Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.rigkeiten des ihm zugemutheten Abenteuers keinen Illusionen hinzugeben. Auch nach dem Bruch der Convention hielt man offiziell an der lügen¬ Grenzboten III. 1870. 63
rigkeiten des ihm zugemutheten Abenteuers keinen Illusionen hinzugeben. Auch nach dem Bruch der Convention hielt man offiziell an der lügen¬ Grenzboten III. 1870. 63
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124645"/> <p xml:id="ID_1424" prev="#ID_1423"> rigkeiten des ihm zugemutheten Abenteuers keinen Illusionen hinzugeben.<lb/> Andrerseits aber reizten grade die Gefahren seinen leidenschaftlichen, unbe¬<lb/> friedigten Thatendurst. Und so entschloß er sich endlich zur Annahme, jedoch<lb/> nur unter der Bedingung, daß Frankreich und England ihm ihren morali¬<lb/> schen und materiellen Beistand zur Behauptung der Krone zusicherten.<lb/> Frankreich war dazu bereit. Auf die englische Regierung übte dagegen die<lb/> etwas unvorsichtige Anspielung Thouvenel's auf die Habsburgische Candidatur,<lb/> wie wir schon geschen haben, nur die Wirkung, daß sie um so eifriger darauf<lb/> bestand, daß in dem inzwischen dem Abschluß nahe gebrachten Londoner Ver¬<lb/> trag die den streng finanziellen Charakter des Einschreitens der drei Mächte<lb/> gegen Mexico wahrende Clausel aufgenommen wurde. Indessen waren Na¬<lb/> poleon und die mexikanischen Verschworenen bereits zu weit vorgegangen,<lb/> um sich durch Englands Zurückhaltung zu einem Verzicht auf ihre Reforma¬<lb/> tionspläne bestimmen zu lassen, und was den Erzherzog betrifft, so rechnete<lb/> man, daß der Gang der Ereignisse, den man in Mexico vorbereitete, ihm<lb/> ein Zurücktreten moralisch unmöglich machen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1425"> Auch nach dem Bruch der Convention hielt man offiziell an der lügen¬<lb/> haften Behauptung fest, daß der einzige Zweck der Expedition der Schutz<lb/> der französischen Interessen sei und daß man mit Juarez nur deshalb nicht<lb/> verhandle, weil er eine von der großen Mehrzahl des mexikanischen Volkes<lb/> verabscheute Gewaltherrschaft ausübe, ein wirksamer Vertrag aber nur von<lb/> einer regelmäßigen allgemein anerkannten Regierung abgeschlossen werden könne;<lb/> auf Mexico marschire man nur deshalb, um dem mexikanischen Volke die<lb/> Freiheit zu erkämpfen, eine kräftige und volkstümliche Regierung einzusetzen.<lb/> Worauf der Kaiser eigentlich hinaus wollte, das erfuhr das Publikum in<lb/> authentischer Weise erst durch die Veröffentlichung seines bekannten Schreibens<lb/> an den General Forey (vom 3. Juli 1862), worin es heißt: „Wenn Mexico<lb/> seine Unabhängigkett bewahrt, die Integrität seines Territoriums behauptet,<lb/> wenn dort mit Frankreichs Beistand ein festes Regiment sich entwickelt, so<lb/> werden wir der lateinischen Race an der anderen Seite des Oceans ihre Kraft<lb/> und ihren Glanz (Prestige) wiedergegeben haben." In diesen Worten wird die<lb/> "große Idee" des Kaisers, die Regeneration der lateinischen Race, zum ersten<lb/> Mal mit voller Bestimmtheit ausgesprochen. Wie wenig der Kaiser bei der<lb/> Verwirklichung dieses phantastischen Plans die thatsächlichen Verhältnisse in<lb/> Rechnung gezogen hatte, haben wir an einer andern Stelle ausgeführt. Hier<lb/> sei nur noch erwähnt, daß die Veröffentlichung dieser Phrasen auf die Mexikaner<lb/> deshalb einen überaus ungünstigen Eindruck machte, weil man daraus ersah,<lb/> daß der künftige Beherrscher Mexicos von vorn herein dazu bestimmt sei, ein<lb/> Schützling Frankreichs und ein Werkzeug der napoleonischen, scharf gegen<lb/> Nordamerika gerichteten Racenpolitlk zu sein und zu bleiben.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1870. 63</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
rigkeiten des ihm zugemutheten Abenteuers keinen Illusionen hinzugeben.
