Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.ungenügender Ladung, ja zur Vorsorge ganz leer mitgeschleppt, von Quartier Unsere Armee aber war nur der dritte Theil des deutschen Heeres in Aber auch diese ungefähren Angaben geben noch keine Vorstellung von ungenügender Ladung, ja zur Vorsorge ganz leer mitgeschleppt, von Quartier Unsere Armee aber war nur der dritte Theil des deutschen Heeres in Aber auch diese ungefähren Angaben geben noch keine Vorstellung von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124831"/> <p xml:id="ID_392" prev="#ID_391"> ungenügender Ladung, ja zur Vorsorge ganz leer mitgeschleppt, von Quartier<lb/> zu Quartier, die Pferde abgetrieben, die Fuhrleute unsicher und böswillig.<lb/> So geschieht es, daß der Train des Heeres schon nach den ersten Märschen<lb/> in Feindesland, ganz abgesehen von den Proviantcolonnen, unablässig an¬<lb/> schwillt, und kein Zürnen des Oberbefehls, kein Wettern der Cvlonnenpolizei<lb/> vermag diesem Uebelstand zu steuern. Wenn auch hier und da ein unnützer Wagen<lb/> in den Graben geworfen wird, — nie ohne Stockung und Verzögerung in den<lb/> meilenlangen Zügen — im Ganzen ist die Feldgensdarmerie, welcher hier die<lb/> Sorge für den gemeinen Nutzen des Heeres obliegt, machtlos gegenüber dem<lb/> Interesse der einzelnen Theile sichs bequem zu machen. In der Regel ist dem<lb/> Fortkommen der Colonnen noch vortheilhafter, unnütze Wagen zu dulden,<lb/> als sie durch ein stauen der ganzen Bewegung zu entfernen. Und es wird<lb/> keine übertriebene Annahme sein, wenn man rechnet, daß die dritte Armee<lb/> schon, bei Nancy statt 5—600 Geräthen auf das Armeecorps, mehr als die<lb/> doppelte Anzahl zählte, also bei einer Stärke von 5^2 Preußischen Armee¬<lb/> corps etwa 6—7000 Wagen mit mehr als der doppelten Anzahl Pferden und<lb/> einem nicht zum Heere gehörigen Troß von mehreren Tausend Menschen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_393"> Unsere Armee aber war nur der dritte Theil des deutschen Heeres in<lb/> Frankreich. Der Wagentrain des ganzen Heeres würde nach gleichem Ver¬<lb/> hältniß bei einer Zahl von 20.000 Geschirren, wenn man auf den bespannten<lb/> Wagen in der Colonne durchschnittlich einen Raum von nur 12 Schritten<lb/> rechnet, in einfacher Reihe eine Colonne von 24 Meilen Länge bilden, oder<lb/> sechs Straßen auf je 4 Meilen Länge bedecken. Dabei sind selbstverständlich<lb/> die sämmtlichen Geschützcolonnen, deren Fahrzeuge durchschnittlich 20 Schritt<lb/> Colonnenlänge beanspruchen, nicht eingerechnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_394"> Aber auch diese ungefähren Angaben geben noch keine Vorstellung von<lb/> dem Train unseres Heeres bei dem Vormarsch in Frankreich. Nur ein klei¬<lb/> ner Theil der Lebensbedürfnisse des Heeres wurde durch Requisitionen, welche<lb/> die Truppen selbst vornahmen, gedeckt. Der bei weitem größte Theil des<lb/> Proviants, die ganze Munitions- und Ausrüstungsergänzung mußte dem<lb/> Heere nachgeschafft werden, entweder aus der Heimath durch Lieferanten be¬<lb/> sorgt, oder im occupirten Feindesland durch die Jntendanturbeamten aufge¬<lb/> sammelt. Je weiter das Heer also im Lande vorrückte, desto länger wurde<lb/> auch der Marsch der nachrückenden Colonnen und desto zahlreicher mußten<lb/> in demselben Verhältniß die Verpflegungscolonnen werden. Angenommen<lb/> nämlich, eine Proviantcolonne aus der Heimath sei angewiesen, ihr Ar¬<lb/> meecorps auf drei Tage zu verpflegen, so werden, wenn das Armeecorps<lb/> neun Tagesmärsche in Feindesland vorgerückt ist, wenigstens drei solcher Co¬<lb/> lonnen für dasselbe Armeecorps auf dem Marsche sein müssen, und je weiter<lb/> das Corps vorrückt, um so mehr.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
ungenügender Ladung, ja zur Vorsorge ganz leer mitgeschleppt, von Quartier
zu Quartier, die Pferde abgetrieben, die Fuhrleute unsicher und böswillig.
