Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

warten, nein es bleibt ihr nichts Anderes übrig, als zu den Waffen zu grei¬
fen und sich so kräftig als möglich zu vertheidigen. Und das haben die
Deutschen gethan. -- Unser König, der schon vermöge seines Alters von
jedem kriegerischen Ehrgeize entfernt ist, hatte seit langer Zeit und bis zum
letzten Augenblicke sein Möglichstes gethan, um seinem Volke einen Krieg
zu ersparen, dessen Gefahren und Opfer er nur zu gut voraussah. Aber als
demungeachtet Ihr Benedetti, dem ausdrücklichen Befehle gemäß, "den König
auf barsche Weise zu drängen", den greisen Monarchen öffentlich beleidigt
hatte und nun Ihr heuchlerischer Kaiser die wohlverdiente Zurechtweisung
seines Gesandten als Vorwand zur Kriegserklärung ergriff, da konnte der
König doch wahrlich nichts anderes thun, als den Krieg annehmen; jeder
französische Herrscher hätte dasselbe gethan und thun müssen, hätte er nicht
von seinem Volke verjagt sein wollen. Also nicht Deutschland, nicht Preu¬
ßens König, nicht sein Diplomat Bismarck haben die Stunde erspäht und
erlauscht, "wo sie Frankreich wehrlos überfallen konnten", nein, das wohl¬
gerüstete Frankreich hat einen nichtigen Vorwand ergriffen, um den lange
gewollten Krieg zu erklären.

Und nun wie sollte dieser unvermeidlich gewordene Krieg begonnen wer¬
den? Wir konnten nichts anderes erwarten, als daß unmittelbar nach der
Erklärung desselben unsere Rheinprovinzen von Ihren Armeen überzogen
werden würden. Das konnte ja Niemand denken, daß Ihre gerühmte Armee
noch so wenig bereit wäre, daß Ihr Kriegsminister seinen Herrn und seine
College" so schmählich belogen hätte. Wir waren darauf gefaßt, das linke
Rheinufer wenigstens für einen Augenblick zu verlieren. Aber als unsere
Armee, die allerdings Dank unserer vortrefflichen Wehrversassung, in vierzehn
Tagen aus tiefstem Frieden.auf den Kriegsfuß gebracht war, die bedrohte Grenze
erreicht hatte, sollten wir da etwa noch länger warten und Ihre Truppen doch
in unser Land einbrechen lassen, wenn es Ihrem Führer beliebte? Ein Ge¬
biet mußte der Schauplatz des Krieges werden; wir konnten ihn jetzt in Ihr
Land tragen; es nicht zu thun, wäre lächerlich gewesen. --

Aber die Art, wie die Deutschen den Krieg führen, verurtheilt sie --
sagen Sie, indem Sie unsre Soldaten anklagen, sie zündeten Ihre Dörfer
an, sie plünderten Ihre Provinzen, sie tödteten unbewaffnete Bewohner. Nun
wenn diese Anklagen wirklich gegründet wären, könnten Sie sich darüber
so sehr wundern? Wissen Sie, was unserem Lande für den Fall angedroht
war, daß Ihre Armeen siegreich in dasselbe eindrangen? Ich lege keinen zu
hohen Werth auf die Prahlereien und thörichten Prophezeiungen, von denen
Ihre Journale erfüllt waren, obleich ihre Stimme doch unzweifelhaft der
Stimmung der Mehrzahl Ihrer Nation entsprach. Wir kennen die fanatischen
Aussetzungen, mit denen nicht nur der "Gaulois" und die "Liberte", sondern


warten, nein es bleibt ihr nichts Anderes übrig, als zu den Waffen zu grei¬
fen und sich so kräftig als möglich zu vertheidigen. Und das haben die
Deutschen gethan. — Unser König, der schon vermöge seines Alters von
jedem kriegerischen Ehrgeize entfernt ist, hatte seit langer Zeit und bis zum
letzten Augenblicke sein Möglichstes gethan, um seinem Volke einen Krieg
zu ersparen, dessen Gefahren und Opfer er nur zu gut voraussah. Aber als
demungeachtet Ihr Benedetti, dem ausdrücklichen Befehle gemäß, „den König
auf barsche Weise zu drängen", den greisen Monarchen öffentlich beleidigt
hatte und nun Ihr heuchlerischer Kaiser die wohlverdiente Zurechtweisung
seines Gesandten als Vorwand zur Kriegserklärung ergriff, da konnte der
König doch wahrlich nichts anderes thun, als den Krieg annehmen; jeder
französische Herrscher hätte dasselbe gethan und thun müssen, hätte er nicht
von seinem Volke verjagt sein wollen. Also nicht Deutschland, nicht Preu¬
ßens König, nicht sein Diplomat Bismarck haben die Stunde erspäht und
erlauscht, „wo sie Frankreich wehrlos überfallen konnten", nein, das wohl¬
gerüstete Frankreich hat einen nichtigen Vorwand ergriffen, um den lange
gewollten Krieg zu erklären.

