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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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scheu Handzeichnung von entsprechender Deutung (Ur. 65 des Baseler
Museums) liegen, vor welcher die Gegner dieser Deutung auch am liebsten
die Augen schließen möchten; nur kann ich hier nicht näher darauf eingehen,
um nicht von Erörterung der Aechtheitssrage in die der Deutungsfrage ab¬
geführt zu werden.'

Ziehe ich nun endlich das Resume. so komme ich, um nicht letzterer
Kleinigkeit ein übertriebenes Gewicht beizulegen, darauf zurück, daß die
Aechtheit keines beider Exemplare als absolut erwiesen, doch von beiden als
überwiegend wahrscheinlich gelten kann. Gegen das Dresdener Exemplar
lassen sich allerdings mehr Verdachtsgründe erheben, als gegen das Darm¬
städter, aber es sprechen auch noch positivere Gründe dafür. Ein durch-
schlagender Grund, die alte Tradition der Aechtheit des Dresdener Bildes
zu verlassen, ist jedenfalls bis jetzt nicht gefunden, und was man dafür aus¬
gegeben hat, ist es nicht. Bei dieser Sachlage aber kann meines Erachtens
sich der Freund des Dresdener Bildes wohl beruhigen und weiter wüßte ich
die Vertheidigung desselben nicht zu treiben. Denn von einer vollen Sicher¬
heit ist in der ganzen Frage überhaupt nicht zu sprechen; dazu ist sie viel zu
sehr durch Unklarheiten und Widersprüche in den historischen Daten und den
Urtheilen der Kenner verwickelt. Und was thut's zuletzt, wenn noch ein Rest
von Zweifel nach beiden Seiten übrig bleibt? Er wird nur beitragen können,
das Interesse an der vergleichenden Betrachtung beider Bilder fortgehend
wach zu erhalten und durch Anregung immer neuer Discussionen und For¬
schungen das Kunstleben selbst zu fördern.


Fechner.


GcvölKerunZS^Fragen.

Die Frage, ob eine rasche und starke Zunahme der Bevölkerung im All¬
gemeinen wünschenswerth sei, ist zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden be¬
antwortet worden. Im vorigen Jahrhundert herrschte die Bejahung vor,
in diesem eher die Verneinung. Allerdings waren die Schriftsteller, welche
jene hauptsächlich vertraten, Deutsche: Süßmilch in Berlin, dessen Buch von
der "göttlichen Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts"
zwei Jahre nach der Thronbesteigung Friedrichs des Großen (1742) erschien;
und Sonnenfels in Wien, der zwei Jahre nach der Beendigung des sieben¬
jährigen Krieges (1765) seine "Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanz-
Wissenschaft" veröffentlichte, in denen die Lehre von dem Segen starker Volks-


scheu Handzeichnung von entsprechender Deutung (Ur. 65 des Baseler
Museums) liegen, vor welcher die Gegner dieser Deutung auch am liebsten
die Augen schließen möchten; nur kann ich hier nicht näher darauf eingehen,
um nicht von Erörterung der Aechtheitssrage in die der Deutungsfrage ab¬
geführt zu werden.'

Ziehe ich nun endlich das Resume. so komme ich, um nicht letzterer
Kleinigkeit ein übertriebenes Gewicht beizulegen, darauf zurück, daß die
Aechtheit keines beider Exemplare als absolut erwiesen, doch von beiden als
überwiegend wahrscheinlich gelten kann. Gegen das Dresdener Exemplar
lassen sich allerdings mehr Verdachtsgründe erheben, als gegen das Darm¬
städter, aber es sprechen auch noch positivere Gründe dafür. Ein durch-
schlagender Grund, die alte Tradition der Aechtheit des Dresdener Bildes
zu verlassen, ist jedenfalls bis jetzt nicht gefunden, und was man dafür aus¬
gegeben hat, ist es nicht. Bei dieser Sachlage aber kann meines Erachtens
sich der Freund des Dresdener Bildes wohl beruhigen und weiter wüßte ich
die Vertheidigung desselben nicht zu treiben. Denn von einer vollen Sicher¬
heit ist in der ganzen Frage überhaupt nicht zu sprechen; dazu ist sie viel zu
sehr durch Unklarheiten und Widersprüche in den historischen Daten und den
Urtheilen der Kenner verwickelt. Und was thut's zuletzt, wenn noch ein Rest
von Zweifel nach beiden Seiten übrig bleibt? Er wird nur beitragen können,
das Interesse an der vergleichenden Betrachtung beider Bilder fortgehend
wach zu erhalten und durch Anregung immer neuer Discussionen und For¬
schungen das Kunstleben selbst zu fördern.


