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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Förderungen, welche dem Bauer aus deutscher Verwaltung und Schule er¬
wachsen müssen, ist schon geredet. Wenn seine Kinder nicht mehr damit be¬
ginnen müssen, die Zunge zu welschen Lauten zu spitzen, sondern in der an-
gebornen deutschen Sprache alle Bildungselemente erwerben dürfen, wenn
die Bauernsprache nicht mehr als die verachtete, systematisch aus allen höhe¬
ren Lebensbeziehungen verdrängte dasteht, sondern wieder zum natürlichen
Organ alles Verkehrs wird, so liegt allein darin eine unschätzbare Förderung.
Schwieriger werden manche Industriezweige gestellt sein, die neue Absatz,
gebiete zu suchen und manches in ihrem Betrieb zu ändern haben werden.
Aber bei ihrer im Allgemeinen hohen Entwickelung werden sie sicher in
Deutschland rascher ihren Vortheil finden, als vielen unserer Fabrikanten lieb
sein dürfte. Und was die Gesammtheit des bürgerlichen Geschäfts angeht,
so müssen die Städte des Elsaß nothwendig rasch emporsteigen. Vor allen
Straßburg. Diese alte Hauptstadt des Oberrheins tritt vielleicht überraschend
schnell in ihre frühere Stellung zurück. Da das ganze badische Land keine
einzige Stadt besitzt, welche mit ihr den Wettkampf aufnehmen könnte und
die bayrische Pfalz ebenso wenig, so kann es gar nicht ausbleiben, daß Stra߬
burg in kurzer Zeit für den Oberrhein wird, was Frankfurt für den Mittel¬
rhein längst ist. Der schwere Kriegsschäden kann dafür unter Umständen
eher förderlich als hinderlich werden- Denn allerdings wird Straßburg diese
Bedeutung nur dann erlangen können, wenn es deutschen Bedürfnissen und
Neigungen aufmerksam entgegen kommt und sich das Pariser Ideal gründ¬
lich aus dem Sinn schlägt, und es wird das voraussichtlich nur mit Hilfe
einer starken und raschen Zuwanderung deutscher Kräfte vermögen, für die
eben die vom Belagerer angerichtete Zerstörung die günstigste Gelegenheit
bietet. Von einer Menge angesehener Straßburger Häuser hört man schon
jetzt, daß ihre Inhaber auszuwandern entschlossen sind. Vielleicht wird diese
Absicht durch den Gang der französischen Dinge gehemmt oder gar geändert.
Das deutsche Interesse kann es aber unmöglich sein, die Auswanderung un¬
versöhnlicher Elemente zu hindern, nur daß Deutsche nicht säumen dürfen
den Platz einzunehmen.

So thut sich diesen gesegneten Landschaften in jeder Hinsicht eine hoff¬
nungsreiche Zukunft auf. Bleibt unsere Friedensarbeit nicht gar zu weit
hinter unseren kriegerischen Leistungen zurück, wissen wir annähernd ebenso
geschickt durch Verwaltung und Bildung festzuhalten, wie durch die Waffen
zu erobern, so muß der Elsaß, ehe eine Generation vergeht, von dem fran¬
zösischen Anstrich gesäubert und seiner alten deutschen Blüte zurückgegeben
sein. Diese Voraussetzung ist allerdings sehr wesentlich, und wie stark die Be¬
denken gegen das beabsichtigte Provisorium sein mögen, das läßt sich
gar nicht leugnen: daß die deutsche Verwaltung drüben nicht unter den


Förderungen, welche dem Bauer aus deutscher Verwaltung und Schule er¬
wachsen müssen, ist schon geredet. Wenn seine Kinder nicht mehr damit be¬
ginnen müssen, die Zunge zu welschen Lauten zu spitzen, sondern in der an-
gebornen deutschen Sprache alle Bildungselemente erwerben dürfen, wenn
die Bauernsprache nicht mehr als die verachtete, systematisch aus allen höhe¬
ren Lebensbeziehungen verdrängte dasteht, sondern wieder zum natürlichen
Organ alles Verkehrs wird, so liegt allein darin eine unschätzbare Förderung.
Schwieriger werden manche Industriezweige gestellt sein, die neue Absatz,
gebiete zu suchen und manches in ihrem Betrieb zu ändern haben werden.
Aber bei ihrer im Allgemeinen hohen Entwickelung werden sie sicher in
Deutschland rascher ihren Vortheil finden, als vielen unserer Fabrikanten lieb
sein dürfte. Und was die Gesammtheit des bürgerlichen Geschäfts angeht,
so müssen die Städte des Elsaß nothwendig rasch emporsteigen. Vor allen
Straßburg. Diese alte Hauptstadt des Oberrheins tritt vielleicht überraschend
schnell in ihre frühere Stellung zurück. Da das ganze badische Land keine
einzige Stadt besitzt, welche mit ihr den Wettkampf aufnehmen könnte und
die bayrische Pfalz ebenso wenig, so kann es gar nicht ausbleiben, daß Stra߬
burg in kurzer Zeit für den Oberrhein wird, was Frankfurt für den Mittel¬
rhein längst ist. Der schwere Kriegsschäden kann dafür unter Umständen
eher förderlich als hinderlich werden- Denn allerdings wird Straßburg diese
Bedeutung nur dann erlangen können, wenn es deutschen Bedürfnissen und
Neigungen aufmerksam entgegen kommt und sich das Pariser Ideal gründ¬
lich aus dem Sinn schlägt, und es wird das voraussichtlich nur mit Hilfe
einer starken und raschen Zuwanderung deutscher Kräfte vermögen, für die
eben die vom Belagerer angerichtete Zerstörung die günstigste Gelegenheit
bietet. Von einer Menge angesehener Straßburger Häuser hört man schon
jetzt, daß ihre Inhaber auszuwandern entschlossen sind. Vielleicht wird diese
Absicht durch den Gang der französischen Dinge gehemmt oder gar geändert.
Das deutsche Interesse kann es aber unmöglich sein, die Auswanderung un¬
versöhnlicher Elemente zu hindern, nur daß Deutsche nicht säumen dürfen
den Platz einzunehmen.