Und nun wie sollte dieser unvermeidlich gewordene Krieg begonnen wer¬
den? Wir konnten nichts anderes erwarten, als daß unmittelbar nach der
Erklärung desselben unsere Rheinprovinzen von Ihren Armeen überzogen
werden würden. Das konnte ja Niemand denken, daß Ihre gerühmte Armee
noch so wenig bereit wäre, daß Ihr Kriegsminister seinen Herrn und seine
College» so schmählich belogen hätte. Wir waren darauf gefaßt, das linke
Rheinufer wenigstens für einen Augenblick zu verlieren. Aber als unsere
Armee, die allerdings Dank unserer vortrefflichen Wehrversassung, in vierzehn
Tagen aus tiefstem Frieden.auf den Kriegsfuß gebracht war, die bedrohte Grenze
erreicht hatte, sollten wir da etwa noch länger warten und Ihre Truppen doch
in unser Land einbrechen lassen, wenn es Ihrem Führer beliebte? Ein Ge¬
biet mußte der Schauplatz des Krieges werden; wir konnten ihn jetzt in Ihr
Land tragen; es nicht zu thun, wäre lächerlich gewesen. —

Aber die Art, wie die Deutschen den Krieg führen, verurtheilt sie —
sagen Sie, indem Sie unsre Soldaten anklagen, sie zündeten Ihre Dörfer
an, sie plünderten Ihre Provinzen, sie tödteten unbewaffnete Bewohner. Nun
wenn diese Anklagen wirklich gegründet wären, könnten Sie sich darüber
so sehr wundern? Wissen Sie, was unserem Lande für den Fall angedroht
war, daß Ihre Armeen siegreich in dasselbe eindrangen? Ich lege keinen zu
hohen Werth auf die Prahlereien und thörichten Prophezeiungen, von denen
Ihre Journale erfüllt waren, obleich ihre Stimme doch unzweifelhaft der
Stimmung der Mehrzahl Ihrer Nation entsprach. Wir kennen die fanatischen
Aussetzungen, mit denen nicht nur der „Gaulois" und die „Liberte", sondern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124848"/>
          <p xml:id="ID_442" prev="#ID_441"> warten, nein es bleibt ihr nichts Anderes übrig, als zu den Waffen zu grei¬<lb/>
fen und sich so kräftig als möglich zu vertheidigen. Und das haben die<lb/>
Deutschen gethan. &#x2014; Unser König, der schon vermöge seines Alters von<lb/>
jedem kriegerischen Ehrgeize entfernt ist, hatte seit langer Zeit und bis zum<lb/>
letzten Augenblicke sein Möglichstes gethan, um seinem Volke einen Krieg<lb/>
zu ersparen, dessen Gefahren und Opfer er nur zu gut voraussah. Aber als<lb/>
demungeachtet Ihr Benedetti, dem ausdrücklichen Befehle gemäß, &#x201E;den König<lb/>
auf barsche Weise zu drängen", den greisen Monarchen öffentlich beleidigt<lb/>
hatte und nun Ihr heuchlerischer Kaiser die wohlverdiente Zurechtweisung<lb/>
seines Gesandten als Vorwand zur Kriegserklärung ergriff, da konnte der<lb/>
König doch wahrlich nichts anderes thun, als den Krieg annehmen; jeder<lb/>
französische Herrscher hätte dasselbe gethan und thun müssen, hätte er nicht<lb/>
von seinem Volke verjagt sein wollen. Also nicht Deutschland, nicht Preu¬<lb/>
ßens König, nicht sein Diplomat Bismarck haben die Stunde erspäht und<lb/>
erlauscht, &#x201E;wo sie Frankreich wehrlos überfallen konnten", nein, das wohl¬<lb/>
gerüstete Frankreich hat einen nichtigen Vorwand ergriffen, um den lange<lb/>
gewollten Krieg zu erklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_443"> Und nun wie sollte dieser unvermeidlich gewordene Krieg begonnen wer¬<lb/>
den? Wir konnten nichts anderes erwarten, als daß unmittelbar nach der<lb/>
Erklärung desselben unsere Rheinprovinzen von Ihren Armeen überzogen<lb/>
werden würden. Das konnte ja Niemand denken, daß Ihre gerühmte Armee<lb/>
noch so wenig bereit wäre, daß Ihr Kriegsminister seinen Herrn und seine<lb/>
College» so schmählich belogen hätte. Wir waren darauf gefaßt, das linke<lb/>
Rheinufer wenigstens für einen Augenblick zu verlieren. Aber als unsere<lb/>
Armee, die allerdings Dank unserer vortrefflichen Wehrversassung, in vierzehn<lb/>
Tagen aus tiefstem Frieden.auf den Kriegsfuß gebracht war, die bedrohte Grenze<lb/>
erreicht hatte, sollten wir da etwa noch länger warten und Ihre Truppen doch<lb/>
in unser Land einbrechen lassen, wenn es Ihrem Führer beliebte? Ein Ge¬<lb/>
