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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Rede frei war von der geflissentlich particularistischen Färbung, welche der
Kriegsminister Freiherr v. Pranckh bei seiner Darlegung für die bayrische
Kammer für zweckmätzig erachtet hatte. Andrerseits war es klar, daß die
würtenbergische Kammer jetzt allerdings in einer Zwangslage sich befand.
Wenn Bayern sich für den nationalen Krieg entschieden hatte, konnte Wür-
temberg nicht, wie die Großdeutschen wollten, neutral bleiben. Allseitig war
man einverstanden, daß keine Zeit mehr zu Reden, und die Creditforderung
so rasch als möglich zu erledigen sei. Doch konnten sich 38 demokratische
und ultramontane Abgeordnete nicht enthalten, ihre Abstimmung vom 22. Juli
mit einer Erklärung zu begleiten, worin sie das Werk von 1866 als die Ur¬
sache dieses Kriegs bezeichneten -- als ob ein Mensch daran zweifelte und
als ob nicht darin eben das größte Compliment für das "Werk von 1866"
läge -- und ihr Votum einzig durch die bedrohte Integrität des deutschen
Landes motivirt wurde. Die erste Kammer trat dem Beschluß gleichfalls
einstimmig bei. Noch am selben Abend wurden die Stände wieder vertagt.

Ob die Stimmung, welche jetzt unzweifelhaft im Lande dominirt, nicht
ein leicht aufflackerndes Feuer, sondern eine nachhaltige Flamme ist, muß sich
erst noch zeigen. Es wäre gewagt, schon jetzt zu behaupten, daß die Bevöl¬
kerung sich gründlich von einer Partei abgewendet habe, deren Agitation ohne
Zweifel mit zu den Berechnungen der Pariser Kriegspartei gehört hat. Am
ehesten ist zu hoffen, daß unter den Soldaten, die nun mit ihren Waffen¬
brüdern im Felde stehen, die Spuren einer verbrecherischen Beeinflussung
verschwinden, die sie zum Theil aus den Landbezirken mitbiachten. Na¬
mentlich bei Denen, die aus katholischen Bezirken kamen, wollte man An¬
zeichen einer künstlichen Verhetzung bemerken. Doch waren dies Ausnahmen.
Im Ganzen wurde der Geist der Einberufenen als gut und patriotisch ge-
schildert. Die Stimmung der Offiziere läßt nichts zu wünschen übrig. Sie
brennen vor Begierde, sich des nationalen Krieges würdig zu erweisen.

Unsere neuen Heereseinrichtungen haben sich schon im Stadium der
Vorbereitung verheißungsvoll bewährt. Die Mobilmachung ging nach einem vom
frühern Kriegsminister, Freds. v. Wagner, nach preußischem Vorbild entwor¬
fenen Plan rasch und ohne Störung vor sich. Und die Ruhe und Präcision,
mit welcher in kürzester Frist die,<,von seinem Nachfolger, dem General v.
Suckow, getroffenen Maßregeln ausgeführt wurden, fast ohne daß das Pu-
blicum ihrer gewahr wurde, stach gegen die Kopflosigkeit und allgemeine
Verwirrung des Jahres 1866 aus's Vortheihafteste ab. Und so begleiten
wir denn auch das würtenbergische Contingent des deutschen Heeres mit
unsern heißesten Wünschen. Möge das gemeinsam vergossene Blut zum
festen Kitt werden für alle Zeiten!




Rede frei war von der geflissentlich particularistischen Färbung, welche der
Kriegsminister Freiherr v. Pranckh bei seiner Darlegung für die bayrische
Kammer für zweckmätzig erachtet hatte. Andrerseits war es klar, daß die
würtenbergische Kammer jetzt allerdings in einer Zwangslage sich befand.
Wenn Bayern sich für den nationalen Krieg entschieden hatte, konnte Wür-
temberg nicht, wie die Großdeutschen wollten, neutral bleiben. Allseitig war
man einverstanden, daß keine Zeit mehr zu Reden, und die Creditforderung
so rasch als möglich zu erledigen sei. Doch konnten sich 38 demokratische
und ultramontane Abgeordnete nicht enthalten, ihre Abstimmung vom 22. Juli
mit einer Erklärung zu begleiten, worin sie das Werk von 1866 als die Ur¬
sache dieses Kriegs bezeichneten — als ob ein Mensch daran zweifelte und
als ob nicht darin eben das größte Compliment für das „Werk von 1866"
läge — und ihr Votum einzig durch die bedrohte Integrität des deutschen
Landes motivirt wurde. Die erste Kammer trat dem Beschluß gleichfalls
einstimmig bei. Noch am selben Abend wurden die Stände wieder vertagt.

Ob die Stimmung, welche jetzt unzweifelhaft im Lande dominirt, nicht
ein leicht aufflackerndes Feuer, sondern eine nachhaltige Flamme ist, muß sich
erst noch zeigen. Es wäre gewagt, schon jetzt zu behaupten, daß die Bevöl¬
kerung sich gründlich von einer Partei abgewendet habe, deren Agitation ohne
Zweifel mit zu den Berechnungen der Pariser Kriegspartei gehört hat. Am
ehesten ist zu hoffen, daß unter den Soldaten, die nun mit ihren Waffen¬
brüdern im Felde stehen, die Spuren einer verbrecherischen Beeinflussung
verschwinden, die sie zum Theil aus den Landbezirken mitbiachten. Na¬
mentlich bei Denen, die aus katholischen Bezirken kamen, wollte man An¬
zeichen einer künstlichen Verhetzung bemerken. Doch waren dies Ausnahmen.
Im Ganzen wurde der Geist der Einberufenen als gut und patriotisch ge-
schildert. Die Stimmung der Offiziere läßt nichts zu wünschen übrig. Sie
brennen vor Begierde, sich des nationalen Krieges würdig zu erweisen.

Unsere neuen Heereseinrichtungen haben sich schon im Stadium der
Vorbereitung verheißungsvoll bewährt. Die Mobilmachung ging nach einem vom
frühern Kriegsminister, Freds. v. Wagner, nach preußischem Vorbild entwor¬
fenen Plan rasch und ohne Störung vor sich. Und die Ruhe und Präcision,
mit welcher in kürzester Frist die,<,von seinem Nachfolger, dem General v.
Suckow, getroffenen Maßregeln ausgeführt wurden, fast ohne daß das Pu-
blicum ihrer gewahr wurde, stach gegen die Kopflosigkeit und allgemeine
Verwirrung des Jahres 1866 aus's Vortheihafteste ab. Und so begleiten
wir denn auch das würtenbergische Contingent des deutschen Heeres mit
unsern heißesten Wünschen. Möge das gemeinsam vergossene Blut zum
festen Kitt werden für alle Zeiten!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/173>, abgerufen am 27.07.2024.