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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Gegen die Mitte Aprils denke ich mich wieder auf die Rückreise zu
machen. Alles befindet sich bei mir wohl, und ich bin seit etlichen Wochen
auch um vieles erträglicher. Ihre Frau grüßen wir herzlich.


Ganz der Ihrige
Schiller.

^Dazu Beilage^ " . . Hier folgen endlich auch die Stücke zurück, über welche
Sie mein Urtheil wissen wollten. Ich kann mich bloß des Eindrucks überhaupt
erinnern, den sie bey einer etwas flüchtigen Durchlesung auf mich machten.
Sie sind nicht ohne Interesse geschrieben und verrathen keine ungeübte Hand.
Sowohl durch Erfindung als Dialog zeichnen sie sich sehr zu ihrem Vor¬
theil vor dem andern größten Theil der dramatischen Producte aus, womit
wir jede Messe heimgesucht werden. Der Dialog besonders hat viel Leichtig¬
keit und Lebhaftigkeit und er wird sie noch mehr haben, wenn die geschickte
Verfasserin sich zu einigen Aufopferungen verstehen will. Der gute Ge¬
schmack zeigt sich oft mehr durch das was verschwiegen, als durch das, was
gesagt wird. Manche Scenen dürfen blos verlieren und nichts empfangen,
um interessant zu sein, und das ist soviel ich weiß mehr, als man von den
mehresten Producten der dramatischen Muse in jetziger Zeit rühmen kann. Es
beweist, daß es der Verfasserin nur noch an einigen Eigenschaften sehlte, die
sich durch Studium erwerben lassen, nicht aber an solchen, die kein Fleiß und
keine Kunst demjenigen ersetzen kann, dem die Natur sie verweigert. Und so,
glaube ich, wird es blos aus etwas Strenge gegen sich selbst und auf Be¬
richtigung ihres Geschmacks an guten Mustern bey der Verfasserin ankom¬
men, um uns künftig mit sehr glücklichen Producten in diesem Fache zu be¬
schenken . . u. s. f."


24.

Stuttgart, den 4. Mai 94. -- Meinen letzten Brief, lieber Freund,
worin ich Sie bat. eine Assignation an Sie von 200 Rthlr. auf die Mitte
des Junius zahlbar, die Herr Cotta aus Tübingen Ihnen Präsentiren wird,
zu ane.puren, werden Sie hoffentlich erhalten haben. Wahrscheinlich läuft
während dieser Zeit noch das Geld aus Coppenhagen ein, daß Sie diese-
200 Rthlr. davon abziehen können. Ich brauchte Geld und wußte es nicht
anders anzugreifen, wenn ich nicht meinen Calltas an Herrn Cotta über¬
lassen wollte.

Uebermorgen werde ich meine Rückreise antreten und Ihnen also um
fast 40 Meilen wieder näher seyn. Ich bin voller Erwartung wie es mit
Wielands Schriften ergangen ist, denn das müssen Sie doch wohl jetzt
schon wissen.

Herr Cotta wird Ihnen sagen, daß ich ihm zu einem dramatischen
Stücke Hofnung gemacht habe, aber ich habe mir und Ihnen dabey das


Gegen die Mitte Aprils denke ich mich wieder auf die Rückreise zu
machen. Alles befindet sich bei mir wohl, und ich bin seit etlichen Wochen
auch um vieles erträglicher. Ihre Frau grüßen wir herzlich.


Ganz der Ihrige
Schiller.

^Dazu Beilage^ „ . . Hier folgen endlich auch die Stücke zurück, über welche
Sie mein Urtheil wissen wollten. Ich kann mich bloß des Eindrucks überhaupt
erinnern, den sie bey einer etwas flüchtigen Durchlesung auf mich machten.
Sie sind nicht ohne Interesse geschrieben und verrathen keine ungeübte Hand.
Sowohl durch Erfindung als Dialog zeichnen sie sich sehr zu ihrem Vor¬
theil vor dem andern größten Theil der dramatischen Producte aus, womit
wir jede Messe heimgesucht werden. Der Dialog besonders hat viel Leichtig¬
keit und Lebhaftigkeit und er wird sie noch mehr haben, wenn die geschickte
Verfasserin sich zu einigen Aufopferungen verstehen will. Der gute Ge¬
schmack zeigt sich oft mehr durch das was verschwiegen, als durch das, was
gesagt wird. Manche Scenen dürfen blos verlieren und nichts empfangen,
um interessant zu sein, und das ist soviel ich weiß mehr, als man von den
mehresten Producten der dramatischen Muse in jetziger Zeit rühmen kann. Es
beweist, daß es der Verfasserin nur noch an einigen Eigenschaften sehlte, die
sich durch Studium erwerben lassen, nicht aber an solchen, die kein Fleiß und
keine Kunst demjenigen ersetzen kann, dem die Natur sie verweigert. Und so,
glaube ich, wird es blos aus etwas Strenge gegen sich selbst und auf Be¬
richtigung ihres Geschmacks an guten Mustern bey der Verfasserin ankom¬
men, um uns künftig mit sehr glücklichen Producten in diesem Fache zu be¬
schenken . . u. s. f."


24.

Stuttgart, den 4. Mai 94. — Meinen letzten Brief, lieber Freund,
worin ich Sie bat. eine Assignation an Sie von 200 Rthlr. auf die Mitte
des Junius zahlbar, die Herr Cotta aus Tübingen Ihnen Präsentiren wird,
zu ane.puren, werden Sie hoffentlich erhalten haben. Wahrscheinlich läuft
während dieser Zeit noch das Geld aus Coppenhagen ein, daß Sie diese-
200 Rthlr. davon abziehen können. Ich brauchte Geld und wußte es nicht
anders anzugreifen, wenn ich nicht meinen Calltas an Herrn Cotta über¬
lassen wollte.

Uebermorgen werde ich meine Rückreise antreten und Ihnen also um
fast 40 Meilen wieder näher seyn. Ich bin voller Erwartung wie es mit
Wielands Schriften ergangen ist, denn das müssen Sie doch wohl jetzt
schon wissen.

Herr Cotta wird Ihnen sagen, daß ich ihm zu einem dramatischen
Stücke Hofnung gemacht habe, aber ich habe mir und Ihnen dabey das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/392>, abgerufen am 18.12.2024.