biet mußte der Schauplatz des Krieges werden; wir konnten ihn jetzt in Ihr<lb/>
Land tragen; es nicht zu thun, wäre lächerlich gewesen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_444" next="#ID_445"> Aber die Art, wie die Deutschen den Krieg führen, verurtheilt sie &#x2014;<lb/>
sagen Sie, indem Sie unsre Soldaten anklagen, sie zündeten Ihre Dörfer<lb/>
an, sie plünderten Ihre Provinzen, sie tödteten unbewaffnete Bewohner. Nun<lb/>
wenn diese Anklagen wirklich gegründet wären, könnten Sie sich darüber<lb/>
so sehr wundern? Wissen Sie, was unserem Lande für den Fall angedroht<lb/>
war, daß Ihre Armeen siegreich in dasselbe eindrangen? Ich lege keinen zu<lb/>
hohen Werth auf die Prahlereien und thörichten Prophezeiungen, von denen<lb/>
Ihre Journale erfüllt waren, obleich ihre Stimme doch unzweifelhaft der<lb/>
Stimmung der Mehrzahl Ihrer Nation entsprach. Wir kennen die fanatischen<lb/>
Aussetzungen, mit denen nicht nur der &#x201E;Gaulois" und die &#x201E;Liberte", sondern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0142] warten, nein es bleibt ihr nichts Anderes übrig, als zu den Waffen zu grei¬ fen und sich so kräftig als möglich zu vertheidigen. Und das haben die Deutschen gethan. — Unser König, der schon vermöge seines Alters von jedem kriegerischen Ehrgeize entfernt ist, hatte seit langer Zeit und bis zum letzten Augenblicke sein Möglichstes gethan, um seinem Volke einen Krieg zu ersparen, dessen Gefahren und Opfer er nur zu gut voraussah. Aber als demungeachtet Ihr Benedetti, dem ausdrücklichen Befehle gemäß, „den König auf barsche Weise zu drängen", den greisen Monarchen öffentlich beleidigt hatte und nun Ihr heuchlerischer Kaiser die wohlverdiente Zurechtweisung seines Gesandten als Vorwand zur Kriegserklärung ergriff, da konnte der König doch wahrlich nichts anderes thun, als den Krieg annehmen; jeder französische Herrscher hätte dasselbe gethan und thun müssen, hätte er nicht von seinem Volke verjagt sein wollen. Also nicht Deutschland, nicht Preu¬ ßens König, nicht sein Diplomat Bismarck haben die Stunde erspäht und erlauscht, „wo sie Frankreich wehrlos überfallen konnten", nein, das wohl¬ gerüstete Frankreich hat einen nichtigen Vorwand ergriffen, um den lange gewollten Krieg zu erklären. Und nun wie sollte dieser unvermeidlich gewordene Krieg begonnen wer¬ den? Wir konnten nichts anderes erwarten, als daß unmittelbar nach der Erklärung desselben unsere Rheinprovinzen von Ihren Armeen überzogen werden würden. Das konnte ja Niemand denken, daß Ihre gerühmte Armee noch so wenig bereit wäre, daß Ihr Kriegsminister seinen Herrn und seine College» so schmählich belogen hätte. Wir waren darauf gefaßt, das linke Rheinufer wenigstens für einen Augenblick zu verlieren. Aber als unsere Armee, die allerdings Dank unserer vortrefflichen Wehrversassung, in vierzehn Tagen aus tiefstem Frieden.auf den Kriegsfuß gebracht war, die bedrohte Grenze erreicht hatte, sollten wir da etwa noch länger warten und Ihre Truppen doch in unser Land einbrechen lassen, wenn es Ihrem Führer beliebte? Ein Ge¬ biet mußte der Schauplatz des Krieges werden; wir konnten ihn jetzt in Ihr Land tragen; es nicht zu thun, wäre lächerlich gewesen. — Aber die Art, wie die Deutschen den Krieg führen, verurtheilt sie — sagen Sie, indem Sie unsre Soldaten anklagen, sie zündeten Ihre Dörfer an, sie plünderten Ihre Provinzen, sie tödteten unbewaffnete Bewohner. Nun wenn diese Anklagen wirklich gegründet wären, könnten Sie sich darüber so sehr wundern? Wissen Sie, was unserem Lande für den Fall angedroht war, daß Ihre Armeen siegreich in dasselbe eindrangen? Ich lege keinen zu hohen Werth auf die Prahlereien und thörichten Prophezeiungen, von denen Ihre Journale erfüllt waren, obleich ihre Stimme doch unzweifelhaft der Stimmung der Mehrzahl Ihrer Nation entsprach. Wir kennen die fanatischen Aussetzungen, mit denen nicht nur der „Gaulois" und die „Liberte", sondern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/142
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/142>, abgerufen am 23.12.2024.