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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Sleidanus 1S42 ebendort festhielt. Derselbe war im vorhergehenden Jahre
zum Botschafter und Geschichtschreiber des Schmalkaldischen Bundes bestellt
worden, welchem auch Straßburg angehörte. Als Gesandter dieser Stadt
war er um Anfang 1362 in Treue beim Concil, wo er aber nicht zum Vor¬
trag gelassen wurde; im Mai dieses Jahres sandte ihn die Stadt Straßburg
in das Lager des Königs Franz von Frankreich bei Zabern, um billigere For-
derungen bei Verpflegung des französischen Heeres zu erwirken; zwei Jahre
später war er wiederum im Straßburger Auftrag bet dem Convent von
Naumburg.

Mit einem warmen Herzen für das große deutsche Vaterland verband
Sleidan staatsmännische Einsicht und Erfahrung. Besonders kräftig äußert
sich sein Nationalgefühl in den beiden Anreden, die er während des Reichs¬
tages zu Speier 1542 in deutscher Sprache drucken ließ und zwei Jahre
später auch in lateinischer Bearbeitung herausgab, die eine an den Kaiser,
die andere an alle Fürsten und Stände des Reichs, dessen Zerrissenheit und
Gefahren er mit lebhaften Farben schildert.

"Woher kommt es", sagt er in der Rede an die Fürsten (ich verjünge den Wort¬
laut nur mit Schonung), "Woher kommt es, daß Italien, welches ehemals alle
Völker mit Krieg unter sich gezwungen hat, jetzt so gar nicht dem alten Wesen
gleich steht, sondern von den Fremden, Deutschen, Franzosen, Spaniern und andern,
bekriegt, gezwungen, regiert, gefressen und ausgesogen wird? Ist's nicht deswegen,
weil sie einander die Augen ausbeißen, keiner dem andern vertraut und Gegenbünd¬
nisse aufrichten? Hierauf geht der heilige einfältige Mann aus (der Papst, damals
Paul der dritte), und lauert, wie er dies bei uns möge zu Wege bringen. Es hat
ihm auch leider ziemlich bis ander geglückt, und wo es dermaßen einen Fürgang
gewinnen sollte, wie schon angefangen, würde er seine Lust büßen. Vor seinem Un¬
tergang, dem er nie so nahe gewesen, den er so heftig fürchtet, wollte er gern
einen großen Donnerschlag über deutsche Nation, die Barbaren, die ihm daS Spiel
verderbt haben, sehen, der Hoffnung und Zuversicht, er möchte dem Wetter entgehen,
und den aufgeregten Streich eine Zeit lang aufhalten. Und wann es dahin kom¬
men sollte, daß wir durch einheimischen Krieg einander vertilgen, und also beide,
das Reich, das über fünfhundert Jahre jetzt bei uns gewesen, und daneben alle
Freiheit sollten verlieren, wäre ja gewißlich dafür zu halten, daß Solches unseres
Mißglaubens und Undankbarkeit halber geschähe. Sollte es aber geschehen, so müßte
es durch genannten Weg und Mittel geschehen, nämlich durch einheimischen Krieg;
denn, so lange zwischen den Ständen des Reiches Einigkeit ist, so haben sie sich vor
fremden Nationen nicht zu besorgen. Sollte aber etwas entstehen, das solche große
Uneinigkeit zwischen ihnen erweckte, das würde vornehmlich des Glaubens und der
Religion Sache sein. Nun ists aber schon dahin gekommen, daß einmal der heilige
Vater zum Vortheil verbittert beide Parteien, die eine durch sein Wüthen, Brennen
und Morden, durch Abschneidung aller Hoffnung etwelcher Besserung, die andere durch
viel giftiges Anbringen, durch Geschenk, Verheißung und dergleichen mehr. Summa,
er wollt', es gern ins Werk bringen, alsdann würde er Friede von uns nehmen,


