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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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forderten den Anschluß an Oestreich. Welche Garantien gab denn Oest¬
reich. Daß es auf jeden Fall auch späterhin mit Frankreich gehen werde,
nachdem es seinen Preis erhalten hatte? Und weiter: in welchem Lichte
erscheint Broglie MNvr, wenn er mit billigem Hohn sagt, Friedrich habe,
obschon die Versailler Allianz nur defensiv war, von einer Offenfivallianz
gesprochen, (die pedantischen Deutschen haben Blut geschwitzt, sie in den
Archiven zu finden); in Petersburg aber gab es nur einen vaguen Wunsch,
sich in die Angelegenheiten des Westens zu mischen, in Sachsen Furcht und
Hoffnungslosigkeit, nur Maria Theresia hatte einen ähnlichen Wunsch. Wenn
aus Grund dieser Momente Friedrichs Angriff gerechtfertigt sei, nichts könne
den cynischen Mißbrauch der Gewalt, den unverschämten Betrug rechtfertigen.
Denn Sachsen hatte nach unserm famosen Autor ja nicht gerüstet, hatte
keine Pourparlers mit den Mächten des Versailler Vertrags gehalten, Preu¬
ßen konnte von Schlesien einbrechen!

In der That kaum glaublich ist es, mit solchen Lächerlichkeiten kundige
Menschen belehren zu wollen.

Das Petersburger Bündniß mit seinem geheimen Artikel, die Theilungs¬
pläne die Rußland mit Oestreich colportirte, sind notorisch, ebenso, daß Ru߬
land mit Oestreich einig war, 1757 loszuschlagen. Wenn Friedrich eine schon
abgeschlossene Allianz voraussetzte, so irrte er freilich, aber der Großherzog
Peter hatte ihm so berichtet, und Sachsens Haltung kennen wir; es wollte
warten bis es wie 1744 Preußen in den Rücken fallen konnte, und was
Frankreich betrifft, so hätte der gelehrte Autor wissen sollen, daß Geheim¬
artikel eine Offensivallianz, zu der nur noch Spanien herangezogen werden
sollte, beabsichtigten, daß auf Grund der Instructionen Stahrembergs, die
das Nähere über eine Offensivallianz enthielten, mit Wissen und Willen
Ludwig XV. verhandelt wurde. Man wollte also Preußen in der bekannten
Weise mit vereinten Kräften demoliren, dabei muß es nun schon bleiben;
dagegen eben erhob sich Friedrich in der Vertheidigung offensiv.

Nach solchen Aeußerungen und Urtheilen ist es selbstverständlich, daß
der Autor findet, die Rechtfertigungsschrift Friedrichs II. (nach feiner Ansicht
habe sie der König selbst binnen wenigen Stunden gefertigt, in Wahrheit
war sie von dem kundigen Herzberg zusammengestellt) sei ein schlechtes Mach¬
werk; nie habe die Macht mit gleich cynischer Lüge und Pedanterie die Sprache
des Rechts geredet. -- Er kommt zu diesem Urtheil, weil er gestützt auf
Vitzthums, des bekannten Preußenfressers, Darlegung in seinen "Geheimnissen
des sächsischen Cabinets", die A. Schäfer indessen schon als leichtsinnig, unge¬
nau, einseitig in ihrem archivalischen Theil gekennzeichnet hat, blindlings folgt,
immer wieder Verabredungen, Instruktionen der Gesandte als unwichtig
zurückweist, kurz nach Möglichkeit auf den Haß speculirt, welcher bei dem


forderten den Anschluß an Oestreich. Welche Garantien gab denn Oest¬
reich. Daß es auf jeden Fall auch späterhin mit Frankreich gehen werde,
nachdem es seinen Preis erhalten hatte? Und weiter: in welchem Lichte
erscheint Broglie MNvr, wenn er mit billigem Hohn sagt, Friedrich habe,
obschon die Versailler Allianz nur defensiv war, von einer Offenfivallianz
gesprochen, (die pedantischen Deutschen haben Blut geschwitzt, sie in den
Archiven zu finden); in Petersburg aber gab es nur einen vaguen Wunsch,
sich in die Angelegenheiten des Westens zu mischen, in Sachsen Furcht und
Hoffnungslosigkeit, nur Maria Theresia hatte einen ähnlichen Wunsch. Wenn
aus Grund dieser Momente Friedrichs Angriff gerechtfertigt sei, nichts könne
den cynischen Mißbrauch der Gewalt, den unverschämten Betrug rechtfertigen.
Denn Sachsen hatte nach unserm famosen Autor ja nicht gerüstet, hatte
keine Pourparlers mit den Mächten des Versailler Vertrags gehalten, Preu¬
ßen konnte von Schlesien einbrechen!

In der That kaum glaublich ist es, mit solchen Lächerlichkeiten kundige
Menschen belehren zu wollen.

Das Petersburger Bündniß mit seinem geheimen Artikel, die Theilungs¬
pläne die Rußland mit Oestreich colportirte, sind notorisch, ebenso, daß Ru߬
land mit Oestreich einig war, 1757 loszuschlagen. Wenn Friedrich eine schon
abgeschlossene Allianz voraussetzte, so irrte er freilich, aber der Großherzog
Peter hatte ihm so berichtet, und Sachsens Haltung kennen wir; es wollte
warten bis es wie 1744 Preußen in den Rücken fallen konnte, und was
Frankreich betrifft, so hätte der gelehrte Autor wissen sollen, daß Geheim¬
artikel eine Offensivallianz, zu der nur noch Spanien herangezogen werden
sollte, beabsichtigten, daß auf Grund der Instructionen Stahrembergs, die
das Nähere über eine Offensivallianz enthielten, mit Wissen und Willen
Ludwig XV. verhandelt wurde. Man wollte also Preußen in der bekannten
Weise mit vereinten Kräften demoliren, dabei muß es nun schon bleiben;
dagegen eben erhob sich Friedrich in der Vertheidigung offensiv.

Nach solchen Aeußerungen und Urtheilen ist es selbstverständlich, daß
der Autor findet, die Rechtfertigungsschrift Friedrichs II. (nach feiner Ansicht
habe sie der König selbst binnen wenigen Stunden gefertigt, in Wahrheit
war sie von dem kundigen Herzberg zusammengestellt) sei ein schlechtes Mach¬
werk; nie habe die Macht mit gleich cynischer Lüge und Pedanterie die Sprache
des Rechts geredet. — Er kommt zu diesem Urtheil, weil er gestützt auf
Vitzthums, des bekannten Preußenfressers, Darlegung in seinen „Geheimnissen
des sächsischen Cabinets", die A. Schäfer indessen schon als leichtsinnig, unge¬
nau, einseitig in ihrem archivalischen Theil gekennzeichnet hat, blindlings folgt,
immer wieder Verabredungen, Instruktionen der Gesandte als unwichtig
zurückweist, kurz nach Möglichkeit auf den Haß speculirt, welcher bei dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/241>, abgerufen am 28.07.2024.