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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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die deutsche Partei, die sonst den osftciösen Federn so geläufig war, gänzlich
eingestellt wurde. War es auch immer nur die ängstlich abgesteckte Linie
der Verträge, vor welcher die kampflustigen Journalisten der Regierung sich
aufpflanzten, so erhielt doch durch diesen Feldzug die deutsche Partei Luft;
man durfte hoffen, daß normale Zustände sich wieder bilden würden, welche
der nationalen Partei eine erfolgreichere Theilnahme am öffentlichen Leben
ermöglichten.

Die Wirkungen davon sind jetzt schon zu spüren. Im Grunde ist doch
der Preußenhaß nicht der normale Zustand des schwäbischen Bürgers und
Landmanns. Mag er auch von Natur leicht zu dieser Krankheit disponirt
sein, so hat sie doch nur durch künstliche Bearbeitung und Pflege zur ver¬
heerenden Epidemie sich ausbilden können. Es ließen sich Beispiele anführen,
wie auch inmitten so systematischer durch Stadt und Land organisirter Ver¬
hetzung zuweilen der bessere Kern der Bevölkerung in erfreulichen Aeußerungen
zu Tage kam. So mag z. B. erwähnt werden, daß während der letzten
Fastenzeit, also gerade in jenen Tagen, da die sogenannte Landesagitation
der Radicalen am lärmendsten war, in einem Dorf der schwäbischen Alb von
Bauern ein heiterer Schwank "Die Preußen kommen" zur Aufführung ge¬
langte, dessen ohne Zweifel mäßiger poetischer Werth in diesem Fall durch
die löbliche Tendenz reichlich aufgewogen wurde. Die Scene ist in Tauber¬
bischofsheim. Ein Schulmeister und sein Gevatter, ein Beamter, repräsenttren
die landesübliche Sorte der wüthenden Preußensresserei, hohle Renommage
mit lächerlicher Feigheit. Ein schmucker preußischer Landwehrmann, im
Costüm, erscheint als Cinquartirter, und mit ihm, dem Anfangs gefürchteten
und gehaßten, ziehen edlere Gefühle unter den Kleinstädtern ein, ja es kommt
zur Verlobung des norddeutschen Bräutigams mit der süddeutschen Braut,
als Sinnbild für die zu wünschende Vereinigung von Norden und Süden,
auf welche schließlich bei bengalischer Beleuchtung der glücklichen Gruppe ein
Hoch ausgebracht wird. Schwäbische Bauern waren die Acteurs und das
Stück wurde mit lebhaftem Beifall vor einem Publicum von gerührten schwä¬
bischen Bauern aufgeführt. Bei solchen theatralischen Vergnügungen -- zu
denen es allerdings nicht an Gegenstücken fehlt -- mag man doch billig
zweifeln, ob das schwäbische Gemüth gerade von Natur zum Preußenhaß an¬
gelegt ist. Und in einem so streng centralisirten Lande, wie Würtemberg
es ist, und bei einer Bevölkerung, die wesentlich so conservativ, der väter¬
lichen Leitung der Regierungsorgane so zugänglich ist, sollte es in der That
bei einigem guten Willen gelingen, mit der Zeit den Druck wieder ab-
zustreifen, der allzulange von Seiten des radicalen Wortheldenthums aus¬
geübt und von der Regierung begünstigt worden ist, und damit den Boden


Grenzboten it. 1870. 64

die deutsche Partei, die sonst den osftciösen Federn so geläufig war, gänzlich
eingestellt wurde. War es auch immer nur die ängstlich abgesteckte Linie
der Verträge, vor welcher die kampflustigen Journalisten der Regierung sich
aufpflanzten, so erhielt doch durch diesen Feldzug die deutsche Partei Luft;
man durfte hoffen, daß normale Zustände sich wieder bilden würden, welche
der nationalen Partei eine erfolgreichere Theilnahme am öffentlichen Leben
ermöglichten.