So thut sich diesen gesegneten Landschaften in jeder Hinsicht eine hoff¬
nungsreiche Zukunft auf. Bleibt unsere Friedensarbeit nicht gar zu weit
hinter unseren kriegerischen Leistungen zurück, wissen wir annähernd ebenso
geschickt durch Verwaltung und Bildung festzuhalten, wie durch die Waffen
zu erobern, so muß der Elsaß, ehe eine Generation vergeht, von dem fran¬
zösischen Anstrich gesäubert und seiner alten deutschen Blüte zurückgegeben
sein. Diese Voraussetzung ist allerdings sehr wesentlich, und wie stark die Be¬
denken gegen das beabsichtigte Provisorium sein mögen, das läßt sich
gar nicht leugnen: daß die deutsche Verwaltung drüben nicht unter den


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[0119] Förderungen, welche dem Bauer aus deutscher Verwaltung und Schule er¬ wachsen müssen, ist schon geredet. Wenn seine Kinder nicht mehr damit be¬ ginnen müssen, die Zunge zu welschen Lauten zu spitzen, sondern in der an- gebornen deutschen Sprache alle Bildungselemente erwerben dürfen, wenn die Bauernsprache nicht mehr als die verachtete, systematisch aus allen höhe¬ ren Lebensbeziehungen verdrängte dasteht, sondern wieder zum natürlichen Organ alles Verkehrs wird, so liegt allein darin eine unschätzbare Förderung. Schwieriger werden manche Industriezweige gestellt sein, die neue Absatz, gebiete zu suchen und manches in ihrem Betrieb zu ändern haben werden. Aber bei ihrer im Allgemeinen hohen Entwickelung werden sie sicher in Deutschland rascher ihren Vortheil finden, als vielen unserer Fabrikanten lieb sein dürfte. Und was die Gesammtheit des bürgerlichen Geschäfts angeht, so müssen die Städte des Elsaß nothwendig rasch emporsteigen. Vor allen Straßburg. Diese alte Hauptstadt des Oberrheins tritt vielleicht überraschend schnell in ihre frühere Stellung zurück. Da das ganze badische Land keine einzige Stadt besitzt, welche mit ihr den Wettkampf aufnehmen könnte und die bayrische Pfalz ebenso wenig, so kann es gar nicht ausbleiben, daß Stra߬ burg in kurzer Zeit für den Oberrhein wird, was Frankfurt für den Mittel¬ rhein längst ist. Der schwere Kriegsschäden kann dafür unter Umständen eher förderlich als hinderlich werden- Denn allerdings wird Straßburg diese Bedeutung nur dann erlangen können, wenn es deutschen Bedürfnissen und Neigungen aufmerksam entgegen kommt und sich das Pariser Ideal gründ¬ lich aus dem Sinn schlägt, und es wird das voraussichtlich nur mit Hilfe einer starken und raschen Zuwanderung deutscher Kräfte vermögen, für die eben die vom Belagerer angerichtete Zerstörung die günstigste Gelegenheit bietet. Von einer Menge angesehener Straßburger Häuser hört man schon jetzt, daß ihre Inhaber auszuwandern entschlossen sind. Vielleicht wird diese Absicht durch den Gang der französischen Dinge gehemmt oder gar geändert. Das deutsche Interesse kann es aber unmöglich sein, die Auswanderung un¬ versöhnlicher Elemente zu hindern, nur daß Deutsche nicht säumen dürfen den Platz einzunehmen. So thut sich diesen gesegneten Landschaften in jeder Hinsicht eine hoff¬ nungsreiche Zukunft auf. Bleibt unsere Friedensarbeit nicht gar zu weit hinter unseren kriegerischen Leistungen zurück, wissen wir annähernd ebenso geschickt durch Verwaltung und Bildung festzuhalten, wie durch die Waffen zu erobern, so muß der Elsaß, ehe eine Generation vergeht, von dem fran¬ zösischen Anstrich gesäubert und seiner alten deutschen Blüte zurückgegeben sein. Diese Voraussetzung ist allerdings sehr wesentlich, und wie stark die Be¬ denken gegen das beabsichtigte Provisorium sein mögen, das läßt sich gar nicht leugnen: daß die deutsche Verwaltung drüben nicht unter den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/119>, abgerufen am 22.12.2024.