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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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entnehmen, daß es an Büchern, die sich diese Aufgabe stellen, nicht
! wer sich aber die Mühe nimmt, sie genauer zu besehen, wird uns m-
ien, wenn wir behaupten, daß darin meist leeres, mindestens altes Stroh
schen wird. Ein Buch im Geiste des deutschen Begründers der wissen¬
lichen Erdkunde über Deutschland selbst existirt nicht. Denn so ver¬
voll auch Kutzens Deutschland ist, was man uns vielleicht entgegen-
so wenig ist es doch das, was wir brauchen und hier meinen.

Wir brauchen eine exacte Darstellung der natürlichen Bodengestaltung
>er in derselben gegebenen natürlichen Hilfsmittel des deutschen Landes
alle Beziehung auf seine landschaftliche Wirkung oder Schönheit, auch
alle Beziehung auf das Volksleben, was sich auf diesem Boden entfaltet
Wer solche Gesichtspunkte hereinzieht, wirkt vielleicht recht angenehm
>le Phantasie der Leser, aber sie lernen sehr wenig dabei. Ein Buch
en, was nichts weiter sein sollte, als ein lebendiger Commentar einer
drunder Karte von Deutschland, wir wollen einmal sagen, der Sticker-
in 12 Blättern, oder noch besser der ISO Blätter der Flemming'schen, fehlt
;anz. Es wäre auch mehr als eine bloße sog. "topische Geographie"
r die Bodengestaltung und zwar wesentlich nur nach der einer Dimension
)he und Tiefe darzustellen unternimmt. Und selbst eine solche für unsern
tspunkt vorbereitende Aufgabe ist nur für einige Theile Deutschlands
end gelöst, bei Weitem noch nicht für alle, und noch weniger gibt es
"esammtdarstellung, die selbst dann, wenn das Detail vollständig durch-
ttet wäre, doch etwas ganz anderes als eine bloße Zusammenstellung
in Auszug aus den Detailwerken sein müßte.

Ker sich theoretisch oder practisch mit der deutschen Frage beschäftigt,
der Gebildete, der sollte doch, meinen wir, über die Grundverhältnisse
odens, dem er seine Thätigkeit widmet, genügend unterrichtet sein, er
rvissen, was die Natur selbst durch die climatischen Verhältnisse, durch
ondere Art der Gebirgszüge und Flußsysteme, durch die Vertheilung
ind und Wasser, oder der verschiedenen Bodenarten für den Handel,
dustrie, den Ackerbau oder für die Vertheidigung nach außen vorge-
l hat. Unsere lobpreisenden Schilderer der Herrlichkeit und Schönheit
-ltschen Landes variiren alle mehr oder minder die Melodie, welche
uden im ersten Bande seiner "teutschen" Geschichte erfunden: "Dieses
gehöret zu den schönsten Ländern, welche die Sonne begrüßet in ihrem
Laufe." -- "Unter einem gemäßigten Himmel -- köstlich für den
, erheiternd und erhebend für das Gemüth, bringet Deutschland Alles
was der Mensch bedarf zur Erhaltung und Förderung des Geistes ze.
oden ist fähig zu jeglichem Anbau u. s. w." Das galt damals für
sah und scheint auch heute noch dafür zu gelten.


entnehmen, daß es an Büchern, die sich diese Aufgabe stellen, nicht
! wer sich aber die Mühe nimmt, sie genauer zu besehen, wird uns m-
ien, wenn wir behaupten, daß darin meist leeres, mindestens altes Stroh
schen wird. Ein Buch im Geiste des deutschen Begründers der wissen¬
lichen Erdkunde über Deutschland selbst existirt nicht. Denn so ver¬
voll auch Kutzens Deutschland ist, was man uns vielleicht entgegen-
so wenig ist es doch das, was wir brauchen und hier meinen.

Wir brauchen eine exacte Darstellung der natürlichen Bodengestaltung
>er in derselben gegebenen natürlichen Hilfsmittel des deutschen Landes
alle Beziehung auf seine landschaftliche Wirkung oder Schönheit, auch
alle Beziehung auf das Volksleben, was sich auf diesem Boden entfaltet
Wer solche Gesichtspunkte hereinzieht, wirkt vielleicht recht angenehm
>le Phantasie der Leser, aber sie lernen sehr wenig dabei. Ein Buch
en, was nichts weiter sein sollte, als ein lebendiger Commentar einer
drunder Karte von Deutschland, wir wollen einmal sagen, der Sticker-
in 12 Blättern, oder noch besser der ISO Blätter der Flemming'schen, fehlt
;anz. Es wäre auch mehr als eine bloße sog. „topische Geographie"
r die Bodengestaltung und zwar wesentlich nur nach der einer Dimension
)he und Tiefe darzustellen unternimmt. Und selbst eine solche für unsern
tspunkt vorbereitende Aufgabe ist nur für einige Theile Deutschlands
end gelöst, bei Weitem noch nicht für alle, und noch weniger gibt es
»esammtdarstellung, die selbst dann, wenn das Detail vollständig durch-
ttet wäre, doch etwas ganz anderes als eine bloße Zusammenstellung
in Auszug aus den Detailwerken sein müßte.

Ker sich theoretisch oder practisch mit der deutschen Frage beschäftigt,
der Gebildete, der sollte doch, meinen wir, über die Grundverhältnisse
odens, dem er seine Thätigkeit widmet, genügend unterrichtet sein, er
rvissen, was die Natur selbst durch die climatischen Verhältnisse, durch
ondere Art der Gebirgszüge und Flußsysteme, durch die Vertheilung
ind und Wasser, oder der verschiedenen Bodenarten für den Handel,
dustrie, den Ackerbau oder für die Vertheidigung nach außen vorge-
l hat. Unsere lobpreisenden Schilderer der Herrlichkeit und Schönheit
-ltschen Landes variiren alle mehr oder minder die Melodie, welche
uden im ersten Bande seiner „teutschen" Geschichte erfunden: „Dieses
gehöret zu den schönsten Ländern, welche die Sonne begrüßet in ihrem
Laufe." — „Unter einem gemäßigten Himmel — köstlich für den
, erheiternd und erhebend für das Gemüth, bringet Deutschland Alles
was der Mensch bedarf zur Erhaltung und Förderung des Geistes ze.
oden ist fähig zu jeglichem Anbau u. s. w." Das galt damals für
sah und scheint auch heute noch dafür zu gelten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/435>, abgerufen am 28.07.2024.