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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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in dem Handelsministerium bekleidet -- bekanntlich resortiren in Rom, was be¬
zeichnend ist, die schönen Künste unter dem Handelsministerium. Ein Priester,
ein Avvocato, ein Mercante ti campagna, von drei in Rom besonders be¬
deutsamen Gesellschaftsclassen je ein Repräsentant zu einer Ausgrabung ver¬
einigt, jeder außerdem ein charakterischer Typus seiner Klasse --- dies könnte
allerdings zu pikanten culturhistorischen Excursen Anlaß geben. Da ich jedoch
nicht Sittenbilder aus dem modernen Rom geben will, so unterdrücke ich sie
und wende mich sofort zur Sache.

Nachdem die den Felsengrund bedeckende Erdschicht weggeräumt worden
war, stieß man auf einen viereckigen Raum, welcher in senkrechter Rich¬
tung in den lebendigen Tuff eingehauen ist. Jede Seite des Quadrats ist
etwa 13 Schritt lang. Die Tiefe des Raumes beträgt ungefähr 70 Palm
-- 17V->o Meter. Der große Raum war mit Terracottenstücken der verschie¬
densten Art angefüllt, die, bunt durcheinander, zum größten Theil zerbrochen,
hineingeworfen waren -- eine Erscheinung, bei der man unwillkürlich an den
römischen Monte Testaccio denkt, jenen merkwürdigen, aus Scherben von
thönernen Amphoren und Dolia aufgethürmten Hügel. Ehe ich zu der Be¬
schreibung der einzelnen Terracotten übergehe, sei es mir verstattet, noch
einige Bemerkungen über das Local beizufügen, aus dem die Stücke zu Tage
kamen. Nach der Aussage glaubwürdiger Personen, welche den Ausgrabungen
beiwohnten, reichte aus dem viereckigen Raume, in dem sich die Terracotten
fanden, ein Gang, etwas niedriger als Mannshöhe, in den Felsen hinein, der
leider baldigst wieder verschüttet wurde und somit von mir nicht untersucht
werden konnte. Derartige in den Felsen hineingearbeitete Gelasse, die sich,
mannigfach gestaltet, auf dem Boden altitalischer Städte finden, gehören zu
den schwierigsten Problemen der Archäologie und sind in verschiedenster Weise
erklärt worden. Eines steht in unserem Falle fest: jener aus dem Felsen
herausgearbeitete Raum ist nicht von Haus lediglich zu dem Zwecke herge¬
stellt worden, um die Terracottenstücke auszunehmen. Es wäre eine allzu
mühsame und kostspielige Vorrichtung gewesen, die dem praktischen Sinne
der Alten entschieden widerspricht. Wenn es sich, worüber kein Zweifel ob¬
walten kann, darum handelte, überflüssige Terracotten aus dem Wege zu
schaffen, so genügte eine in die vegetale Erde gegrabene Grube. Offenbar
war also jener Raum ursprünglich für andere Zwecke hergerichtet und wurde
erst später zur Aufnahme der Trümmer verwendet. Eine ganz entsprechende
Vorrichtung, einen einfachen in den Felsen gearbeiteten Raum, der mit einem
schachtartigen Gange in Verbindung steht, weiß ich in keiner der mir bekannten
italischen Städte zu nennen. Dagegen finden sich Gänge, die tunnelartig
den Felsen durchbohren, häufig in etruskischen Städten. Sie setzen innerhalb
des Mauerrings in den Felsen ein und führen, mit größerer oder geringerer


in dem Handelsministerium bekleidet — bekanntlich resortiren in Rom, was be¬
zeichnend ist, die schönen Künste unter dem Handelsministerium. Ein Priester,
ein Avvocato, ein Mercante ti campagna, von drei in Rom besonders be¬
deutsamen Gesellschaftsclassen je ein Repräsentant zu einer Ausgrabung ver¬
einigt, jeder außerdem ein charakterischer Typus seiner Klasse —- dies könnte
allerdings zu pikanten culturhistorischen Excursen Anlaß geben. Da ich jedoch
nicht Sittenbilder aus dem modernen Rom geben will, so unterdrücke ich sie
und wende mich sofort zur Sache.

Nachdem die den Felsengrund bedeckende Erdschicht weggeräumt worden
war, stieß man auf einen viereckigen Raum, welcher in senkrechter Rich¬
tung in den lebendigen Tuff eingehauen ist. Jede Seite des Quadrats ist
etwa 13 Schritt lang. Die Tiefe des Raumes beträgt ungefähr 70 Palm
— 17V->o Meter. Der große Raum war mit Terracottenstücken der verschie¬
densten Art angefüllt, die, bunt durcheinander, zum größten Theil zerbrochen,
hineingeworfen waren — eine Erscheinung, bei der man unwillkürlich an den
römischen Monte Testaccio denkt, jenen merkwürdigen, aus Scherben von
thönernen Amphoren und Dolia aufgethürmten Hügel. Ehe ich zu der Be¬
schreibung der einzelnen Terracotten übergehe, sei es mir verstattet, noch
einige Bemerkungen über das Local beizufügen, aus dem die Stücke zu Tage
kamen. Nach der Aussage glaubwürdiger Personen, welche den Ausgrabungen
beiwohnten, reichte aus dem viereckigen Raume, in dem sich die Terracotten
fanden, ein Gang, etwas niedriger als Mannshöhe, in den Felsen hinein, der
leider baldigst wieder verschüttet wurde und somit von mir nicht untersucht
werden konnte. Derartige in den Felsen hineingearbeitete Gelasse, die sich,
mannigfach gestaltet, auf dem Boden altitalischer Städte finden, gehören zu
den schwierigsten Problemen der Archäologie und sind in verschiedenster Weise
erklärt worden. Eines steht in unserem Falle fest: jener aus dem Felsen
herausgearbeitete Raum ist nicht von Haus lediglich zu dem Zwecke herge¬
stellt worden, um die Terracottenstücke auszunehmen. Es wäre eine allzu
mühsame und kostspielige Vorrichtung gewesen, die dem praktischen Sinne
der Alten entschieden widerspricht. Wenn es sich, worüber kein Zweifel ob¬
walten kann, darum handelte, überflüssige Terracotten aus dem Wege zu
schaffen, so genügte eine in die vegetale Erde gegrabene Grube. Offenbar
war also jener Raum ursprünglich für andere Zwecke hergerichtet und wurde
erst später zur Aufnahme der Trümmer verwendet. Eine ganz entsprechende
Vorrichtung, einen einfachen in den Felsen gearbeiteten Raum, der mit einem
schachtartigen Gange in Verbindung steht, weiß ich in keiner der mir bekannten
italischen Städte zu nennen. Dagegen finden sich Gänge, die tunnelartig
den Felsen durchbohren, häufig in etruskischen Städten. Sie setzen innerhalb
des Mauerrings in den Felsen ein und führen, mit größerer oder geringerer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/160>, abgerufen am 23.12.2024.