Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.kundzuthun. Dieser Wachdienst auf vorgeschobenem Posten, mit seinen Sorgen und Gern möchte dies Bl. dem neuen illustrirten Prachtwerk mit vielen Holzschnitten: Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Hervig. -- Druck von Hiithel " Segler in Leipzig. kundzuthun. Dieser Wachdienst auf vorgeschobenem Posten, mit seinen Sorgen und Gern möchte dies Bl. dem neuen illustrirten Prachtwerk mit vielen Holzschnitten: Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hiithel » Segler in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124066"/> <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338"> kundzuthun. Dieser Wachdienst auf vorgeschobenem Posten, mit seinen Sorgen und<lb/> kleinen Abenteuern ist wieder ein eigenthümliches Kriegsbild, fesselnd wie eine<lb/> Novelle. Wer aber die Schrecken eines Wald-Gefechts, die allmälige Zertrümmerung<lb/> eines kantischen Körpers in stundenlangen Kampfe, den Wechsel von Erfolg und<lb/> Niederlage, die Schicksale der einzelnen Trümmer und vieler tapferen Männer, eine<lb/> Fülle von Spannung, furchtbarer Bedrängnis; und tapferem Aushurren in erschüttern¬<lb/> der Folge erkennen will, dem sei das Schicksal des Regiments am 3. Juli em¬<lb/> pfohlen. Es hatte den ersten Angriff auf den Wald, und den ersten Stoß des<lb/> Armeecorps Thun zu ertragen, seine Compagnien wurden zuerst verbraucht, ihre<lb/> Trümmer flogen und lagen im Walde umher, fünf Stunden im Eisenhagel, in den<lb/> gehäuften Schrecken eines Waldgefechts, die Reste hielten doch noch von Feinden<lb/> umringt die letzten Gehöfte von Cistowes, und marschirten vorwärts bis Langenhof.<lb/> Die Füsilire forderte sich der Kronprinz am Abend als Ehrenwache. Der Bericht<lb/> des Verfassers erweist ein ungewöhnliches Talent für deutliche und fesselnde Er¬<lb/> zählung. In den einleitenden Capiteln ist die militärische Loyalität — die wir<lb/> übrigens von Herzen würdigen — für unsern Geschmack etwas zu reichlich mit<lb/> den conventionellen hellen Wasserfarben geschildert, da aber, wo der Ernst der Kriegs¬<lb/> arbeit beginnt, erhebt sich die Darstellung des Verfassers so schön zu männlicher<lb/> Einfachheit und energischem Ausdruck, daß sich das Ganze liest, wie das beste Ge¬<lb/> schichtswerk, es läßt den Leser nicht mehr los, und in seiner Seele klingen alle die<lb/> wechselnden Stimmungen nach, welche Führer und Mannschaft in den Tagen der<lb/> Entscheidung durchlebten. Es ist ein gutes und wirkungsvolles Buch und wir wün¬<lb/> schen dem Verfasser, daß ihm selbst und der Armee die Stellung, welche er dadurch<lb/> in unserer Militärliteratur gewonnen hat, auch fernerhin zum Heile sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1340"> Gern möchte dies Bl. dem neuen illustrirten Prachtwerk mit vielen Holzschnitten:<lb/> Der Deutsche Krieg von 1866. Von Th. Fontane. I. Bd. Berlin. R. v.<lb/> Decker, das gleiche warme Lob zutheilen. Aber das Unternehmen leidet an zwee<lb/> Uebelständen. Es kommt zu spät für die breite Anlage; das neugierige Interesse,<lb/> welches noch vor zwei Jahren sehr groß war, ist jetzt bei dem behaglichen Käufer<lb/> durch andere populäre Werke befriedigt. Dann entspricht die Erzählung nicht völlig<lb/> der Tendenz eines illustrirten Werkes. Zu den leichten Bildchen eines solchen Plans<lb/> gehört auch ein Text, der sorgfältig und reich schildert, fesselndes Detail, Anecdoten,<lb/> spannende Momente einzelner und kleiner tactischer Körper, Stimmung in Landschaft<lb/> und Situationen, das kleine und große Treiben im Heere, Abenteuer, Soldaten¬<lb/> charaktere, Alles recht liebevoll und schmuckvoll darstellt. In solcher Weise ge¬<lb/> schrieben, als eine reiche Sammlung von Kriegsbildern, könnte das Unternehmen<lb/> einen dauernden Werth erhalten und die Bedeutung eines ächten Volksbuchs. Aber<lb/> der Verfasser hat der Versuchung nicht widerstanden, große Kriegsgeschichte zu schreiben<lb/> mit Armeebefehlen, Ordres de Bataille, sogar einer Kritik und Rechtfertigung der<lb/> leitenden Dispositionen. Das war nach dem Erscheinen der Generalstaatswerke und<lb/> vieler Fachschristen doch nicht nöthig. Ost ist allerdings der militärische Bericht durch<lb/> Mittheilung von Brieffragmenten und lebhaftere Beschreibungen der Oertlichkeit<lb/> unterbrochen, aber das Ganze wird dadurch eine Mischung von zwei verschiedenen<lb/> Darstellungsweisen, die keine von beiden zu voller Geltung kommen läßt, und es<lb/> ist viel schönes Papier dazu verwandt. Von den Holzschnitten — die größeren und<lb/> erfindungsreicheren nach K. Burgers Zeichnungen — werden dem Leser die besonders<lb/> willkommen sein, welche Oertlichkeiten, und die, welche Köpfe gebliebener Officiere<lb/> darstellen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.<lb/> Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hiithel » Segler in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
