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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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auf die Mehrzahl der sogenannten Holbein'schen Bilder überhaupt, sodaß schon
aus diesem Grunde zweideutig wird, was überall als ächt Holbein'sche Mal-
weise anzusehen sei. Zweitens ist Holbein. der überhaupt ein sehr versatiler
Künstler war. sich im Fortschritte der Zeit in seiner Malweise nicht gleich
geblieben, sodaß man aus der Nichtübereinstimmung eines Bildes in dieser
Hinsicht mit diesem oder jenem ächten Bilde Holbeins nicht ohne Weiteres
auf seine Unächtheit schließen kann; es gälte auf die Zeitepoche der Entstehung
Rücksicht zu nehmen; aber von weitaus den meisten Holbein'schen Bildern, die
unseren mit eingeschlossen, ist die Zeit der Entstehung nicht genau zu bestim¬
men, und die Untersuchung, wie und in welchen Grenzen die Holbein'sche
Malweise überhaupt variirt hat. bisher weder erschöpft noch präeisirt. Endlich
fügt der alte gelbe Firnißüberzug, mit dem das Darmstädter Bild noch
behaftet ist. und den es unstreitig mit vielen anderen Holbein'schen Bildern
theilt, während wieder andere davon befreit sind, zu diesen Schwierigkeiten
der Beurtheilung eine neue nicht unerhebliche hinzu, denn der Eindruck des
Colorits wird wesentlich dadurch verändert. Es haben daher zwar alle Kenner,
die sich ernsthaft mit unserer Frage beschäftigt haben. auch Schlüsse auf die
Malweise der beiden Bilder zu gründen gesucht, ja die meisten sich vorzugs¬
weise darauf gestützt; aber, man muß es leider sagen, es finden so haar¬
sträubende Widersprüche zwischen ihren Urtheilen in dieser Hinsicht, und zwar
selbst bei Kennern gleichen Ranges statt. daß ich kein anderes sicheres Resultat
als das der großen Unsicherheit dieses Kriteriums überhaupt daraus zu ziehen
vermöchte. Eine gründlich durchgeführte vergleichende Betrachtung der Mal¬
weise beider Bilder mit anderen Holbein'schen Werken, welche den vorigen
Schwierigkeiten und Gründen der Unsicherheit Rechnung trüge, liegt überhaupt
noch gar nicht vor. sondern nur rhapsodische Vergleiche und mehr oder weniger
unbestimmte, wenn schon bestimmt genug ausgesprochene Apercus, die mit
einander streiten. Hoffentlich wird die künftige Confrontation beider Bilder,
da sie mit einer Zusammenstellung möglichst vieler anderer Holbein'scher
Arbeiten verbunden werden soll, auch in dieser Hinsicht zu etwas sichrer"
Ergebnissen führen; hier aber muß ich darauf verzichten, auf das Kriterium der
Malweise näher einzugehen, um nicht durch eine unfruchtbare Discussion wider¬
spruchsvoller Ansichten resultatlos ins Weite geführt zu werden. Es giebt
aber noch andere Kriterien, die wir in Betracht ziehen können, und fassen
wir zunächst die ins Auge, welche für die von vornherein gar nicht selbst¬
verständliche Aechtheit des Darmstädter Exemplares sprechen, wobei ich nur
kurz bemerken will, daß allerdings die Mehrzahl der Kennerstimmen sich dahin
vereinigt hat. die Holbein'sche Malweise im Darmstädter Bilde wiederzu¬
finden - ja manche sehen sogar darin ein vorzugsweise charakteristisches
Exempel der Holbein'schen Malweise; -- d"ß aber auch dies Urtheil nicht


auf die Mehrzahl der sogenannten Holbein'schen Bilder überhaupt, sodaß schon
aus diesem Grunde zweideutig wird, was überall als ächt Holbein'sche Mal-
weise anzusehen sei. Zweitens ist Holbein. der überhaupt ein sehr versatiler
Künstler war. sich im Fortschritte der Zeit in seiner Malweise nicht gleich
geblieben, sodaß man aus der Nichtübereinstimmung eines Bildes in dieser
Hinsicht mit diesem oder jenem ächten Bilde Holbeins nicht ohne Weiteres
auf seine Unächtheit schließen kann; es gälte auf die Zeitepoche der Entstehung
Rücksicht zu nehmen; aber von weitaus den meisten Holbein'schen Bildern, die
unseren mit eingeschlossen, ist die Zeit der Entstehung nicht genau zu bestim¬
men, und die Untersuchung, wie und in welchen Grenzen die Holbein'sche
Malweise überhaupt variirt hat. bisher weder erschöpft noch präeisirt. Endlich
fügt der alte gelbe Firnißüberzug, mit dem das Darmstädter Bild noch
behaftet ist. und den es unstreitig mit vielen anderen Holbein'schen Bildern
theilt, während wieder andere davon befreit sind, zu diesen Schwierigkeiten
der Beurtheilung eine neue nicht unerhebliche hinzu, denn der Eindruck des
Colorits wird wesentlich dadurch verändert. Es haben daher zwar alle Kenner,
die sich ernsthaft mit unserer Frage beschäftigt haben. auch Schlüsse auf die
Malweise der beiden Bilder zu gründen gesucht, ja die meisten sich vorzugs¬
weise darauf gestützt; aber, man muß es leider sagen, es finden so haar¬
sträubende Widersprüche zwischen ihren Urtheilen in dieser Hinsicht, und zwar
