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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Ideal der Reactionäre" noch dem radicaler Doktrinäre. Die Geschichte
zeigt und diese Lehre tritt in dem Buche über preußisches Staatsrecht
mit kräftigen und scharfen Zügen aufs lehrreichste heraus, daß keine
andere monarchische Staatsgewalt innerhalb des Rahmens des deutschen
Reiches so frühe und so bewußt mit den Traditionen des patriarchalischen
Staates gebrochen hat, wie die der Hohenzollern in den Marken. Während
anderswo in Deutschland das Verhältniß der Fürsten zum Lande -- bis in
unsere Zeit der gewaltsamen oder reflectirten Verfassungsumgestaltungen
durch die Einführung des constitutionellen Schematismus -- wesentlich ein
patrimoniales blieb, der Fürst das Land oder gewisse Theile desselben
und Rechte in ihm und an den Unterthanen besaß, arbeitete sich in dem
Bereiche der Hohenzollernschen Macht entschieden schon seit und durch
den großen Kurfürsten der davon grundverschiedene Begriff eines Staats¬
oberhauptes und eines Staates heraus. Beide konnten schon damals nicht
mehr getrennt von einander gedacht werden, während das Wesen des patri-
monialen Fürstenthums factisch und begrifflich recht wohl noch existiren kann,
wenn es auch von seinem Zusammenhange mit dem äußerlich damit verbun-
denen Complex von Ländern und Einkünften ganz oder theilweise losgelöst
wird. Der Fürst oder das fürstliche Haus behält dann doch noch immer den
eigentlichen Kern seines Rechtes und Besitzes in den Domänen und Rega-
lien, die ihm privatrechtlich und nicht in seiner Stellung als Staats¬
oberhaupt gehören. Den correctesten Ausdruck erhielt jene neue Ausfassung
des fürstlichen Berufes in dem preußischen Staat schon 1713 durch König
Friedrich Wilhelm I., indem er sämmtliche Domänen und Schatullgüter zu
einer Masse vereinigte und ihre Unveräußerlichkeit festsetzte, also der Person
des zufälligen Inhabers der Staatsgewalt die Disposition darüber, soweit
sie aus der damals allgemein festgehaltenen Vorstellung eines Eigenthums-
rechts flieht, entzog. Das Gesetz vom 17. Januar 1820, welches das soge¬
nannte Kronfideicommiß genauer umschrieb, hatte nichts weiter zu thun,
als die einmal vorhandene Grundlage anzuerkennen und practisch nach den
Bedürfnissen und staatswirthschaftlichen Maximen der Gegenwart auszubilden-
Damit war schon länger als vor einem Jahrhundert eine der Grundfragen
des modernen Staates gelöst, die trotz aller abrupt in ganz widersprechende
Zustände hineingetragenen Theorie von der sogenannten Civilliste in vielen
anderen deutschen Ländern bis heute noch der Beantwortung harrt. Die
Eigenart des preußischen Staatswesens, speciell der Krone zeigt sich nir¬
gends prägnanter als hier in diesem wichtigsten Punkte. Das preußi¬
sche Königthum steht da finanziell gegründet auf eine Institution, die
ebenso weit von denen des patrimonialen Fürstenthums mit seinem Eigen-


Ideal der Reactionäre» noch dem radicaler Doktrinäre. Die Geschichte
zeigt und diese Lehre tritt in dem Buche über preußisches Staatsrecht
mit kräftigen und scharfen Zügen aufs lehrreichste heraus, daß keine
andere monarchische Staatsgewalt innerhalb des Rahmens des deutschen
Reiches so frühe und so bewußt mit den Traditionen des patriarchalischen
Staates gebrochen hat, wie die der Hohenzollern in den Marken. Während
anderswo in Deutschland das Verhältniß der Fürsten zum Lande — bis in
unsere Zeit der gewaltsamen oder reflectirten Verfassungsumgestaltungen
durch die Einführung des constitutionellen Schematismus — wesentlich ein
patrimoniales blieb, der Fürst das Land oder gewisse Theile desselben
und Rechte in ihm und an den Unterthanen besaß, arbeitete sich in dem
Bereiche der Hohenzollernschen Macht entschieden schon seit und durch
den großen Kurfürsten der davon grundverschiedene Begriff eines Staats¬
oberhauptes und eines Staates heraus. Beide konnten schon damals nicht
mehr getrennt von einander gedacht werden, während das Wesen des patri-
monialen Fürstenthums factisch und begrifflich recht wohl noch existiren kann,
wenn es auch von seinem Zusammenhange mit dem äußerlich damit verbun-
denen Complex von Ländern und Einkünften ganz oder theilweise losgelöst
wird. Der Fürst oder das fürstliche Haus behält dann doch noch immer den
eigentlichen Kern seines Rechtes und Besitzes in den Domänen und Rega-
