Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.Pilatus die Freigebung des Barrabas und erzwingt die Verurtheilung Jesu. Man wird begreifen, daß dieser Zuschnitt des Ganzen dem Eindruck An die Darsteller der eigentlichen Rollen kann man selbstverständlich Pilatus die Freigebung des Barrabas und erzwingt die Verurtheilung Jesu. Man wird begreifen, daß dieser Zuschnitt des Ganzen dem Eindruck An die Darsteller der eigentlichen Rollen kann man selbstverständlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124206"/> <p xml:id="ID_145" prev="#ID_144"> Pilatus die Freigebung des Barrabas und erzwingt die Verurtheilung Jesu.<lb/> Dazu zwei Vorbilder: Joseph, im Triumphwagen herumgeführt; dann: Moses<lb/> vor dem Altar knieend, daneben der geschlachtete Bock. — 15. Die Kreuz-<lb/> tragung; dazu drei Vorbilder: Jsaak das Holz schleppend, und zwei Bilder,<lb/> die Aufrichtung der ehernen Schlange darstellend. — 16. Die Schädelstätte,<lb/> Christus und die beiden Schacher an den Kreuzen; das Verscheiden Christi,<lb/> seine Abnahme vom Kreuze und Grablegung; diese Scene ist ohne Vorbild.<lb/> — Die Auferstehung Christi, Bestürzung der Pharisäer u. s. w. Vorbilder:<lb/> Jonas von dem Wallfisch wieder ausgespieen, und: die Jsraeliten nachdem sie<lb/> durchs rothe Meer gekommen sind, und der Untergang der Aegypter. — Der<lb/> letzten Scene, der Auferstehung, schließt sich dann noch ein Schlußtableau an,<lb/> die Auffahrung gen Himmel (in allerdings sehr mangelhafter Weise) dar¬<lb/> stellend. Nachdem dies Tableau vom Vorhang verhüllt ist, endet der Chor<lb/> die ganze Darstellung mit einem langen Schlußgesang. —</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Man wird begreifen, daß dieser Zuschnitt des Ganzen dem Eindruck<lb/> einer Tragödie nicht aufkommen läßt. Wo die Darstellung eine wirklich<lb/> dramatische Wirkung erreicht, da geschieht es eben in jenen großen<lb/> Massen-Scenen, für welche die treffliche Bühneneinrichtung das Meiste thut.<lb/> Dies ist, außer bei dem schon geschilderten Einzug in Jerusalem, hauptsäch¬<lb/> lich der Fall in den Scenen vor dem Hause des Pilatus; namentlich in jener<lb/> großen Scene des Volkstumultes, da hier die Mannigfaltigkeit der Scenerie,<lb/> die gleichzeitige Verwendung der Mittelbühne und des Prosceniums mit den<lb/> beiden Seitenstraßen eine ungemein lebendige Bewegung zuläßt. Auch für<lb/> die Scene der Kreuztragung ist die Einrichtung überaus günstig, doch ließe<lb/> sich hier die Wirkung, namentlich in malerischer Beziehung noch sehr steigern.<lb/> Für einzelne Momente der Handlung sowohl wie für die meisten lebenden<lb/> Bilder sind die vorhandenen Gemälde altdeutscher, niederländischer und italie¬<lb/> nischer Meister oft gut benutzt und die Kostüme sind dabei stets aufs ge¬<lb/> naueste hergestellt. Bewundernswürdig ist es, wie regungslos bei den oft<lb/> sehr schwierigen lebenden Bildern sämmtliche Mitwirkende sich verhalten, um<lb/> so bewundernswerther, als die Bilder während der sehr langen Gesänge weit<lb/> über die gewöhnlich dafür gebräuchliche Zeit dauern.</p><lb/> <p xml:id="ID_147" next="#ID_148"> An die Darsteller der eigentlichen Rollen kann man selbstverständlich<lb/> keinen künstlerischen Maßstab legen. Und weil dies eben auch Niemandem,<lb/> der diesen ländlichen Boden betritt, einfällt, so wird die Leistung der Ein¬<lb/> zelnen von vielen Beurtheilern weit überschätzt. Es ist genug, daß die Dar¬<lb/> steller sich nicht ungeschickt bewegen, ohne Gespreiztheit, nur hie und da bei<lb/> pathetischen Stellen mit etwas zu absichtlicher Action, was besonders beim<lb/> Darsteller des Judas der Fall ist. Den altbayrischen Dialekt muß man von<lb/> Allen mit in den Kauf nehmen, und angenehm berührt es eben nicht das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Pilatus die Freigebung des Barrabas und erzwingt die Verurtheilung Jesu.
