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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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würtenbergische Truppe nach dem Stammschloß des preußischen Königshauses
unternahm. Es war noch der alte Bundestag, der damals der würtenbergi¬
sche" Regierung den Auftrag zu dieser heute fast verschollenen Erpedition
gab. Aber Herr v. Varnbüler selbst, der mit seinem pas viotis dem lehr¬
reichen Citatenschatz des Herrn Büchmann nicht hat entgehen können und so
durch das kühne Wort eines dauernden Ehrenplatzes an der Seite von Goethe
und Schiller, von Friedrich dem Großen und Otto v. Bismarck theilhaftig
geworden ist, Herr v. Varnbüler selbst -- wer weiß mit welchen Zukunfts¬
gedanken -- hatte durch eine Erinnerung am Bundestag dafür gesorgt, daß
bei dem fröhlichen Treibjagen gegen Preußen die entlegene kleine Provinz,
welche so unmotivirt zwischen das würtenbergische Gebiet sich hineinverirrt
hat. nicht vergessen würde. Die Existenz dieser preußisch-schwäbischen Enclave
ist auch wirklich, wie gar nicht zu leugnen, eine höchst unbequeme und ärger¬
liche Thatsache, nicht blos für weitblickende Staatsmänner. Sie wirft im
Grund die ganze Theorie der Stammeseigenthümlichkeiten, das ganze Gerede
von der absonderlichen Natur der Schwaben, die zum preußischen Wesen
nicht passe, über den Haufen. Nicht einmal das Schwarzrothgold vermochte
damals Eindruck zu machen, das der Bundestagscommissär Hugo Graf
Leutrum von Ertingen in Gestalt von Schärpen, Fahnen u. s. w. massen¬
haft in das erstaunte Ländchen importirte. Warum ist doch damals kein
Jubel für das dreifarbige Banner des Bundestags laut geworden? Warum
hat doch Niemand von den hohenzollernschen Schwaben Lust verrathen, das
unerträgliche Joch des preußischen Militarismus abzuschütteln und sich in
das von Moritz Mohl besungene Eldorado der würtembergischen Freiheit zu
retten? Warum die allgemeine Freude des Ländchens, als die Würtenberger
sich veranlaßt fühlten, nach dreiwöchentlichem peinlichen Aufenthalt in Eil-
Märschen die schwarzrothen Grenzpfähle wieder zu gewinnen? Der "Beobachter"
ist bis heute die Antwort auf diese Fragen schuldig geblieben.

Als vor zwei Jahren die Eisenbahn aus Würtemberg nach dem Hohen¬
zollernschen eröffnet wurde, gab Herr v. Varnbüler als Minister der Verkehrs¬
anstalten seinen Eisenbahnbeamten die Jnstructton, sie möchten im Verkehr
mit den preußischen Beamten sich höflicher, aber kurzer, rein geschäftlicher
Formen bedienen. Er fürchtete die Wirkungen einer freundschaftlichen Be¬
rührung der Beamten zweier Länder, zwischen denen nun einmal eine chine¬
sische Mauer leider nicht wohl aufzurichten war. Heute stellt die würten¬
bergische Eisenbahnverwaltung in liebenswürdigster Weise einen Extrazug nach
der Stadt Hechingen zur Verfügung, wo schwarzweise und schwarzrothe
Schwaben herzlich fraternisiren und in fröhlichen Trinksprüchen sich ergehen
werden auf die Zukunft der schwarzweißrothen Farben!
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würtenbergische Truppe nach dem Stammschloß des preußischen Königshauses
unternahm. Es war noch der alte Bundestag, der damals der würtenbergi¬
sche» Regierung den Auftrag zu dieser heute fast verschollenen Erpedition
gab. Aber Herr v. Varnbüler selbst, der mit seinem pas viotis dem lehr¬
reichen Citatenschatz des Herrn Büchmann nicht hat entgehen können und so
durch das kühne Wort eines dauernden Ehrenplatzes an der Seite von Goethe
und Schiller, von Friedrich dem Großen und Otto v. Bismarck theilhaftig
geworden ist, Herr v. Varnbüler selbst — wer weiß mit welchen Zukunfts¬
gedanken — hatte durch eine Erinnerung am Bundestag dafür gesorgt, daß
bei dem fröhlichen Treibjagen gegen Preußen die entlegene kleine Provinz,
welche so unmotivirt zwischen das würtenbergische Gebiet sich hineinverirrt
hat. nicht vergessen würde. Die Existenz dieser preußisch-schwäbischen Enclave
ist auch wirklich, wie gar nicht zu leugnen, eine höchst unbequeme und ärger¬
liche Thatsache, nicht blos für weitblickende Staatsmänner. Sie wirft im
Grund die ganze Theorie der Stammeseigenthümlichkeiten, das ganze Gerede
von der absonderlichen Natur der Schwaben, die zum preußischen Wesen
nicht passe, über den Haufen. Nicht einmal das Schwarzrothgold vermochte
damals Eindruck zu machen, das der Bundestagscommissär Hugo Graf
Leutrum von Ertingen in Gestalt von Schärpen, Fahnen u. s. w. massen¬
haft in das erstaunte Ländchen importirte. Warum ist doch damals kein
Jubel für das dreifarbige Banner des Bundestags laut geworden? Warum
hat doch Niemand von den hohenzollernschen Schwaben Lust verrathen, das
unerträgliche Joch des preußischen Militarismus abzuschütteln und sich in
das von Moritz Mohl besungene Eldorado der würtembergischen Freiheit zu
retten? Warum die allgemeine Freude des Ländchens, als die Würtenberger
sich veranlaßt fühlten, nach dreiwöchentlichem peinlichen Aufenthalt in Eil-
Märschen die schwarzrothen Grenzpfähle wieder zu gewinnen? Der „Beobachter"
ist bis heute die Antwort auf diese Fragen schuldig geblieben.

Als vor zwei Jahren die Eisenbahn aus Würtemberg nach dem Hohen¬
zollernschen eröffnet wurde, gab Herr v. Varnbüler als Minister der Verkehrs¬
anstalten seinen Eisenbahnbeamten die Jnstructton, sie möchten im Verkehr
mit den preußischen Beamten sich höflicher, aber kurzer, rein geschäftlicher
Formen bedienen. Er fürchtete die Wirkungen einer freundschaftlichen Be¬
rührung der Beamten zweier Länder, zwischen denen nun einmal eine chine¬
sische Mauer leider nicht wohl aufzurichten war. Heute stellt die würten¬
bergische Eisenbahnverwaltung in liebenswürdigster Weise einen Extrazug nach
der Stadt Hechingen zur Verfügung, wo schwarzweise und schwarzrothe
Schwaben herzlich fraternisiren und in fröhlichen Trinksprüchen sich ergehen
werden auf die Zukunft der schwarzweißrothen Farben!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/514>, abgerufen am 18.12.2024.