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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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land berechnet, beibehalten und ihn nur geschickter und solider ausfüllen.
Damit wäre ein bedeutsamer Schritt zu einem großen Ziele hin gethan,
nämlich Deutschland für die Deutschen selbst zu entdecken, denn bisher ist es
ihnen nach diesen Richtungen fast ebenso sehr eine törrs, iueoZmts wie das
Innere des australischen Continents. --




Was loyale Mecklenburg.

Es war nicht zum ersten Male, daß im Reichstag die besondere Loya¬
lität und bundestreue Gesinnung Mecklenburgs gerühmt wurde, als in der
Debatte über Aufhebung der Elbzölle der Abgeordnete v. Blankenburg äußerte:
"es handle sich um das Maß der Entschädigung für einen Staat, dessen loya¬
lem Verhalten der Reichstag es verdanke, daß er überhaupt in Berlin tage."
Aber es ist -- hoffentlich -- zum letzten Mal gewesen, daß so volltönenden
Lob so schlecht durch die That entsprochen wird. Ein Staat, der sich nicht
scheut, in so eclatanter Weise den Intentionen der Bundesgesetzgebung Trotz
zu bieten, wie es neuerdings Mecklenburg-Schwerin in seiner Verordnung
vom 30. v. M: Ausgabe einer Million Thaler unverzinslichen Rentereicassen-
scheine -- gethan hat, verdient in der That alles andere eher, als im
Reichstage mit zarter Rücksicht behandelt zu werden. Noch lebt in Aller
Erinnerung der Scandal, den das Verfahren der Regierung des Fürsten-
thums Reuß ä. L. hervorrief, als sie kurz vor Thoresschluß Sie Bank zu
Greiz zur Emission einer Million Thaler in Banknoten concessionirte, und
schon hat Mecklenburg sich beeilt, die reußische Regierung in naiver Mi߬
achtung des Bundes zu überbieten. Bei dem Greizer Coral äußerte der
Bundeskanzler in öffentlicher Neichstagssitzung: "Der Fall, der jetzt vorliegt,
ist nicht nur in der Vergangenheit der einzige, sondern ich bin fest überzeugt,
daß er auch in Zukunft isolirt bleiben wird." Diese Ueberzeugung war
allzu sanguinisch. Was kümmert sich unsere Junkerregierung um die Ueber¬
zeugungen des Bundeskanzlers? Fast ebenso wenig, als um den Willen des
Reichstags oder den Beifall der deutschen Nation. Nachdem der Bund dem
Großherzogthum eine Million für die Elbzölle gesichert, hat der Bund seine
Schuldigkeit gethan und der Bund kann gehen, Mecklenburg aber wirthschaftet.
Wie es ihm selbst gefällt, gemächlich weiter.

Bekanntlich wurde im Reichstag als Anschluß an den Gesetzentwurf
über die Ausgabe von Banknoten von Miquöl beantragt, auch der fernern
Emission von Staatspapiergeld eine ebenso heilsame als nothwendige Schranke


land berechnet, beibehalten und ihn nur geschickter und solider ausfüllen.
Damit wäre ein bedeutsamer Schritt zu einem großen Ziele hin gethan,
nämlich Deutschland für die Deutschen selbst zu entdecken, denn bisher ist es
ihnen nach diesen Richtungen fast ebenso sehr eine törrs, iueoZmts wie das
Innere des australischen Continents. —




Was loyale Mecklenburg.

Es war nicht zum ersten Male, daß im Reichstag die besondere Loya¬
lität und bundestreue Gesinnung Mecklenburgs gerühmt wurde, als in der
Debatte über Aufhebung der Elbzölle der Abgeordnete v. Blankenburg äußerte:
„es handle sich um das Maß der Entschädigung für einen Staat, dessen loya¬
lem Verhalten der Reichstag es verdanke, daß er überhaupt in Berlin tage."
Aber es ist — hoffentlich — zum letzten Mal gewesen, daß so volltönenden
Lob so schlecht durch die That entsprochen wird. Ein Staat, der sich nicht
scheut, in so eclatanter Weise den Intentionen der Bundesgesetzgebung Trotz
zu bieten, wie es neuerdings Mecklenburg-Schwerin in seiner Verordnung
vom 30. v. M: Ausgabe einer Million Thaler unverzinslichen Rentereicassen-
scheine — gethan hat, verdient in der That alles andere eher, als im
Reichstage mit zarter Rücksicht behandelt zu werden. Noch lebt in Aller
Erinnerung der Scandal, den das Verfahren der Regierung des Fürsten-
thums Reuß ä. L. hervorrief, als sie kurz vor Thoresschluß Sie Bank zu
Greiz zur Emission einer Million Thaler in Banknoten concessionirte, und
schon hat Mecklenburg sich beeilt, die reußische Regierung in naiver Mi߬
achtung des Bundes zu überbieten. Bei dem Greizer Coral äußerte der
Bundeskanzler in öffentlicher Neichstagssitzung: „Der Fall, der jetzt vorliegt,
ist nicht nur in der Vergangenheit der einzige, sondern ich bin fest überzeugt,
daß er auch in Zukunft isolirt bleiben wird." Diese Ueberzeugung war
allzu sanguinisch. Was kümmert sich unsere Junkerregierung um die Ueber¬
zeugungen des Bundeskanzlers? Fast ebenso wenig, als um den Willen des
Reichstags oder den Beifall der deutschen Nation. Nachdem der Bund dem
Großherzogthum eine Million für die Elbzölle gesichert, hat der Bund seine
Schuldigkeit gethan und der Bund kann gehen, Mecklenburg aber wirthschaftet.
Wie es ihm selbst gefällt, gemächlich weiter.

Bekanntlich wurde im Reichstag als Anschluß an den Gesetzentwurf
über die Ausgabe von Banknoten von Miquöl beantragt, auch der fernern
Emission von Staatspapiergeld eine ebenso heilsame als nothwendige Schranke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/440>, abgerufen am 18.12.2024.