So geschieht es, daß der Train des Heeres schon nach den ersten Märschen
in Feindesland, ganz abgesehen von den Proviantcolonnen, unablässig an¬
schwillt, und kein Zürnen des Oberbefehls, kein Wettern der Cvlonnenpolizei
vermag diesem Uebelstand zu steuern. Wenn auch hier und da ein unnützer Wagen
in den Graben geworfen wird, — nie ohne Stockung und Verzögerung in den
meilenlangen Zügen — im Ganzen ist die Feldgensdarmerie, welcher hier die
Sorge für den gemeinen Nutzen des Heeres obliegt, machtlos gegenüber dem
Interesse der einzelnen Theile sichs bequem zu machen. In der Regel ist dem
Fortkommen der Colonnen noch vortheilhafter, unnütze Wagen zu dulden,
als sie durch ein stauen der ganzen Bewegung zu entfernen. Und es wird
keine übertriebene Annahme sein, wenn man rechnet, daß die dritte Armee
schon, bei Nancy statt 5—600 Geräthen auf das Armeecorps, mehr als die
doppelte Anzahl zählte, also bei einer Stärke von 5^2 Preußischen Armee¬
corps etwa 6—7000 Wagen mit mehr als der doppelten Anzahl Pferden und
einem nicht zum Heere gehörigen Troß von mehreren Tausend Menschen. —
Unsere Armee aber war nur der dritte Theil des deutschen Heeres in
Frankreich. Der Wagentrain des ganzen Heeres würde nach gleichem Ver¬
hältniß bei einer Zahl von 20.000 Geschirren, wenn man auf den bespannten
Wagen in der Colonne durchschnittlich einen Raum von nur 12 Schritten
rechnet, in einfacher Reihe eine Colonne von 24 Meilen Länge bilden, oder
sechs Straßen auf je 4 Meilen Länge bedecken. Dabei sind selbstverständlich
die sämmtlichen Geschützcolonnen, deren Fahrzeuge durchschnittlich 20 Schritt
Colonnenlänge beanspruchen, nicht eingerechnet.
Aber auch diese ungefähren Angaben geben noch keine Vorstellung von
dem Train unseres Heeres bei dem Vormarsch in Frankreich. Nur ein klei¬
ner Theil der Lebensbedürfnisse des Heeres wurde durch Requisitionen, welche
die Truppen selbst vornahmen, gedeckt. Der bei weitem größte Theil des
Proviants, die ganze Munitions- und Ausrüstungsergänzung mußte dem
Heere nachgeschafft werden, entweder aus der Heimath durch Lieferanten be¬
sorgt, oder im occupirten Feindesland durch die Jntendanturbeamten aufge¬
sammelt. Je weiter das Heer also im Lande vorrückte, desto länger wurde
auch der Marsch der nachrückenden Colonnen und desto zahlreicher mußten
in demselben Verhältniß die Verpflegungscolonnen werden. Angenommen
nämlich, eine Proviantcolonne aus der Heimath sei angewiesen, ihr Ar¬
meecorps auf drei Tage zu verpflegen, so werden, wenn das Armeecorps
neun Tagesmärsche in Feindesland vorgerückt ist, wenigstens drei solcher Co¬
lonnen für dasselbe Armeecorps auf dem Marsche sein müssen, und je weiter
das Corps vorrückt, um so mehr.
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