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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Felddienst vielleicht erhalten. Das ist Sache des Staats und großer Stif¬
tungen. Den reichen Privatleuten aber soll hiermit angedeutet werden, daß
es anständig sein wird, wenn sie als Actionäre von Eisenbahnen und als
Menschen für eine anständige Extravc-rgütigung dieser Klasse sorgen. Wer
aber als Privatmann in diesem Jahre auf deutschen Eisenbahnen fährt und
einige Thaler in seiner Tasche bewahrt, der soll seinen guten Willen zeigen,
wo er Gelegenheit findet. Baar Geld ist besser als die sogenannten Steh¬
seidel wegen des möglichen Umwerfens.

Noch niemals ist eine so große Menschenmenge als Armee auf Eisen¬
bahnen fortgeschafft worden, es ist eine Leistung, welche in der Geschichte der
Eisenbahnen für immer als Merkwürdigkeit gelten wird. In 10 Tagen ein
Heer von einer halben Million Krieger mit allem Gepäck, Pferden, Geschützen.
Train, Proviant 60 bis 100 deutsche Meilen. Daß einige Male leider doch ein
Zusammenstoß stattfand, das ist die Schuld dieser nichtswürdigen eingleisigen
Bahnen. Keine Regierung und kein Reichstag sollte jemals eine Geneh>
migung für Erbauung solcher teuflischen Einhutscher geben. Sie sind auch
in Friedenszeiten für den Bürger eine unablässige Gefahr, die reine Fabrik
von Meuchelmörder. --

Meine strategische Meinung möchte ich dahin abgeben, daß wir im Felde
keinen Schritt vorwärts thun werden, den wir wegen unfertiger Rüstung
zurückmachen müssen. Keine unnütze Plempage und vorzeitiges Losspringen,
Lieber dem Feinde im Anfang seinen Vortheil gelassen ohne Kampf, als einen
voreiligen Kampf ohne Aussicht auf dauernden Erfolg.

Einer meiner ältesten Kunden sprach in Berlin mit einem dortigen
Staatsmann. "Wie geht's mit der Gesundheit?" fragte mein Kunde. ""Ich
war niemals wohler"", versetzte dieser Staatsmann lustig und er sah so
frisch und jung aus, wie ein Student vor dem Commers. ""Mein Leiden
ist mit dem Kriege geschwunden"", sagte er, ""der kleine Aerger mit den
Factionen hat mich krank gemacht, jetzt bin ich in der Arbeit, die mir zusagt.
Aber glauben Sie mir"", fuhr er fort, ""wir sind von Spionen umgeben,
die Intriguen gehen bis hoch hinauf u. f. w. -- ich habe Fäden in der
Hand u. s. w. -- viel machen die Damen u. s. w."" Diese Bemerkung un¬
seres Politikers kann ich aus eigener privater Erfahrung bestätigen. Ich
war in diesen Tagen in einer Deputation bei einem unserer Landesherren.
Im Vorzimmer traf ich auf einen Höfling, welcher die Dreistigkeit hatte,
über diesen Krieg in einer solchen welfischen achselzuckenden Weise zu reden,
daß ich nur schwer der Versuchung widerstand, dem Sprecher meine Glace¬
handschuhe mit der darin befindlichen Faust gegen seinen Magen zu schleu¬
dern und ihn in dem fürstlichen Vorzimmer Kobolz hinzulegen. Wenn einer,
der die unverdiente Ehre hat. ein Deutscher zu heißen, solchen sündlichen


Felddienst vielleicht erhalten. Das ist Sache des Staats und großer Stif¬
tungen. Den reichen Privatleuten aber soll hiermit angedeutet werden, daß
es anständig sein wird, wenn sie als Actionäre von Eisenbahnen und als
Menschen für eine anständige Extravc-rgütigung dieser Klasse sorgen. Wer
aber als Privatmann in diesem Jahre auf deutschen Eisenbahnen fährt und
einige Thaler in seiner Tasche bewahrt, der soll seinen guten Willen zeigen,
wo er Gelegenheit findet. Baar Geld ist besser als die sogenannten Steh¬
seidel wegen des möglichen Umwerfens.

Noch niemals ist eine so große Menschenmenge als Armee auf Eisen¬
bahnen fortgeschafft worden, es ist eine Leistung, welche in der Geschichte der
Eisenbahnen für immer als Merkwürdigkeit gelten wird. In 10 Tagen ein
Heer von einer halben Million Krieger mit allem Gepäck, Pferden, Geschützen.
Train, Proviant 60 bis 100 deutsche Meilen. Daß einige Male leider doch ein
Zusammenstoß stattfand, das ist die Schuld dieser nichtswürdigen eingleisigen
Bahnen. Keine Regierung und kein Reichstag sollte jemals eine Geneh>
migung für Erbauung solcher teuflischen Einhutscher geben. Sie sind auch
in Friedenszeiten für den Bürger eine unablässige Gefahr, die reine Fabrik
von Meuchelmörder. —

Meine strategische Meinung möchte ich dahin abgeben, daß wir im Felde
keinen Schritt vorwärts thun werden, den wir wegen unfertiger Rüstung
zurückmachen müssen. Keine unnütze Plempage und vorzeitiges Losspringen,
Lieber dem Feinde im Anfang seinen Vortheil gelassen ohne Kampf, als einen
voreiligen Kampf ohne Aussicht auf dauernden Erfolg.