lien, die ihm privatrechtlich und nicht in seiner Stellung als Staats¬
oberhaupt gehören. Den correctesten Ausdruck erhielt jene neue Ausfassung
des fürstlichen Berufes in dem preußischen Staat schon 1713 durch König
Friedrich Wilhelm I., indem er sämmtliche Domänen und Schatullgüter zu
einer Masse vereinigte und ihre Unveräußerlichkeit festsetzte, also der Person
des zufälligen Inhabers der Staatsgewalt die Disposition darüber, soweit
sie aus der damals allgemein festgehaltenen Vorstellung eines Eigenthums-
rechts flieht, entzog. Das Gesetz vom 17. Januar 1820, welches das soge¬
nannte Kronfideicommiß genauer umschrieb, hatte nichts weiter zu thun,
als die einmal vorhandene Grundlage anzuerkennen und practisch nach den
Bedürfnissen und staatswirthschaftlichen Maximen der Gegenwart auszubilden-
Damit war schon länger als vor einem Jahrhundert eine der Grundfragen
des modernen Staates gelöst, die trotz aller abrupt in ganz widersprechende
Zustände hineingetragenen Theorie von der sogenannten Civilliste in vielen
anderen deutschen Ländern bis heute noch der Beantwortung harrt. Die
Eigenart des preußischen Staatswesens, speciell der Krone zeigt sich nir¬
gends prägnanter als hier in diesem wichtigsten Punkte. Das preußi¬
sche Königthum steht da finanziell gegründet auf eine Institution, die
ebenso weit von denen des patrimonialen Fürstenthums mit seinem Eigen-


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[0400] Ideal der Reactionäre» noch dem radicaler Doktrinäre. Die Geschichte zeigt und diese Lehre tritt in dem Buche über preußisches Staatsrecht mit kräftigen und scharfen Zügen aufs lehrreichste heraus, daß keine andere monarchische Staatsgewalt innerhalb des Rahmens des deutschen Reiches so frühe und so bewußt mit den Traditionen des patriarchalischen Staates gebrochen hat, wie die der Hohenzollern in den Marken. Während anderswo in Deutschland das Verhältniß der Fürsten zum Lande — bis in unsere Zeit der gewaltsamen oder reflectirten Verfassungsumgestaltungen durch die Einführung des constitutionellen Schematismus — wesentlich ein patrimoniales blieb, der Fürst das Land oder gewisse Theile desselben und Rechte in ihm und an den Unterthanen besaß, arbeitete sich in dem Bereiche der Hohenzollernschen Macht entschieden schon seit und durch den großen Kurfürsten der davon grundverschiedene Begriff eines Staats¬ oberhauptes und eines Staates heraus. Beide konnten schon damals nicht mehr getrennt von einander gedacht werden, während das Wesen des patri- monialen Fürstenthums factisch und begrifflich recht wohl noch existiren kann, wenn es auch von seinem Zusammenhange mit dem äußerlich damit verbun- denen Complex von Ländern und Einkünften ganz oder theilweise losgelöst wird. Der Fürst oder das fürstliche Haus behält dann doch noch immer den eigentlichen Kern seines Rechtes und Besitzes in den Domänen und Rega- lien, die ihm privatrechtlich und nicht in seiner Stellung als Staats¬ oberhaupt gehören. Den correctesten Ausdruck erhielt jene neue Ausfassung des fürstlichen Berufes in dem preußischen Staat schon 1713 durch König Friedrich Wilhelm I., indem er sämmtliche Domänen und Schatullgüter zu einer Masse vereinigte und ihre Unveräußerlichkeit festsetzte, also der Person des zufälligen Inhabers der Staatsgewalt die Disposition darüber, soweit sie aus der damals allgemein festgehaltenen Vorstellung eines Eigenthums- rechts flieht, entzog. Das Gesetz vom 17. Januar 1820, welches das soge¬ nannte Kronfideicommiß genauer umschrieb, hatte nichts weiter zu thun, als die einmal vorhandene Grundlage anzuerkennen und practisch nach den Bedürfnissen und staatswirthschaftlichen Maximen der Gegenwart auszubilden- Damit war schon länger als vor einem Jahrhundert eine der Grundfragen des modernen Staates gelöst, die trotz aller abrupt in ganz widersprechende Zustände hineingetragenen Theorie von der sogenannten Civilliste in vielen anderen deutschen Ländern bis heute noch der Beantwortung harrt. Die Eigenart des preußischen Staatswesens, speciell der Krone zeigt sich nir¬ gends prägnanter als hier in diesem wichtigsten Punkte. Das preußi¬ sche Königthum steht da finanziell gegründet auf eine Institution, die ebenso weit von denen des patrimonialen Fürstenthums mit seinem Eigen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/400>, abgerufen am 27.07.2024.