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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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seiner energischen Vertheidigung, erst am 18. Septbr. von der Municipal-
commisfion das Ehrenbürgerrecht der Stadt Straßburg verliehen worden-.

Auch der Hunger und die Noth hatten noch nicht die Höhe erreicht, um
die Uebergabe zu einer Nothwendigkeit zu machen. Brod mangelte noch nicht,
und selbst Fleisch gab es noch, wenn auch seit Wochen nur Pferdefleisch, wovon
in der letzten Zeit das Pfund mit 36 Sous Gr.) bezahlt wurde. Un¬

zweifelhaft wurde General Adrias durch triftige militärische Gründe bestimmt.
Zwei wichtige Werke, Lünette 52 und 63, -- beide im Jahre 1867 angelegt,
was auch einen Beweis dafür abgiebt, wie seit 1866^von Frankreich der Krieg
gegen uns vorbereitet wurde, -- waren in unsren Händen. Vor Lünette 62
erstreckten sich unsere Laufgräben bereits bis an den Graben des feindlichen
Hauptwerkes No. 11. In der Nacht vom 27. zum 28. Septbr. sollte mit
dem Schlagen der Brücke über diesen Graben vorgegangen werden. Alsdann
galt es allerdings, noch einen zweiten nassen Graben, der sich vor dem
Hauptwall des Werkes befand, zu überwinden. Bresche war in den Haupt¬
wall bereits geschossen; man konnte deutlich die vom Mauerwerk entblößte
Stelle wahrnehmen, welche der stürmenden Colonne den Zugang gestattete,
sobald der Graben passirbar war. In wenigen Tagen war danach der
Sturm vorbereitet, dessen Ausgang schon wegen der numerischen Überlegen¬
heit unserer Truppen nicht zweifelhaft sein konnte. So mochte denn dem
Commandanten ferneres Blutvergießen als nutzlos erscheinen.

Ueberblicke man den Fortgang unserer Belagerungsarbeiten seit dem
29. August, an welchem Tage die erste Parallele eröffnet wurde, so wird
Niemand unserem Angriff das Lob der Energie streitig machen. Unsere An¬
griffsfront zog sich vor dem Dorfe Schiltigheim und weiter in einer Aus¬
dehnung von 3000 Schritten hin. Auf dieser Strecke mußten die drei
Parallelen -- parallel mit den feindlichen Werken laufende Gräben von eilf
Fuß Breite und vier Fuß Tiefe, welche mit der als Brustwehr ausgeworfe¬
nen Erde den Batterieen und der Infanterie zur Deckung dienen -- nebst
den zur ersten Parallele führenden und die Parallelen unter sich verbinden¬
den Gräben von gleicher Breite und Tiefe, den sogenannten Communicatio-
nen oder Approchen, angelegt werden. Nachdem man auf solche Weise bis
an das Glacis -- das abfallende Terrain vor den feindlichen Werken --
vorgedrungen, war die Krönung des Glacis auszuführen. Diese besteht in
einem hart am feindlichen Werke in kurzen Schlangenwindungen, den Zacken
einer Kcone vergleichbar, sich hinziehenden Graben. Alles dies war in weniger
als drei Wochen vollendet. Am 20. Septbr. war bereits vom Couronnement
aus der Damm nach Lünette 63 über den davor liegenden Graben geschüttet,
auf welchem eine Compagnie der Gardelandwehr hinüberging, um Besitz von
diesem mittlerweile vom Feinde verlassenen Werke zu nehmen. In der Nacht


seiner energischen Vertheidigung, erst am 18. Septbr. von der Municipal-
commisfion das Ehrenbürgerrecht der Stadt Straßburg verliehen worden-.

Auch der Hunger und die Noth hatten noch nicht die Höhe erreicht, um
die Uebergabe zu einer Nothwendigkeit zu machen. Brod mangelte noch nicht,
und selbst Fleisch gab es noch, wenn auch seit Wochen nur Pferdefleisch, wovon
in der letzten Zeit das Pfund mit 36 Sous Gr.) bezahlt wurde. Un¬

zweifelhaft wurde General Adrias durch triftige militärische Gründe bestimmt.
Zwei wichtige Werke, Lünette 52 und 63, — beide im Jahre 1867 angelegt,
was auch einen Beweis dafür abgiebt, wie seit 1866^von Frankreich der Krieg
gegen uns vorbereitet wurde, — waren in unsren Händen. Vor Lünette 62
erstreckten sich unsere Laufgräben bereits bis an den Graben des feindlichen
Hauptwerkes No. 11. In der Nacht vom 27. zum 28. Septbr. sollte mit
dem Schlagen der Brücke über diesen Graben vorgegangen werden. Alsdann
galt es allerdings, noch einen zweiten nassen Graben, der sich vor dem
Hauptwall des Werkes befand, zu überwinden. Bresche war in den Haupt¬
wall bereits geschossen; man konnte deutlich die vom Mauerwerk entblößte
Stelle wahrnehmen, welche der stürmenden Colonne den Zugang gestattete,
sobald der Graben passirbar war. In wenigen Tagen war danach der
Sturm vorbereitet, dessen Ausgang schon wegen der numerischen Überlegen¬
heit unserer Truppen nicht zweifelhaft sein konnte. So mochte denn dem
Commandanten ferneres Blutvergießen als nutzlos erscheinen.

Ueberblicke man den Fortgang unserer Belagerungsarbeiten seit dem
29. August, an welchem Tage die erste Parallele eröffnet wurde, so wird
Niemand unserem Angriff das Lob der Energie streitig machen. Unsere An¬
griffsfront zog sich vor dem Dorfe Schiltigheim und weiter in einer Aus¬
dehnung von 3000 Schritten hin. Auf dieser Strecke mußten die drei
Parallelen — parallel mit den feindlichen Werken laufende Gräben von eilf
Fuß Breite und vier Fuß Tiefe, welche mit der als Brustwehr ausgeworfe¬
nen Erde den Batterieen und der Infanterie zur Deckung dienen — nebst
den zur ersten Parallele führenden und die Parallelen unter sich verbinden¬
den Gräben von gleicher Breite und Tiefe, den sogenannten Communicatio-
nen oder Approchen, angelegt werden. Nachdem man auf solche Weise bis
an das Glacis — das abfallende Terrain vor den feindlichen Werken —
vorgedrungen, war die Krönung des Glacis auszuführen. Diese besteht in
einem hart am feindlichen Werke in kurzen Schlangenwindungen, den Zacken
einer Kcone vergleichbar, sich hinziehenden Graben. Alles dies war in weniger
als drei Wochen vollendet. Am 20. Septbr. war bereits vom Couronnement
aus der Damm nach Lünette 63 über den davor liegenden Graben geschüttet,
auf welchem eine Compagnie der Gardelandwehr hinüberging, um Besitz von
diesem mittlerweile vom Feinde verlassenen Werke zu nehmen. In der Nacht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/102>, abgerufen am 22.12.2024.