Die Wirkungen davon sind jetzt schon zu spüren. Im Grunde ist doch
der Preußenhaß nicht der normale Zustand des schwäbischen Bürgers und
Landmanns. Mag er auch von Natur leicht zu dieser Krankheit disponirt
sein, so hat sie doch nur durch künstliche Bearbeitung und Pflege zur ver¬
heerenden Epidemie sich ausbilden können. Es ließen sich Beispiele anführen,
wie auch inmitten so systematischer durch Stadt und Land organisirter Ver¬
hetzung zuweilen der bessere Kern der Bevölkerung in erfreulichen Aeußerungen
zu Tage kam. So mag z. B. erwähnt werden, daß während der letzten
Fastenzeit, also gerade in jenen Tagen, da die sogenannte Landesagitation
der Radicalen am lärmendsten war, in einem Dorf der schwäbischen Alb von
Bauern ein heiterer Schwank „Die Preußen kommen" zur Aufführung ge¬
langte, dessen ohne Zweifel mäßiger poetischer Werth in diesem Fall durch
die löbliche Tendenz reichlich aufgewogen wurde. Die Scene ist in Tauber¬
bischofsheim. Ein Schulmeister und sein Gevatter, ein Beamter, repräsenttren
die landesübliche Sorte der wüthenden Preußensresserei, hohle Renommage
mit lächerlicher Feigheit. Ein schmucker preußischer Landwehrmann, im
Costüm, erscheint als Cinquartirter, und mit ihm, dem Anfangs gefürchteten
und gehaßten, ziehen edlere Gefühle unter den Kleinstädtern ein, ja es kommt
zur Verlobung des norddeutschen Bräutigams mit der süddeutschen Braut,
als Sinnbild für die zu wünschende Vereinigung von Norden und Süden,
auf welche schließlich bei bengalischer Beleuchtung der glücklichen Gruppe ein
Hoch ausgebracht wird. Schwäbische Bauern waren die Acteurs und das
Stück wurde mit lebhaftem Beifall vor einem Publicum von gerührten schwä¬
bischen Bauern aufgeführt. Bei solchen theatralischen Vergnügungen — zu
denen es allerdings nicht an Gegenstücken fehlt — mag man doch billig
zweifeln, ob das schwäbische Gemüth gerade von Natur zum Preußenhaß an¬
gelegt ist. Und in einem so streng centralisirten Lande, wie Würtemberg
es ist, und bei einer Bevölkerung, die wesentlich so conservativ, der väter¬
lichen Leitung der Regierungsorgane so zugänglich ist, sollte es in der That
bei einigem guten Willen gelingen, mit der Zeit den Druck wieder ab-
zustreifen, der allzulange von Seiten des radicalen Wortheldenthums aus¬
geübt und von der Regierung begünstigt worden ist, und damit den Boden


Grenzboten it. 1870. 64
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[0511] die deutsche Partei, die sonst den osftciösen Federn so geläufig war, gänzlich eingestellt wurde. War es auch immer nur die ängstlich abgesteckte Linie der Verträge, vor welcher die kampflustigen Journalisten der Regierung sich aufpflanzten, so erhielt doch durch diesen Feldzug die deutsche Partei Luft; man durfte hoffen, daß normale Zustände sich wieder bilden würden, welche der nationalen Partei eine erfolgreichere Theilnahme am öffentlichen Leben ermöglichten. Die Wirkungen davon sind jetzt schon zu spüren. Im Grunde ist doch der Preußenhaß nicht der normale Zustand des schwäbischen Bürgers und Landmanns. Mag er auch von Natur leicht zu dieser Krankheit disponirt sein, so hat sie doch nur durch künstliche Bearbeitung und Pflege zur ver¬ heerenden Epidemie sich ausbilden können. Es ließen sich Beispiele anführen, wie auch inmitten so systematischer durch Stadt und Land organisirter Ver¬ hetzung zuweilen der bessere Kern der Bevölkerung in erfreulichen Aeußerungen zu Tage kam. So mag z. B. erwähnt werden, daß während der letzten Fastenzeit, also gerade in jenen Tagen, da die sogenannte Landesagitation der Radicalen am lärmendsten war, in einem Dorf der schwäbischen Alb von Bauern ein heiterer Schwank „Die Preußen kommen" zur Aufführung ge¬ langte, dessen ohne Zweifel mäßiger poetischer Werth in diesem Fall durch die löbliche Tendenz reichlich aufgewogen wurde. Die Scene ist in Tauber¬ bischofsheim. Ein Schulmeister und sein Gevatter, ein Beamter, repräsenttren die landesübliche Sorte der wüthenden Preußensresserei, hohle Renommage mit lächerlicher Feigheit. Ein schmucker preußischer Landwehrmann, im Costüm, erscheint als Cinquartirter, und mit ihm, dem Anfangs gefürchteten und gehaßten, ziehen edlere Gefühle unter den Kleinstädtern ein, ja es kommt zur Verlobung des norddeutschen Bräutigams mit der süddeutschen Braut, als Sinnbild für die zu wünschende Vereinigung von Norden und Süden, auf welche schließlich bei bengalischer Beleuchtung der glücklichen Gruppe ein Hoch ausgebracht wird. Schwäbische Bauern waren die Acteurs und das Stück wurde mit lebhaftem Beifall vor einem Publicum von gerührten schwä¬ bischen Bauern aufgeführt. Bei solchen theatralischen Vergnügungen — zu denen es allerdings nicht an Gegenstücken fehlt — mag man doch billig zweifeln, ob das schwäbische Gemüth gerade von Natur zum Preußenhaß an¬ gelegt ist. Und in einem so streng centralisirten Lande, wie Würtemberg es ist, und bei einer Bevölkerung, die wesentlich so conservativ, der väter¬ lichen Leitung der Regierungsorgane so zugänglich ist, sollte es in der That bei einigem guten Willen gelingen, mit der Zeit den Druck wieder ab- zustreifen, der allzulange von Seiten des radicalen Wortheldenthums aus¬ geübt und von der Regierung begünstigt worden ist, und damit den Boden Grenzboten it. 1870. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/511>, abgerufen am 27.07.2024.