kundzuthun. Dieser Wachdienst auf vorgeschobenem Posten, mit seinen Sorgen und
kleinen Abenteuern ist wieder ein eigenthümliches Kriegsbild, fesselnd wie eine
Novelle. Wer aber die Schrecken eines Wald-Gefechts, die allmälige Zertrümmerung
eines kantischen Körpers in stundenlangen Kampfe, den Wechsel von Erfolg und
Niederlage, die Schicksale der einzelnen Trümmer und vieler tapferen Männer, eine
Fülle von Spannung, furchtbarer Bedrängnis; und tapferem Aushurren in erschüttern¬
der Folge erkennen will, dem sei das Schicksal des Regiments am 3. Juli em¬
pfohlen. Es hatte den ersten Angriff auf den Wald, und den ersten Stoß des
Armeecorps Thun zu ertragen, seine Compagnien wurden zuerst verbraucht, ihre
Trümmer flogen und lagen im Walde umher, fünf Stunden im Eisenhagel, in den
gehäuften Schrecken eines Waldgefechts, die Reste hielten doch noch von Feinden
umringt die letzten Gehöfte von Cistowes, und marschirten vorwärts bis Langenhof.
Die Füsilire forderte sich der Kronprinz am Abend als Ehrenwache. Der Bericht
des Verfassers erweist ein ungewöhnliches Talent für deutliche und fesselnde Er¬
zählung. In den einleitenden Capiteln ist die militärische Loyalität — die wir
übrigens von Herzen würdigen — für unsern Geschmack etwas zu reichlich mit
den conventionellen hellen Wasserfarben geschildert, da aber, wo der Ernst der Kriegs¬
arbeit beginnt, erhebt sich die Darstellung des Verfassers so schön zu männlicher
Einfachheit und energischem Ausdruck, daß sich das Ganze liest, wie das beste Ge¬
schichtswerk, es läßt den Leser nicht mehr los, und in seiner Seele klingen alle die
wechselnden Stimmungen nach, welche Führer und Mannschaft in den Tagen der
Entscheidung durchlebten. Es ist ein gutes und wirkungsvolles Buch und wir wün¬
schen dem Verfasser, daß ihm selbst und der Armee die Stellung, welche er dadurch
in unserer Militärliteratur gewonnen hat, auch fernerhin zum Heile sei.
Gern möchte dies Bl. dem neuen illustrirten Prachtwerk mit vielen Holzschnitten:
Der Deutsche Krieg von 1866. Von Th. Fontane. I. Bd. Berlin. R. v.
Decker, das gleiche warme Lob zutheilen. Aber das Unternehmen leidet an zwee
Uebelständen. Es kommt zu spät für die breite Anlage; das neugierige Interesse,
welches noch vor zwei Jahren sehr groß war, ist jetzt bei dem behaglichen Käufer
durch andere populäre Werke befriedigt. Dann entspricht die Erzählung nicht völlig
der Tendenz eines illustrirten Werkes. Zu den leichten Bildchen eines solchen Plans
gehört auch ein Text, der sorgfältig und reich schildert, fesselndes Detail, Anecdoten,
spannende Momente einzelner und kleiner tactischer Körper, Stimmung in Landschaft
und Situationen, das kleine und große Treiben im Heere, Abenteuer, Soldaten¬
charaktere, Alles recht liebevoll und schmuckvoll darstellt. In solcher Weise ge¬
schrieben, als eine reiche Sammlung von Kriegsbildern, könnte das Unternehmen
einen dauernden Werth erhalten und die Bedeutung eines ächten Volksbuchs. Aber
der Verfasser hat der Versuchung nicht widerstanden, große Kriegsgeschichte zu schreiben
mit Armeebefehlen, Ordres de Bataille, sogar einer Kritik und Rechtfertigung der
leitenden Dispositionen. Das war nach dem Erscheinen der Generalstaatswerke und
vieler Fachschristen doch nicht nöthig. Ost ist allerdings der militärische Bericht durch
Mittheilung von Brieffragmenten und lebhaftere Beschreibungen der Oertlichkeit
unterbrochen, aber das Ganze wird dadurch eine Mischung von zwei verschiedenen
Darstellungsweisen, die keine von beiden zu voller Geltung kommen läßt, und es
ist viel schönes Papier dazu verwandt. Von den Holzschnitten — die größeren und
erfindungsreicheren nach K. Burgers Zeichnungen — werden dem Leser die besonders
willkommen sein, welche Oertlichkeiten, und die, welche Köpfe gebliebener Officiere
darstellen.
Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
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