Andrerseits aber reizten grade die Gefahren seinen leidenschaftlichen, unbe¬
friedigten Thatendurst. Und so entschloß er sich endlich zur Annahme, jedoch
nur unter der Bedingung, daß Frankreich und England ihm ihren morali¬
schen und materiellen Beistand zur Behauptung der Krone zusicherten.
Frankreich war dazu bereit. Auf die englische Regierung übte dagegen die
etwas unvorsichtige Anspielung Thouvenel's auf die Habsburgische Candidatur,
wie wir schon geschen haben, nur die Wirkung, daß sie um so eifriger darauf
bestand, daß in dem inzwischen dem Abschluß nahe gebrachten Londoner Ver¬
trag die den streng finanziellen Charakter des Einschreitens der drei Mächte
gegen Mexico wahrende Clausel aufgenommen wurde. Indessen waren Na¬
poleon und die mexikanischen Verschworenen bereits zu weit vorgegangen,
um sich durch Englands Zurückhaltung zu einem Verzicht auf ihre Reforma¬
tionspläne bestimmen zu lassen, und was den Erzherzog betrifft, so rechnete
man, daß der Gang der Ereignisse, den man in Mexico vorbereitete, ihm
ein Zurücktreten moralisch unmöglich machen werde.
Auch nach dem Bruch der Convention hielt man offiziell an der lügen¬
haften Behauptung fest, daß der einzige Zweck der Expedition der Schutz
der französischen Interessen sei und daß man mit Juarez nur deshalb nicht
verhandle, weil er eine von der großen Mehrzahl des mexikanischen Volkes
verabscheute Gewaltherrschaft ausübe, ein wirksamer Vertrag aber nur von
einer regelmäßigen allgemein anerkannten Regierung abgeschlossen werden könne;
auf Mexico marschire man nur deshalb, um dem mexikanischen Volke die
Freiheit zu erkämpfen, eine kräftige und volkstümliche Regierung einzusetzen.
Worauf der Kaiser eigentlich hinaus wollte, das erfuhr das Publikum in
authentischer Weise erst durch die Veröffentlichung seines bekannten Schreibens
an den General Forey (vom 3. Juli 1862), worin es heißt: „Wenn Mexico
seine Unabhängigkett bewahrt, die Integrität seines Territoriums behauptet,
wenn dort mit Frankreichs Beistand ein festes Regiment sich entwickelt, so
werden wir der lateinischen Race an der anderen Seite des Oceans ihre Kraft
und ihren Glanz (Prestige) wiedergegeben haben." In diesen Worten wird die
"große Idee" des Kaisers, die Regeneration der lateinischen Race, zum ersten
Mal mit voller Bestimmtheit ausgesprochen. Wie wenig der Kaiser bei der
Verwirklichung dieses phantastischen Plans die thatsächlichen Verhältnisse in
Rechnung gezogen hatte, haben wir an einer andern Stelle ausgeführt. Hier
sei nur noch erwähnt, daß die Veröffentlichung dieser Phrasen auf die Mexikaner
deshalb einen überaus ungünstigen Eindruck machte, weil man daraus ersah,
daß der künftige Beherrscher Mexicos von vorn herein dazu bestimmt sei, ein
Schützling Frankreichs und ein Werkzeug der napoleonischen, scharf gegen
Nordamerika gerichteten Racenpolitlk zu sein und zu bleiben.
Grenzboten III. 1870. 63
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