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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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werden sie gesungen und bekannt, und der Verfasser wird zuletzt veranlaßt,
eine Sammlung derselben herauszugeben. Dieses ist's, was ich nach meiner
besten Einsicht und mit aller Aufrichtigkeit dem mir bezeigten Vertrauen er¬
wiedern konnte.

Vorstehendes war geschrieben, als sich der Verfasser selbst an mich wandte.
Ich wüßte nur die Bemerkung hinzuzufügen, daß für unsere Literatur nichts
Wünschenswerther sey, als daß jeder, der eine Zeitlang gearbeitet hat, zum
deutlichen Bewußtseyn dessen kommen möge was er vermag, damit er sich
nicht vergebens abmühe und von sich nicht mehr, oder doch nichts anderes
fordere, als was er leicht kann. Dadurch entspringt eine billige und unge¬
trübte Freude an dem was man hervorbringt und ein reiner Genuß an dem
Beifall, den man erhält.

Weimar, den 26. September 1807.


Goethe.


Erinnerung an Dahlmann.

Friedrich Christoph Dahlmann von Anton Springer. Erster Theil. Leipzig, S. Hirzel.

Diese Lebensgeschichte eines deutschen Mannes, geschrieben von seinem
Amtsgenossen und Freunde, ist eine gute Frühlingsgabe für unser Volk,
würdig des Gelehrten, den sie schildert, und dem Verfasser eine rühmliche
Arbeit. Viele werden sich daran erfreuen und stärken, alle die Dahlmann
hochgehalten, und die den jüngeren Freund mit Antheil auf den Gebieten
seiner umfangreichen wissenschaftlichen Thätigkeit begleiten. Denn auch dieser
ist uns ein werthvoller Vorkämpfer für die beste Bildung unserer Zeit ge¬
worden. Anton Springer weist uns in seinem wohlthuenden Wesen den
characteristischen Zug, welchen das deutsche Leben dieser Generation in vielen
ihrer Schriftführer ausgeprägt hat. Ein Gelehrter, der das ideale Kunst¬
streben der Vergangenheit so feinempfindend zu beobachten weiß, wie Wenige,
und zugleich ein patriotischer Mann, Geschtchtsschreiber eines modernen
Staates, der gründlichste Kenner östreichischer Zustände und mit all seinem
Fühlen und Hoffen fest in die politischen Kämpfe des werdenden deut¬
schen Staats verwachsen. Mit den großen Gebilden vergangener Schön¬
heit und mit den großen Aufgaben moderner Wirklichkeit gleich vertraut,


werden sie gesungen und bekannt, und der Verfasser wird zuletzt veranlaßt,
eine Sammlung derselben herauszugeben. Dieses ist's, was ich nach meiner
besten Einsicht und mit aller Aufrichtigkeit dem mir bezeigten Vertrauen er¬
wiedern konnte.

Vorstehendes war geschrieben, als sich der Verfasser selbst an mich wandte.
Ich wüßte nur die Bemerkung hinzuzufügen, daß für unsere Literatur nichts
Wünschenswerther sey, als daß jeder, der eine Zeitlang gearbeitet hat, zum
deutlichen Bewußtseyn dessen kommen möge was er vermag, damit er sich
nicht vergebens abmühe und von sich nicht mehr, oder doch nichts anderes
fordere, als was er leicht kann. Dadurch entspringt eine billige und unge¬
trübte Freude an dem was man hervorbringt und ein reiner Genuß an dem
Beifall, den man erhält.

Weimar, den 26. September 1807.


Goethe.


Erinnerung an Dahlmann.

Friedrich Christoph Dahlmann von Anton Springer. Erster Theil. Leipzig, S. Hirzel.

Diese Lebensgeschichte eines deutschen Mannes, geschrieben von seinem
Amtsgenossen und Freunde, ist eine gute Frühlingsgabe für unser Volk,
würdig des Gelehrten, den sie schildert, und dem Verfasser eine rühmliche
Arbeit. Viele werden sich daran erfreuen und stärken, alle die Dahlmann
hochgehalten, und die den jüngeren Freund mit Antheil auf den Gebieten
seiner umfangreichen wissenschaftlichen Thätigkeit begleiten. Denn auch dieser
ist uns ein werthvoller Vorkämpfer für die beste Bildung unserer Zeit ge¬
worden. Anton Springer weist uns in seinem wohlthuenden Wesen den
characteristischen Zug, welchen das deutsche Leben dieser Generation in vielen
ihrer Schriftführer ausgeprägt hat. Ein Gelehrter, der das ideale Kunst¬
streben der Vergangenheit so feinempfindend zu beobachten weiß, wie Wenige,
und zugleich ein patriotischer Mann, Geschtchtsschreiber eines modernen
Staates, der gründlichste Kenner östreichischer Zustände und mit all seinem
Fühlen und Hoffen fest in die politischen Kämpfe des werdenden deut¬
schen Staats verwachsen. Mit den großen Gebilden vergangener Schön¬
heit und mit den großen Aufgaben moderner Wirklichkeit gleich vertraut,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/408>, abgerufen am 18.12.2024.