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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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auch der "Constitutionel" und die France, Blätter, die von den gebildeten
Klassen gehalten werden, die Köpfe ihrer Soldaten erhitzten; wir kennen die
Rathschläge, die sie ihnen gaben: "verschont auch die Frauen nicht!" "gießt
in den Kellern Wasser aus, um die Versteckplätze der vergrabenen Schätze zu
entdecken!" "hebt die Verwundeten nicht auf, sondern werft sie höchstens an
den Rand der Wege!" -- wir kennen den scheußlichen, jede Scham verleug¬
nenden Aufruf des "Figaro" an die Mädchen der Boulevards, "zu den
Preußen zu gehen und sie anzustecken, um sich so auch um das Bater¬
land verdient zu machen". Aber was uns noch viel deutlicher zeigte,
was wir im Fall Ihres Eindringens zu erwarten hatten, das war, daß an
der Spitze Ihres Heeres nicht nur die wilden zügellosen Zuaven vorschritten,
sondern allen voran die greulichen Turcos. Ja das ist eine ewige Schande
für Frankreich, das einen Krieg im Namen der Civilisation ankündigte, daß
Sie solchen Auswurf in die ersten Reihen stellen, um bestialische Grausam¬
keiten in unserm unglücklichen Lande zu verüben. -- Wäre es denn nun zu
Wundern, wenn unsre Truppen Vergeltung geübt hätten für solche Schänd¬
lichkeiten; wenn sie die Ihren Truppen gegebenen Rathschläge befolgt und
Dörfer geplündert und angesteckt hätten, solche wenigstens, in denen unsre
mit gleisnerischer Freundlichkeit aufgenommenen Soldaten verrätherisch über¬
fallen wurden, deren Bewohner selbst aus ihren Häusern mit auf sie schössen,
eine That, wie sie keine feindliche Armee dulden kann und wie sie Ihre
Truppen so oft in allen Ländern der Erde unerbittlich gerächt haben? --

Aber alle die Greuel, deren Sie die deutschen Truppen beschuldigen,
sind nichts als Lügen, wie sie Ihre Journale und Behörden Ihnen aufge¬
tischt haben und wie sie die provisorische Negierung noch heute in wo mög¬
lich höherem Style fortsetzt. Unser König selbst hat ein Gebet für die Dauer
des Krieges angeordnet, in welchem die schönen Worte vorkommen: "lehre
uns auch gegen unsre Feinde als Christen handeln!" und seine Soldaten
haben diesen Worten, die alle Sonntage in unsern Kirchen erschallen, treulich
entsprochen. Schon die Zusammensetzung unsrer Armee verbürgt ihre ehren¬
hafte und menschliche Aufführung. Unsre Offiziere, die alle schon durch ihre
Erziehung gegen die Rohheit alter im Kriege aufgewachsener Landsknechte
geschützt sind, welche ihre Epauletten durch lange Kriegsdienste in aller Herren
Ländern erworben haben, würden nie die Ausschweifungen einer zügellosen
Soldateska dulden. Aber auch unter unsern gemeinen Soldaten gibt es in
jedem Regimente soviele guterzogene junge Leute, die vom Gefühle der Ehre
durchdrungen sind, daß sie nie gegen friedliche und schuldlose Bauern und
Bürger Frevel verüben werden. Und das beweisen auch nicht nur die Be¬
richte der zuverlässigsten Correspondenten aller unsrer geachtetsten Zeitungen,
welche das Erstaunen schildern, mit dem Ihre so lügenhaft in Furcht gejagte


auch der „Constitutionel" und die France, Blätter, die von den gebildeten
Klassen gehalten werden, die Köpfe ihrer Soldaten erhitzten; wir kennen die
Rathschläge, die sie ihnen gaben: „verschont auch die Frauen nicht!" „gießt
in den Kellern Wasser aus, um die Versteckplätze der vergrabenen Schätze zu
entdecken!" „hebt die Verwundeten nicht auf, sondern werft sie höchstens an
den Rand der Wege!" — wir kennen den scheußlichen, jede Scham verleug¬
nenden Aufruf des „Figaro" an die Mädchen der Boulevards, „zu den
Preußen zu gehen und sie anzustecken, um sich so auch um das Bater¬
land verdient zu machen". Aber was uns noch viel deutlicher zeigte,
was wir im Fall Ihres Eindringens zu erwarten hatten, das war, daß an
der Spitze Ihres Heeres nicht nur die wilden zügellosen Zuaven vorschritten,
sondern allen voran die greulichen Turcos. Ja das ist eine ewige Schande
für Frankreich, das einen Krieg im Namen der Civilisation ankündigte, daß
Sie solchen Auswurf in die ersten Reihen stellen, um bestialische Grausam¬
keiten in unserm unglücklichen Lande zu verüben. — Wäre es denn nun zu
Wundern, wenn unsre Truppen Vergeltung geübt hätten für solche Schänd¬
lichkeiten; wenn sie die Ihren Truppen gegebenen Rathschläge befolgt und
Dörfer geplündert und angesteckt hätten, solche wenigstens, in denen unsre
mit gleisnerischer Freundlichkeit aufgenommenen Soldaten verrätherisch über¬
fallen wurden, deren Bewohner selbst aus ihren Häusern mit auf sie schössen,
eine That, wie sie keine feindliche Armee dulden kann und wie sie Ihre
Truppen so oft in allen Ländern der Erde unerbittlich gerächt haben? —

Aber alle die Greuel, deren Sie die deutschen Truppen beschuldigen,
sind nichts als Lügen, wie sie Ihre Journale und Behörden Ihnen aufge¬
tischt haben und wie sie die provisorische Negierung noch heute in wo mög¬
lich höherem Style fortsetzt. Unser König selbst hat ein Gebet für die Dauer
des Krieges angeordnet, in welchem die schönen Worte vorkommen: „lehre
uns auch gegen unsre Feinde als Christen handeln!" und seine Soldaten
haben diesen Worten, die alle Sonntage in unsern Kirchen erschallen, treulich
entsprochen. Schon die Zusammensetzung unsrer Armee verbürgt ihre ehren¬
hafte und menschliche Aufführung. Unsre Offiziere, die alle schon durch ihre
Erziehung gegen die Rohheit alter im Kriege aufgewachsener Landsknechte
geschützt sind, welche ihre Epauletten durch lange Kriegsdienste in aller Herren
Ländern erworben haben, würden nie die Ausschweifungen einer zügellosen
Soldateska dulden. Aber auch unter unsern gemeinen Soldaten gibt es in
jedem Regimente soviele guterzogene junge Leute, die vom Gefühle der Ehre
durchdrungen sind, daß sie nie gegen friedliche und schuldlose Bauern und
Bürger Frevel verüben werden. Und das beweisen auch nicht nur die Be¬
richte der zuverlässigsten Correspondenten aller unsrer geachtetsten Zeitungen,
welche das Erstaunen schildern, mit dem Ihre so lügenhaft in Furcht gejagte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/143>, abgerufen am 23.12.2024.