Fechner.


GcvölKerunZS^Fragen.

Die Frage, ob eine rasche und starke Zunahme der Bevölkerung im All¬
gemeinen wünschenswerth sei, ist zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden be¬
antwortet worden. Im vorigen Jahrhundert herrschte die Bejahung vor,
in diesem eher die Verneinung. Allerdings waren die Schriftsteller, welche
jene hauptsächlich vertraten, Deutsche: Süßmilch in Berlin, dessen Buch von
der „göttlichen Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts"
zwei Jahre nach der Thronbesteigung Friedrichs des Großen (1742) erschien;
und Sonnenfels in Wien, der zwei Jahre nach der Beendigung des sieben¬
jährigen Krieges (1765) seine „Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanz-
Wissenschaft" veröffentlichte, in denen die Lehre von dem Segen starker Volks-


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[0064] scheu Handzeichnung von entsprechender Deutung (Ur. 65 des Baseler Museums) liegen, vor welcher die Gegner dieser Deutung auch am liebsten die Augen schließen möchten; nur kann ich hier nicht näher darauf eingehen, um nicht von Erörterung der Aechtheitssrage in die der Deutungsfrage ab¬ geführt zu werden.' Ziehe ich nun endlich das Resume. so komme ich, um nicht letzterer Kleinigkeit ein übertriebenes Gewicht beizulegen, darauf zurück, daß die Aechtheit keines beider Exemplare als absolut erwiesen, doch von beiden als überwiegend wahrscheinlich gelten kann. Gegen das Dresdener Exemplar lassen sich allerdings mehr Verdachtsgründe erheben, als gegen das Darm¬ städter, aber es sprechen auch noch positivere Gründe dafür. Ein durch- schlagender Grund, die alte Tradition der Aechtheit des Dresdener Bildes zu verlassen, ist jedenfalls bis jetzt nicht gefunden, und was man dafür aus¬ gegeben hat, ist es nicht. Bei dieser Sachlage aber kann meines Erachtens sich der Freund des Dresdener Bildes wohl beruhigen und weiter wüßte ich die Vertheidigung desselben nicht zu treiben. Denn von einer vollen Sicher¬ heit ist in der ganzen Frage überhaupt nicht zu sprechen; dazu ist sie viel zu sehr durch Unklarheiten und Widersprüche in den historischen Daten und den Urtheilen der Kenner verwickelt. Und was thut's zuletzt, wenn noch ein Rest von Zweifel nach beiden Seiten übrig bleibt? Er wird nur beitragen können, das Interesse an der vergleichenden Betrachtung beider Bilder fortgehend wach zu erhalten und durch Anregung immer neuer Discussionen und For¬ schungen das Kunstleben selbst zu fördern. Fechner. GcvölKerunZS^Fragen. Die Frage, ob eine rasche und starke Zunahme der Bevölkerung im All¬ gemeinen wünschenswerth sei, ist zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden be¬ antwortet worden. Im vorigen Jahrhundert herrschte die Bejahung vor, in diesem eher die Verneinung. Allerdings waren die Schriftsteller, welche jene hauptsächlich vertraten, Deutsche: Süßmilch in Berlin, dessen Buch von der „göttlichen Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts" zwei Jahre nach der Thronbesteigung Friedrichs des Großen (1742) erschien; und Sonnenfels in Wien, der zwei Jahre nach der Beendigung des sieben¬ jährigen Krieges (1765) seine „Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanz- Wissenschaft" veröffentlichte, in denen die Lehre von dem Segen starker Volks-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/64>, abgerufen am 27.07.2024.