Einer meiner ältesten Kunden sprach in Berlin mit einem dortigen
Staatsmann. „Wie geht's mit der Gesundheit?" fragte mein Kunde. „„Ich
war niemals wohler"", versetzte dieser Staatsmann lustig und er sah so
frisch und jung aus, wie ein Student vor dem Commers. „„Mein Leiden
ist mit dem Kriege geschwunden"", sagte er, „„der kleine Aerger mit den
Factionen hat mich krank gemacht, jetzt bin ich in der Arbeit, die mir zusagt.
Aber glauben Sie mir"", fuhr er fort, „„wir sind von Spionen umgeben,
die Intriguen gehen bis hoch hinauf u. f. w. — ich habe Fäden in der
Hand u. s. w. — viel machen die Damen u. s. w."" Diese Bemerkung un¬
seres Politikers kann ich aus eigener privater Erfahrung bestätigen. Ich
war in diesen Tagen in einer Deputation bei einem unserer Landesherren.
Im Vorzimmer traf ich auf einen Höfling, welcher die Dreistigkeit hatte,
über diesen Krieg in einer solchen welfischen achselzuckenden Weise zu reden,
daß ich nur schwer der Versuchung widerstand, dem Sprecher meine Glace¬
handschuhe mit der darin befindlichen Faust gegen seinen Magen zu schleu¬
dern und ihn in dem fürstlichen Vorzimmer Kobolz hinzulegen. Wenn einer,
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[0232] Felddienst vielleicht erhalten. Das ist Sache des Staats und großer Stif¬ tungen. Den reichen Privatleuten aber soll hiermit angedeutet werden, daß es anständig sein wird, wenn sie als Actionäre von Eisenbahnen und als Menschen für eine anständige Extravc-rgütigung dieser Klasse sorgen. Wer aber als Privatmann in diesem Jahre auf deutschen Eisenbahnen fährt und einige Thaler in seiner Tasche bewahrt, der soll seinen guten Willen zeigen, wo er Gelegenheit findet. Baar Geld ist besser als die sogenannten Steh¬ seidel wegen des möglichen Umwerfens. Noch niemals ist eine so große Menschenmenge als Armee auf Eisen¬ bahnen fortgeschafft worden, es ist eine Leistung, welche in der Geschichte der Eisenbahnen für immer als Merkwürdigkeit gelten wird. In 10 Tagen ein Heer von einer halben Million Krieger mit allem Gepäck, Pferden, Geschützen. Train, Proviant 60 bis 100 deutsche Meilen. Daß einige Male leider doch ein Zusammenstoß stattfand, das ist die Schuld dieser nichtswürdigen eingleisigen Bahnen. Keine Regierung und kein Reichstag sollte jemals eine Geneh> migung für Erbauung solcher teuflischen Einhutscher geben. Sie sind auch in Friedenszeiten für den Bürger eine unablässige Gefahr, die reine Fabrik von Meuchelmörder. — Meine strategische Meinung möchte ich dahin abgeben, daß wir im Felde keinen Schritt vorwärts thun werden, den wir wegen unfertiger Rüstung zurückmachen müssen. Keine unnütze Plempage und vorzeitiges Losspringen, Lieber dem Feinde im Anfang seinen Vortheil gelassen ohne Kampf, als einen voreiligen Kampf ohne Aussicht auf dauernden Erfolg. Einer meiner ältesten Kunden sprach in Berlin mit einem dortigen Staatsmann. „Wie geht's mit der Gesundheit?" fragte mein Kunde. „„Ich war niemals wohler"", versetzte dieser Staatsmann lustig und er sah so frisch und jung aus, wie ein Student vor dem Commers. „„Mein Leiden ist mit dem Kriege geschwunden"", sagte er, „„der kleine Aerger mit den Factionen hat mich krank gemacht, jetzt bin ich in der Arbeit, die mir zusagt. Aber glauben Sie mir"", fuhr er fort, „„wir sind von Spionen umgeben, die Intriguen gehen bis hoch hinauf u. f. w. — ich habe Fäden in der Hand u. s. w. — viel machen die Damen u. s. w."" Diese Bemerkung un¬ seres Politikers kann ich aus eigener privater Erfahrung bestätigen. Ich war in diesen Tagen in einer Deputation bei einem unserer Landesherren. Im Vorzimmer traf ich auf einen Höfling, welcher die Dreistigkeit hatte, über diesen Krieg in einer solchen welfischen achselzuckenden Weise zu reden, daß ich nur schwer der Versuchung widerstand, dem Sprecher meine Glace¬ handschuhe mit der darin befindlichen Faust gegen seinen Magen zu schleu¬ dern und ihn in dem fürstlichen Vorzimmer Kobolz hinzulegen. Wenn einer, der die unverdiente Ehre hat. ein Deutscher zu heißen, solchen sündlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/232>, abgerufen am 28.07.2024.