Sleidanus 1S42 ebendort festhielt. Derselbe war im vorhergehenden Jahre
zum Botschafter und Geschichtschreiber des Schmalkaldischen Bundes bestellt
worden, welchem auch Straßburg angehörte. Als Gesandter dieser Stadt
war er um Anfang 1362 in Treue beim Concil, wo er aber nicht zum Vor¬
trag gelassen wurde; im Mai dieses Jahres sandte ihn die Stadt Straßburg
in das Lager des Königs Franz von Frankreich bei Zabern, um billigere For-
derungen bei Verpflegung des französischen Heeres zu erwirken; zwei Jahre
später war er wiederum im Straßburger Auftrag bet dem Convent von
Naumburg.

Mit einem warmen Herzen für das große deutsche Vaterland verband
Sleidan staatsmännische Einsicht und Erfahrung. Besonders kräftig äußert
sich sein Nationalgefühl in den beiden Anreden, die er während des Reichs¬
tages zu Speier 1542 in deutscher Sprache drucken ließ und zwei Jahre
später auch in lateinischer Bearbeitung herausgab, die eine an den Kaiser,
die andere an alle Fürsten und Stände des Reichs, dessen Zerrissenheit und
Gefahren er mit lebhaften Farben schildert.

„Woher kommt es", sagt er in der Rede an die Fürsten (ich verjünge den Wort¬
laut nur mit Schonung), „Woher kommt es, daß Italien, welches ehemals alle
Völker mit Krieg unter sich gezwungen hat, jetzt so gar nicht dem alten Wesen
gleich steht, sondern von den Fremden, Deutschen, Franzosen, Spaniern und andern,
bekriegt, gezwungen, regiert, gefressen und ausgesogen wird? Ist's nicht deswegen,
weil sie einander die Augen ausbeißen, keiner dem andern vertraut und Gegenbünd¬
nisse aufrichten? Hierauf geht der heilige einfältige Mann aus (der Papst, damals
Paul der dritte), und lauert, wie er dies bei uns möge zu Wege bringen. Es hat
ihm auch leider ziemlich bis ander geglückt, und wo es dermaßen einen Fürgang
gewinnen sollte, wie schon angefangen, würde er seine Lust büßen. Vor seinem Un¬
tergang, dem er nie so nahe gewesen, den er so heftig fürchtet, wollte er gern
einen großen Donnerschlag über deutsche Nation, die Barbaren, die ihm daS Spiel
verderbt haben, sehen, der Hoffnung und Zuversicht, er möchte dem Wetter entgehen,
und den aufgeregten Streich eine Zeit lang aufhalten. Und wann es dahin kom¬
men sollte, daß wir durch einheimischen Krieg einander vertilgen, und also beide,
das Reich, das über fünfhundert Jahre jetzt bei uns gewesen, und daneben alle
Freiheit sollten verlieren, wäre ja gewißlich dafür zu halten, daß Solches unseres
Mißglaubens und Undankbarkeit halber geschähe. Sollte es aber geschehen, so müßte
es durch genannten Weg und Mittel geschehen, nämlich durch einheimischen Krieg;
denn, so lange zwischen den Ständen des Reiches Einigkeit ist, so haben sie sich vor
fremden Nationen nicht zu besorgen. Sollte aber etwas entstehen, das solche große
Uneinigkeit zwischen ihnen erweckte, das würde vornehmlich des Glaubens und der
Religion Sache sein. Nun ists aber schon dahin gekommen, daß einmal der heilige
Vater zum Vortheil verbittert beide Parteien, die eine durch sein Wüthen, Brennen
und Morden, durch Abschneidung aller Hoffnung etwelcher Besserung, die andere durch
viel giftiges Anbringen, durch Geschenk, Verheißung und dergleichen mehr. Summa,
er wollt', es gern ins Werk bringen, alsdann würde er Friede von uns nehmen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/104>, abgerufen am 23.12.2024.