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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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päer mit Blutvergießen und Gewalt über unterworfene Völker, die niemals
nur gefragt sind, ob sie gehorchen wollen?

Das Land Commendah bringt den Holländern nichts ein, sondern kostet
Geld und Menschenleben, dort ist's nur um der Ehre und Civilisation willen,
daß geschlachtet wird. In Asien freilich auch der Börse wegen; denn ähn¬
liche Expeditionen finden in kleinen Zwischenräumen auf Borneo, Ceram,
Timor und anderen ostindischen Inseln statt; leider hat sich bis jetzt noch keine
Stimme dagegen erhoben.

Allerdings ist es richtig, daß die Colonialregierungen meist keine ande¬
ren Mittel besitzen, um ihr Ansehen oder, besser gesagt, die Furcht bei den
Eingeborenen zu erhalten, da ihr moralischer Einfluß durchgängig sehr gering
oder Null ist. Die Mehrzahl der Colonien sind darauf eingerichtet, die Ein¬
geborenen zu erploitiren und zu unterdrücken, und diese begreifen darum
natürlich nicht, was sie von einer Cultur, deren Träger so viel Unglück um
sich her verbreiten, gewinnen sollen. Dabei wird das Mögliche gethan, um
den Lastern dieser rohen Völker Vorschub zu leisten, weil man Vortheil
daraus zieht. Aber für Aufklärung und Erziehung derselben wird fast gar
nichts gethan.

Freilich handelt hin und wieder eine Colonialregierung in anderem
Geiste. Bet uns gilt die Regel, daß eine Colonie dem. Mutterlande so viel
als möglich einbringen und daß auf ihre Erhaltung nur so viel verwendet
werden muß, als nöthig ist, um sie vor gänzlicher Aussaugung zu behüten.
Wenn eine Besitzung, wie die Küste von Guinea, dem Lande mehr kostet,
als sie einbringt, dann wird natürlich gar nichts zu ihrer Hebung gethan.
Aber dann ist es auch doppelt unverantwortlich, sich dieselbe durch Schreck¬
mittel zu erhalten."

Wenn bei Ihnen in Deutschland einmal eine Stimme nach "Colonien
ruft für Handel, Schifffahrt. Volkskraft, so senden Sie diesen Thoren zu uns
nach Holland. Bei uns kann er sehen, wie die Tugend, der Unternehmung^
Sinn, Redlichkeit und Energie durch Colonien gefördert werden. Wenn Ih^
Nation dem Schicksal für einen Vorzug vor uns Andern recht innig und
unablässig dankbar sein sollte, so ist es gerade der Vorzug, daß Sie kein Felsen"
enand im fremden Meer und keinen Thaler besitzen, den Sie nicht durch
eigene redliche Arbeit in freier Concurrenz erworben haben.


Ein Holländer.


päer mit Blutvergießen und Gewalt über unterworfene Völker, die niemals
nur gefragt sind, ob sie gehorchen wollen?

Das Land Commendah bringt den Holländern nichts ein, sondern kostet
Geld und Menschenleben, dort ist's nur um der Ehre und Civilisation willen,
daß geschlachtet wird. In Asien freilich auch der Börse wegen; denn ähn¬
liche Expeditionen finden in kleinen Zwischenräumen auf Borneo, Ceram,
Timor und anderen ostindischen Inseln statt; leider hat sich bis jetzt noch keine
Stimme dagegen erhoben.

Allerdings ist es richtig, daß die Colonialregierungen meist keine ande¬
ren Mittel besitzen, um ihr Ansehen oder, besser gesagt, die Furcht bei den
Eingeborenen zu erhalten, da ihr moralischer Einfluß durchgängig sehr gering
oder Null ist. Die Mehrzahl der Colonien sind darauf eingerichtet, die Ein¬
geborenen zu erploitiren und zu unterdrücken, und diese begreifen darum
natürlich nicht, was sie von einer Cultur, deren Träger so viel Unglück um
sich her verbreiten, gewinnen sollen. Dabei wird das Mögliche gethan, um
den Lastern dieser rohen Völker Vorschub zu leisten, weil man Vortheil
daraus zieht. Aber für Aufklärung und Erziehung derselben wird fast gar
nichts gethan.

Freilich handelt hin und wieder eine Colonialregierung in anderem
Geiste. Bet uns gilt die Regel, daß eine Colonie dem. Mutterlande so viel
als möglich einbringen und daß auf ihre Erhaltung nur so viel verwendet
werden muß, als nöthig ist, um sie vor gänzlicher Aussaugung zu behüten.
Wenn eine Besitzung, wie die Küste von Guinea, dem Lande mehr kostet,
als sie einbringt, dann wird natürlich gar nichts zu ihrer Hebung gethan.
Aber dann ist es auch doppelt unverantwortlich, sich dieselbe durch Schreck¬
mittel zu erhalten."

Wenn bei Ihnen in Deutschland einmal eine Stimme nach „Colonien
ruft für Handel, Schifffahrt. Volkskraft, so senden Sie diesen Thoren zu uns
nach Holland. Bei uns kann er sehen, wie die Tugend, der Unternehmung^
Sinn, Redlichkeit und Energie durch Colonien gefördert werden. Wenn Ih^
Nation dem Schicksal für einen Vorzug vor uns Andern recht innig und
unablässig dankbar sein sollte, so ist es gerade der Vorzug, daß Sie kein Felsen"
enand im fremden Meer und keinen Thaler besitzen, den Sie nicht durch
eigene redliche Arbeit in freier Concurrenz erworben haben.


Ein Holländer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/404>, abgerufen am 01.09.2024.