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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Mitglieder sie sind, und das Ministerium verräth die größte Geneigtheit, diesen
Unsinn und Unfug zu sanctioniren. Die Czechen wählen nicht für den Reichs¬
rath, und das Ministerium hat nicht den Muth, die einzige gesetzliche Ant¬
wort auf diese Weigerung zu geben, nämlich directe Wahlen auszuschreiben.
Die deutschen Reichsrathsabgeordneten klammern sich an diese Formverletzung
und wollen nun ihrerseits den Reichsrath nicht als perfect anerkennen. Mit
Recht wirft man ihnen ein: als ihr die Majorität hattet, störte es euch nicht,
daß z. B. der Landtag von Jstrien die Wahl verweigert hatte, der ungarische
noch gar nicht zum Wählen aufgefordert worden war, ihr gerirtet euch als
egale Vertretung des ganzen Reiches. Und wieder mit Recht antwortet
jene Opposition: was uns damals recht und nützlich schien, braucht es heute
unter ganz veränderten Verhältnissen nicht wieder zu sein; warum habt ihr
uns den Vorwand gegeben, einer Versammlung fern zu bleiben, in welcher
man uns auf jeden Fall majorisiren wird?! Nun kaun erlebt werden, daß
ein Abgeordnetenhaus nur aus notorischen Verfassungsgegnern, Polen
Slovenen, Ultramontanen aus Steiermark und Oberöstreich u. s. w. sich als
Hüter der Verfassung proclamirt und die Verfassungstreuen als deren Feinde!

Genug, der Wirwarr ist so groß, daß Niemand mehr eine andere als
gewaltsame Lösung sieht!







Mit Ur. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1870.Die Verlaqshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gnstal" Frchtag.
Verlag von F. L. Hcrvig. -- Druck von Hiitycl Legler in Leipzig.

Mitglieder sie sind, und das Ministerium verräth die größte Geneigtheit, diesen
Unsinn und Unfug zu sanctioniren. Die Czechen wählen nicht für den Reichs¬
rath, und das Ministerium hat nicht den Muth, die einzige gesetzliche Ant¬
wort auf diese Weigerung zu geben, nämlich directe Wahlen auszuschreiben.
Die deutschen Reichsrathsabgeordneten klammern sich an diese Formverletzung
und wollen nun ihrerseits den Reichsrath nicht als perfect anerkennen. Mit
Recht wirft man ihnen ein: als ihr die Majorität hattet, störte es euch nicht,
daß z. B. der Landtag von Jstrien die Wahl verweigert hatte, der ungarische
noch gar nicht zum Wählen aufgefordert worden war, ihr gerirtet euch als
egale Vertretung des ganzen Reiches. Und wieder mit Recht antwortet
jene Opposition: was uns damals recht und nützlich schien, braucht es heute
unter ganz veränderten Verhältnissen nicht wieder zu sein; warum habt ihr
uns den Vorwand gegeben, einer Versammlung fern zu bleiben, in welcher
man uns auf jeden Fall majorisiren wird?! Nun kaun erlebt werden, daß
ein Abgeordnetenhaus nur aus notorischen Verfassungsgegnern, Polen
Slovenen, Ultramontanen aus Steiermark und Oberöstreich u. s. w. sich als
Hüter der Verfassung proclamirt und die Verfassungstreuen als deren Feinde!

Genug, der Wirwarr ist so groß, daß Niemand mehr eine andere als
gewaltsame Lösung sieht!







Mit Ur. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1870.Die Verlaqshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gnstal« Frchtag.
Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hiitycl Legler in Leipzig.
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[0548] Mitglieder sie sind, und das Ministerium verräth die größte Geneigtheit, diesen Unsinn und Unfug zu sanctioniren. Die Czechen wählen nicht für den Reichs¬ rath, und das Ministerium hat nicht den Muth, die einzige gesetzliche Ant¬ wort auf diese Weigerung zu geben, nämlich directe Wahlen auszuschreiben. Die deutschen Reichsrathsabgeordneten klammern sich an diese Formverletzung und wollen nun ihrerseits den Reichsrath nicht als perfect anerkennen. Mit Recht wirft man ihnen ein: als ihr die Majorität hattet, störte es euch nicht, daß z. B. der Landtag von Jstrien die Wahl verweigert hatte, der ungarische noch gar nicht zum Wählen aufgefordert worden war, ihr gerirtet euch als egale Vertretung des ganzen Reiches. Und wieder mit Recht antwortet jene Opposition: was uns damals recht und nützlich schien, braucht es heute unter ganz veränderten Verhältnissen nicht wieder zu sein; warum habt ihr uns den Vorwand gegeben, einer Versammlung fern zu bleiben, in welcher man uns auf jeden Fall majorisiren wird?! Nun kaun erlebt werden, daß ein Abgeordnetenhaus nur aus notorischen Verfassungsgegnern, Polen Slovenen, Ultramontanen aus Steiermark und Oberöstreich u. s. w. sich als Hüter der Verfassung proclamirt und die Verfassungstreuen als deren Feinde! Genug, der Wirwarr ist so groß, daß Niemand mehr eine andere als gewaltsame Lösung sieht! Mit Ur. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im September 1870.Die Verlaqshandlung. Verantwortlicher Redacteur: Gnstal« Frchtag. Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hiitycl Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/548>, abgerufen am 27.07.2024.