selbst bei Kennern gleichen Ranges statt. daß ich kein anderes sicheres Resultat
als das der großen Unsicherheit dieses Kriteriums überhaupt daraus zu ziehen
vermöchte. Eine gründlich durchgeführte vergleichende Betrachtung der Mal¬
weise beider Bilder mit anderen Holbein'schen Werken, welche den vorigen
Schwierigkeiten und Gründen der Unsicherheit Rechnung trüge, liegt überhaupt
noch gar nicht vor. sondern nur rhapsodische Vergleiche und mehr oder weniger
unbestimmte, wenn schon bestimmt genug ausgesprochene Apercus, die mit
einander streiten. Hoffentlich wird die künftige Confrontation beider Bilder,
da sie mit einer Zusammenstellung möglichst vieler anderer Holbein'scher
Arbeiten verbunden werden soll, auch in dieser Hinsicht zu etwas sichrer«
Ergebnissen führen; hier aber muß ich darauf verzichten, auf das Kriterium der
Malweise näher einzugehen, um nicht durch eine unfruchtbare Discussion wider¬
spruchsvoller Ansichten resultatlos ins Weite geführt zu werden. Es giebt
aber noch andere Kriterien, die wir in Betracht ziehen können, und fassen
wir zunächst die ins Auge, welche für die von vornherein gar nicht selbst¬
verständliche Aechtheit des Darmstädter Exemplares sprechen, wobei ich nur
kurz bemerken will, daß allerdings die Mehrzahl der Kennerstimmen sich dahin
vereinigt hat. die Holbein'sche Malweise im Darmstädter Bilde wiederzu¬
finden - ja manche sehen sogar darin ein vorzugsweise charakteristisches
Exempel der Holbein'schen Malweise; — d«ß aber auch dies Urtheil nicht


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[0053] auf die Mehrzahl der sogenannten Holbein'schen Bilder überhaupt, sodaß schon aus diesem Grunde zweideutig wird, was überall als ächt Holbein'sche Mal- weise anzusehen sei. Zweitens ist Holbein. der überhaupt ein sehr versatiler Künstler war. sich im Fortschritte der Zeit in seiner Malweise nicht gleich geblieben, sodaß man aus der Nichtübereinstimmung eines Bildes in dieser Hinsicht mit diesem oder jenem ächten Bilde Holbeins nicht ohne Weiteres auf seine Unächtheit schließen kann; es gälte auf die Zeitepoche der Entstehung Rücksicht zu nehmen; aber von weitaus den meisten Holbein'schen Bildern, die unseren mit eingeschlossen, ist die Zeit der Entstehung nicht genau zu bestim¬ men, und die Untersuchung, wie und in welchen Grenzen die Holbein'sche Malweise überhaupt variirt hat. bisher weder erschöpft noch präeisirt. Endlich fügt der alte gelbe Firnißüberzug, mit dem das Darmstädter Bild noch behaftet ist. und den es unstreitig mit vielen anderen Holbein'schen Bildern theilt, während wieder andere davon befreit sind, zu diesen Schwierigkeiten der Beurtheilung eine neue nicht unerhebliche hinzu, denn der Eindruck des Colorits wird wesentlich dadurch verändert. Es haben daher zwar alle Kenner, die sich ernsthaft mit unserer Frage beschäftigt haben. auch Schlüsse auf die Malweise der beiden Bilder zu gründen gesucht, ja die meisten sich vorzugs¬ weise darauf gestützt; aber, man muß es leider sagen, es finden so haar¬ sträubende Widersprüche zwischen ihren Urtheilen in dieser Hinsicht, und zwar selbst bei Kennern gleichen Ranges statt. daß ich kein anderes sicheres Resultat als das der großen Unsicherheit dieses Kriteriums überhaupt daraus zu ziehen vermöchte. Eine gründlich durchgeführte vergleichende Betrachtung der Mal¬ weise beider Bilder mit anderen Holbein'schen Werken, welche den vorigen Schwierigkeiten und Gründen der Unsicherheit Rechnung trüge, liegt überhaupt noch gar nicht vor. sondern nur rhapsodische Vergleiche und mehr oder weniger unbestimmte, wenn schon bestimmt genug ausgesprochene Apercus, die mit einander streiten. Hoffentlich wird die künftige Confrontation beider Bilder, da sie mit einer Zusammenstellung möglichst vieler anderer Holbein'scher Arbeiten verbunden werden soll, auch in dieser Hinsicht zu etwas sichrer« Ergebnissen führen; hier aber muß ich darauf verzichten, auf das Kriterium der Malweise näher einzugehen, um nicht durch eine unfruchtbare Discussion wider¬ spruchsvoller Ansichten resultatlos ins Weite geführt zu werden. Es giebt aber noch andere Kriterien, die wir in Betracht ziehen können, und fassen wir zunächst die ins Auge, welche für die von vornherein gar nicht selbst¬ verständliche Aechtheit des Darmstädter Exemplares sprechen, wobei ich nur kurz bemerken will, daß allerdings die Mehrzahl der Kennerstimmen sich dahin vereinigt hat. die Holbein'sche Malweise im Darmstädter Bilde wiederzu¬ finden - ja manche sehen sogar darin ein vorzugsweise charakteristisches Exempel der Holbein'schen Malweise; — d«ß aber auch dies Urtheil nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/53>, abgerufen am 01.09.2024.