Dazu zwei Vorbilder: Joseph, im Triumphwagen herumgeführt; dann: Moses
vor dem Altar knieend, daneben der geschlachtete Bock. — 15. Die Kreuz-
tragung; dazu drei Vorbilder: Jsaak das Holz schleppend, und zwei Bilder,
die Aufrichtung der ehernen Schlange darstellend. — 16. Die Schädelstätte,
Christus und die beiden Schacher an den Kreuzen; das Verscheiden Christi,
seine Abnahme vom Kreuze und Grablegung; diese Scene ist ohne Vorbild.
— Die Auferstehung Christi, Bestürzung der Pharisäer u. s. w. Vorbilder:
Jonas von dem Wallfisch wieder ausgespieen, und: die Jsraeliten nachdem sie
durchs rothe Meer gekommen sind, und der Untergang der Aegypter. — Der
letzten Scene, der Auferstehung, schließt sich dann noch ein Schlußtableau an,
die Auffahrung gen Himmel (in allerdings sehr mangelhafter Weise) dar¬
stellend. Nachdem dies Tableau vom Vorhang verhüllt ist, endet der Chor
die ganze Darstellung mit einem langen Schlußgesang. —
Man wird begreifen, daß dieser Zuschnitt des Ganzen dem Eindruck
einer Tragödie nicht aufkommen läßt. Wo die Darstellung eine wirklich
dramatische Wirkung erreicht, da geschieht es eben in jenen großen
Massen-Scenen, für welche die treffliche Bühneneinrichtung das Meiste thut.
Dies ist, außer bei dem schon geschilderten Einzug in Jerusalem, hauptsäch¬
lich der Fall in den Scenen vor dem Hause des Pilatus; namentlich in jener
großen Scene des Volkstumultes, da hier die Mannigfaltigkeit der Scenerie,
die gleichzeitige Verwendung der Mittelbühne und des Prosceniums mit den
beiden Seitenstraßen eine ungemein lebendige Bewegung zuläßt. Auch für
die Scene der Kreuztragung ist die Einrichtung überaus günstig, doch ließe
sich hier die Wirkung, namentlich in malerischer Beziehung noch sehr steigern.
Für einzelne Momente der Handlung sowohl wie für die meisten lebenden
Bilder sind die vorhandenen Gemälde altdeutscher, niederländischer und italie¬
nischer Meister oft gut benutzt und die Kostüme sind dabei stets aufs ge¬
naueste hergestellt. Bewundernswürdig ist es, wie regungslos bei den oft
sehr schwierigen lebenden Bildern sämmtliche Mitwirkende sich verhalten, um
so bewundernswerther, als die Bilder während der sehr langen Gesänge weit
über die gewöhnlich dafür gebräuchliche Zeit dauern.
An die Darsteller der eigentlichen Rollen kann man selbstverständlich
keinen künstlerischen Maßstab legen. Und weil dies eben auch Niemandem,
der diesen ländlichen Boden betritt, einfällt, so wird die Leistung der Ein¬
zelnen von vielen Beurtheilern weit überschätzt. Es ist genug, daß die Dar¬
steller sich nicht ungeschickt bewegen, ohne Gespreiztheit, nur hie und da bei
pathetischen Stellen mit etwas zu absichtlicher Action, was besonders beim
Darsteller des Judas der Fall ist. Den altbayrischen Dialekt muß man von
Allen mit in den Kauf nehmen, und angenehm berührt es eben nicht das
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