durch die Versich?rung des östreichischen Barons Binder, Metternichs Vertrauten, beruhigen, daß er mit jenen Ministern darüber sprechen werde. Ferner ver¬ schaffte Binder ihm einen Paß des Fürsten Schwarzenberg, der in dem Rayon der verbündeten Heere respectirt werden würde und den er ja auch noch zu weiterer Sicherheit in Leipzig von dem Fürsten Repnin visiren lassen könne, gab ihm auch noch einen Brief an den östreichischen Gesandten in Berlin, den Grafen Zichy, der alle Schwierigkeiten, die man ihm etwa dort machen könnte, ebenen würde. Den Morgen vor seiner Abreise besuchte Uechtritz den General von Langenau; derselbe bezeigte, wie sich denken läßt, den lebhaftesten Antheil an der von Senfft eingeleiteten Unterhandung und gab ihm einen östreichischen Gul^en (Botenmeister) als Sauvegarde mit, der, was wegen der zahlreichen Marodeurs von Wichtigkeit war, russisch verstand. Ob Binder sein Versprechen wirklich so ganz ehrlich gehalten, dürfte nach dem, was weiter geschah, wohl zweifelhaft sein; unzweifelhaft ist dagegen, ' 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/179>, abgerufen am 22.12.2024.