Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.Haupt gar kein deutscher Staat, daß die Süddeutschen, gezwungen oder ver¬ Der Hinweis auf Oestreichs Neutralität und deren Gebote und Pflich¬ Der Herzog von Grammont, persova ZratisZimg. in Wien, verdankt Grenzboten III. 1870. 39
Haupt gar kein deutscher Staat, daß die Süddeutschen, gezwungen oder ver¬ Der Hinweis auf Oestreichs Neutralität und deren Gebote und Pflich¬ Der Herzog von Grammont, persova ZratisZimg. in Wien, verdankt Grenzboten III. 1870. 39
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124455"/> <p xml:id="ID_878" prev="#ID_877"> Haupt gar kein deutscher Staat, daß die Süddeutschen, gezwungen oder ver¬<lb/> blendet, mitgingen, sei ein Unglück für sie, welches Napoleon sie nicht büßen<lb/> lassen werde. Ihm Eroberungsgelüste zuschreiben könne nur niedrige Ver¬<lb/> leumdung u. s. w. u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_879"> Der Hinweis auf Oestreichs Neutralität und deren Gebote und Pflich¬<lb/> ten war den deutschgesinnten Studenten der wiener Universität vollkommen<lb/> berechtigt. Etwas bedenklicher schon erschien diese Neutralität, als sie den<lb/> Namen hergeben mußte, um Sammlungen für das deutsche Heer zu verbieten.<lb/> Von größter Bedeutung aber ist die Thatsache, daß man in den gouverne-<lb/> mentalen Kreisen durchaus nicht an die Bundestreue und die energische<lb/> Haltung Bayerns und Würtembergs glaubte. Und wir glauben nicht zu<lb/> irren, wenn wir in dieser Täuschung eine von den Ursachen der brüsten<lb/> Kriegserklärung suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_880" next="#ID_881"> Der Herzog von Grammont, persova ZratisZimg. in Wien, verdankt<lb/> diese Beliebtheit entschieden nicht seinen staatsmännischen Gaben. Schon<lb/> der vielverbreitete Spitzname „Embrassadeur" zeigt, daß seine Erfolge auf<lb/> Gebieten liegen, auf denen sich auszuzeichnen allerdings die Diplomaten von<lb/> jeher bemüht gewesen sind. Der hübsche, nur auf einen zu langen Körper<lb/> sitzende Kopf ragte überall hervor, wo elegante Welt oder elegante Halb¬<lb/> welt sich zu versammeln pflegte, und falls der Due nach Wien geschickt<lb/> worden war, um die Geheimnisse der verschiedenen wiener Damencirkel zu<lb/> erforschen, hat er seinem Herrn gewiß die allerbesten Dienste geleistet. Es<lb/> gefiel ihm in Wien so gut, daß er schon deshalb für die französisch-östrei¬<lb/> chische Entente wirkte. Da er, wie man behauptet, seine politischen Berichte<lb/> stets getreu den Informationen abgefaßt hat, welche ihm im auswärtigen<lb/> Amte in Wien zugingen, so ist es erklärlich, daß er auch eine völlig unrich¬<lb/> tige Ansicht von der Stimmung Deutschlands in sich aufgenommen hat.<lb/> Denn wie wollte man über diese in einem Ministerium gut unterrichtet<lb/> sein, in welchem Flüchtlinge, Fanatiker und Abenteurer aus- und eingehen,<lb/> während die Gesandten und Geschäftsträger an den süddeutschen Höfen nur<lb/> mit Personen verkehren, die ihnen zum Munde reden! Wenn die Gesandt-<lb/> schastsberichte in getreuester Uebereinstimmung mit den Erzählungen geheimer<lb/> Agenten stets versicherten, daß die Regierungen in München und Stuttgart<lb/> durch die Bevölkerungen gezwungen werden und sich gern zwingen lassen<lb/> würden, die verhaßten Verträge von 1866 bei dem ersten Anstoß abzu¬<lb/> schütteln, warum hätte man nicht glauben sollen, was man so gern glaubte?<lb/> Eine Täuschung war da nicht möglich. Die Einen gaben die Anschauungen<lb/> der Regierenden und Hochgeborenen wieder, die Andern, die Cidevant-Repu-<lb/> blikaner, welche jetzt den verjagten Fürsten, dem Bundestage, dem Südbunde,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1870. 39</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Haupt gar kein deutscher Staat, daß die Süddeutschen, gezwungen oder ver¬
blendet, mitgingen, sei ein Unglück für sie, welches Napoleon sie nicht büßen
lassen werde. Ihm Eroberungsgelüste zuschreiben könne nur niedrige Ver¬
leumdung u. s. w. u. s. w.
Der Hinweis auf Oestreichs Neutralität und deren Gebote und Pflich¬
ten war den deutschgesinnten Studenten der wiener Universität vollkommen
berechtigt. Etwas bedenklicher schon erschien diese Neutralität, als sie den
Namen hergeben mußte, um Sammlungen für das deutsche Heer zu verbieten.
Von größter Bedeutung aber ist die Thatsache, daß man in den gouverne-
mentalen Kreisen durchaus nicht an die Bundestreue und die energische
Haltung Bayerns und Würtembergs glaubte. Und wir glauben nicht zu
irren, wenn wir in dieser Täuschung eine von den Ursachen der brüsten
Kriegserklärung suchen.
Der Herzog von Grammont, persova ZratisZimg. in Wien, verdankt
diese Beliebtheit entschieden nicht seinen staatsmännischen Gaben. Schon
der vielverbreitete Spitzname „Embrassadeur" zeigt, daß seine Erfolge auf
Gebieten liegen, auf denen sich auszuzeichnen allerdings die Diplomaten von
jeher bemüht gewesen sind. Der hübsche, nur auf einen zu langen Körper
sitzende Kopf ragte überall hervor, wo elegante Welt oder elegante Halb¬
welt sich zu versammeln pflegte, und falls der Due nach Wien geschickt
worden war, um die Geheimnisse der verschiedenen wiener Damencirkel zu
erforschen, hat er seinem Herrn gewiß die allerbesten Dienste geleistet. Es
gefiel ihm in Wien so gut, daß er schon deshalb für die französisch-östrei¬
chische Entente wirkte. Da er, wie man behauptet, seine politischen Berichte
stets getreu den Informationen abgefaßt hat, welche ihm im auswärtigen
Amte in Wien zugingen, so ist es erklärlich, daß er auch eine völlig unrich¬
tige Ansicht von der Stimmung Deutschlands in sich aufgenommen hat.
Denn wie wollte man über diese in einem Ministerium gut unterrichtet
sein, in welchem Flüchtlinge, Fanatiker und Abenteurer aus- und eingehen,
während die Gesandten und Geschäftsträger an den süddeutschen Höfen nur
mit Personen verkehren, die ihnen zum Munde reden! Wenn die Gesandt-
schastsberichte in getreuester Uebereinstimmung mit den Erzählungen geheimer
Agenten stets versicherten, daß die Regierungen in München und Stuttgart
durch die Bevölkerungen gezwungen werden und sich gern zwingen lassen
würden, die verhaßten Verträge von 1866 bei dem ersten Anstoß abzu¬
schütteln, warum hätte man nicht glauben sollen, was man so gern glaubte?
Eine Täuschung war da nicht möglich. Die Einen gaben die Anschauungen
der Regierenden und Hochgeborenen wieder, die Andern, die Cidevant-Repu-
blikaner, welche jetzt den verjagten Fürsten, dem Bundestage, dem Südbunde,
Grenzboten III. 1870. 39
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |