Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gelehrten und Umwohner gemacht haben. Von den Flüssen, zu denen dann
übergegangen wird, weckt unser Interesse das in musterhafter Regelmäßigkeit
angelegte System des Symäthus. und der Himera. der aus einem Quellensee
in der Mitte der Insel entspringend zwei Arme bildet, einen der nach Süden
ins afrikanische, den andern, der nach Norden ins tyrrhenische Meer abfließt
und so die ganze Insel in eine östliche und westliche Hälfte theilt. Beschrei¬
bungen der reichen Producte, so wie der die große Insel im Kreis um¬
schließenden zahlreichen kleinen vulkanischen Jnselgebiete schließen diesen
Theil ab.

Das geschichtliche Leben dieses merkwürdigen Landes pulsirt auf das
reichste und wie könnte das auch anders sein! Auf der Grenzscheide gelegen
zwischen dem östlichen und westlichen Becken des Mittelmeers und die Ver¬
bindungsstraße zwischen beiden beherrschend hat es die Aufgabe gehabt und
erfüllt, die Berührung der orientalischen Welt mit der abendländischen zu
vermitteln. Nichts ist charakteristischer als die Thatsache, daß, mit Ausnahme
der Aegypter, alle das Mittelmeer umwohnenden Culturvölker diese Insel
besetzt, beherrscht, bewohnt haben; fortwährend war sie der Zankapfel der
Nationen, und es hat Jemand ausgerechnet, daß im Ganzen 33 Stämme
Niederlassungen dorthin geführt haben. Luden doch auch vier herrliche Häfen,
einer (Lilybaeum-Marsala) auf der Westseite, einer auf der Nordseite (Pa¬
lermo), zwei auf der Ostseite (Messina, Syrakus) den fremden Machthaber
so gastfrei ein. Ein einiges und freies Reich war die Insel freilich nur im
Mittelalter, von der Zeit an, da die Araber eine eigene nationale Dynastie
in Palermo gründeten durch die kurze Periode der Normannenherrschaft und
der Hohenstaufen hindurch, sonst war sie entweder in verschiedene Theile und
Völkerschaften zerrissen, wie im Alterthum, oder in ihrer Gesammtheit aus¬
wärtigen Mächten Unterthan, wie in späterer Zeit. Ihre centrale Lage, ihre
Fruchtbarkeit und Schönheit war eben zugleich die Quelle vieler Leiden, aber
sür die Geschichtsschreiber ist es sehr interessant, sich die Schicksale dieses
vielumworbenen und vielbesessenen Fleckens Erde zu vergegenwärtigen. Im
ersten Bande sührt Herr Holm die Geschichte bis zum Beginn des Krieges
zwischen Athen und Syrakus, behandelt also einen Abschnitt, aus welchem
den Gebildeten etwa nur der ltterarische Glanz des Dichterhofes König
Hierons und aus der Urzeit höchstens noch Odysseus Besuch in der Kyklo-
penhöhle bekannt ist. Da füllt sich denn der Raum mit lebensvollen Ge¬
stalten. Schon in der Zeit, als die.Götter noch auf Erden wandelten, ist
Sicilien nicht nur von den Unsterblichen geehrt, die seine Bergspitzen be¬
wohnen, seine Fluren beschützen und sich Jeder seinen Lieblingsaufenthalt
auswählten, sondern die Helden der Vorzeit, wie Herakles. Jolaus und Dac-
dalus der erste Baumeister, Aristqeus, der Sohn des Apollo, Odysseus, der


Gelehrten und Umwohner gemacht haben. Von den Flüssen, zu denen dann
übergegangen wird, weckt unser Interesse das in musterhafter Regelmäßigkeit
angelegte System des Symäthus. und der Himera. der aus einem Quellensee
in der Mitte der Insel entspringend zwei Arme bildet, einen der nach Süden
ins afrikanische, den andern, der nach Norden ins tyrrhenische Meer abfließt
und so die ganze Insel in eine östliche und westliche Hälfte theilt. Beschrei¬
bungen der reichen Producte, so wie der die große Insel im Kreis um¬
schließenden zahlreichen kleinen vulkanischen Jnselgebiete schließen diesen
Theil ab.

Das geschichtliche Leben dieses merkwürdigen Landes pulsirt auf das
reichste und wie könnte das auch anders sein! Auf der Grenzscheide gelegen
zwischen dem östlichen und westlichen Becken des Mittelmeers und die Ver¬
bindungsstraße zwischen beiden beherrschend hat es die Aufgabe gehabt und
erfüllt, die Berührung der orientalischen Welt mit der abendländischen zu
vermitteln. Nichts ist charakteristischer als die Thatsache, daß, mit Ausnahme
der Aegypter, alle das Mittelmeer umwohnenden Culturvölker diese Insel
besetzt, beherrscht, bewohnt haben; fortwährend war sie der Zankapfel der
Nationen, und es hat Jemand ausgerechnet, daß im Ganzen 33 Stämme
Niederlassungen dorthin geführt haben. Luden doch auch vier herrliche Häfen,
einer (Lilybaeum-Marsala) auf der Westseite, einer auf der Nordseite (Pa¬
lermo), zwei auf der Ostseite (Messina, Syrakus) den fremden Machthaber
so gastfrei ein. Ein einiges und freies Reich war die Insel freilich nur im
Mittelalter, von der Zeit an, da die Araber eine eigene nationale Dynastie
in Palermo gründeten durch die kurze Periode der Normannenherrschaft und
der Hohenstaufen hindurch, sonst war sie entweder in verschiedene Theile und
Völkerschaften zerrissen, wie im Alterthum, oder in ihrer Gesammtheit aus¬
wärtigen Mächten Unterthan, wie in späterer Zeit. Ihre centrale Lage, ihre
Fruchtbarkeit und Schönheit war eben zugleich die Quelle vieler Leiden, aber
sür die Geschichtsschreiber ist es sehr interessant, sich die Schicksale dieses
vielumworbenen und vielbesessenen Fleckens Erde zu vergegenwärtigen. Im
ersten Bande sührt Herr Holm die Geschichte bis zum Beginn des Krieges
zwischen Athen und Syrakus, behandelt also einen Abschnitt, aus welchem
den Gebildeten etwa nur der ltterarische Glanz des Dichterhofes König
Hierons und aus der Urzeit höchstens noch Odysseus Besuch in der Kyklo-
penhöhle bekannt ist. Da füllt sich denn der Raum mit lebensvollen Ge¬
stalten. Schon in der Zeit, als die.Götter noch auf Erden wandelten, ist
Sicilien nicht nur von den Unsterblichen geehrt, die seine Bergspitzen be¬
wohnen, seine Fluren beschützen und sich Jeder seinen Lieblingsaufenthalt
auswählten, sondern die Helden der Vorzeit, wie Herakles. Jolaus und Dac-
dalus der erste Baumeister, Aristqeus, der Sohn des Apollo, Odysseus, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123990"/>
          <p xml:id="ID_1095" prev="#ID_1094"> Gelehrten und Umwohner gemacht haben. Von den Flüssen, zu denen dann<lb/>
übergegangen wird, weckt unser Interesse das in musterhafter Regelmäßigkeit<lb/>
angelegte System des Symäthus. und der Himera. der aus einem Quellensee<lb/>
in der Mitte der Insel entspringend zwei Arme bildet, einen der nach Süden<lb/>
ins afrikanische, den andern, der nach Norden ins tyrrhenische Meer abfließt<lb/>
und so die ganze Insel in eine östliche und westliche Hälfte theilt. Beschrei¬<lb/>
bungen der reichen Producte, so wie der die große Insel im Kreis um¬<lb/>
schließenden zahlreichen kleinen vulkanischen Jnselgebiete schließen diesen<lb/>
Theil ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1096" next="#ID_1097"> Das geschichtliche Leben dieses merkwürdigen Landes pulsirt auf das<lb/>
reichste und wie könnte das auch anders sein! Auf der Grenzscheide gelegen<lb/>
zwischen dem östlichen und westlichen Becken des Mittelmeers und die Ver¬<lb/>
bindungsstraße zwischen beiden beherrschend hat es die Aufgabe gehabt und<lb/>
erfüllt, die Berührung der orientalischen Welt mit der abendländischen zu<lb/>
vermitteln. Nichts ist charakteristischer als die Thatsache, daß, mit Ausnahme<lb/>
der Aegypter, alle das Mittelmeer umwohnenden Culturvölker diese Insel<lb/>
besetzt, beherrscht, bewohnt haben; fortwährend war sie der Zankapfel der<lb/>
Nationen, und es hat Jemand ausgerechnet, daß im Ganzen 33 Stämme<lb/>
Niederlassungen dorthin geführt haben. Luden doch auch vier herrliche Häfen,<lb/>
einer (Lilybaeum-Marsala) auf der Westseite, einer auf der Nordseite (Pa¬<lb/>
lermo), zwei auf der Ostseite (Messina, Syrakus) den fremden Machthaber<lb/>
so gastfrei ein. Ein einiges und freies Reich war die Insel freilich nur im<lb/>
Mittelalter, von der Zeit an, da die Araber eine eigene nationale Dynastie<lb/>
in Palermo gründeten durch die kurze Periode der Normannenherrschaft und<lb/>
der Hohenstaufen hindurch, sonst war sie entweder in verschiedene Theile und<lb/>
Völkerschaften zerrissen, wie im Alterthum, oder in ihrer Gesammtheit aus¬<lb/>
wärtigen Mächten Unterthan, wie in späterer Zeit. Ihre centrale Lage, ihre<lb/>
Fruchtbarkeit und Schönheit war eben zugleich die Quelle vieler Leiden, aber<lb/>
sür die Geschichtsschreiber ist es sehr interessant, sich die Schicksale dieses<lb/>
vielumworbenen und vielbesessenen Fleckens Erde zu vergegenwärtigen. Im<lb/>
ersten Bande sührt Herr Holm die Geschichte bis zum Beginn des Krieges<lb/>
zwischen Athen und Syrakus, behandelt also einen Abschnitt, aus welchem<lb/>
den Gebildeten etwa nur der ltterarische Glanz des Dichterhofes König<lb/>
Hierons und aus der Urzeit höchstens noch Odysseus Besuch in der Kyklo-<lb/>
penhöhle bekannt ist. Da füllt sich denn der Raum mit lebensvollen Ge¬<lb/>
stalten. Schon in der Zeit, als die.Götter noch auf Erden wandelten, ist<lb/>
Sicilien nicht nur von den Unsterblichen geehrt, die seine Bergspitzen be¬<lb/>
wohnen, seine Fluren beschützen und sich Jeder seinen Lieblingsaufenthalt<lb/>
auswählten, sondern die Helden der Vorzeit, wie Herakles. Jolaus und Dac-<lb/>
dalus der erste Baumeister, Aristqeus, der Sohn des Apollo, Odysseus, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] Gelehrten und Umwohner gemacht haben. Von den Flüssen, zu denen dann übergegangen wird, weckt unser Interesse das in musterhafter Regelmäßigkeit angelegte System des Symäthus. und der Himera. der aus einem Quellensee in der Mitte der Insel entspringend zwei Arme bildet, einen der nach Süden ins afrikanische, den andern, der nach Norden ins tyrrhenische Meer abfließt und so die ganze Insel in eine östliche und westliche Hälfte theilt. Beschrei¬ bungen der reichen Producte, so wie der die große Insel im Kreis um¬ schließenden zahlreichen kleinen vulkanischen Jnselgebiete schließen diesen Theil ab. Das geschichtliche Leben dieses merkwürdigen Landes pulsirt auf das reichste und wie könnte das auch anders sein! Auf der Grenzscheide gelegen zwischen dem östlichen und westlichen Becken des Mittelmeers und die Ver¬ bindungsstraße zwischen beiden beherrschend hat es die Aufgabe gehabt und erfüllt, die Berührung der orientalischen Welt mit der abendländischen zu vermitteln. Nichts ist charakteristischer als die Thatsache, daß, mit Ausnahme der Aegypter, alle das Mittelmeer umwohnenden Culturvölker diese Insel besetzt, beherrscht, bewohnt haben; fortwährend war sie der Zankapfel der Nationen, und es hat Jemand ausgerechnet, daß im Ganzen 33 Stämme Niederlassungen dorthin geführt haben. Luden doch auch vier herrliche Häfen, einer (Lilybaeum-Marsala) auf der Westseite, einer auf der Nordseite (Pa¬ lermo), zwei auf der Ostseite (Messina, Syrakus) den fremden Machthaber so gastfrei ein. Ein einiges und freies Reich war die Insel freilich nur im Mittelalter, von der Zeit an, da die Araber eine eigene nationale Dynastie in Palermo gründeten durch die kurze Periode der Normannenherrschaft und der Hohenstaufen hindurch, sonst war sie entweder in verschiedene Theile und Völkerschaften zerrissen, wie im Alterthum, oder in ihrer Gesammtheit aus¬ wärtigen Mächten Unterthan, wie in späterer Zeit. Ihre centrale Lage, ihre Fruchtbarkeit und Schönheit war eben zugleich die Quelle vieler Leiden, aber sür die Geschichtsschreiber ist es sehr interessant, sich die Schicksale dieses vielumworbenen und vielbesessenen Fleckens Erde zu vergegenwärtigen. Im ersten Bande sührt Herr Holm die Geschichte bis zum Beginn des Krieges zwischen Athen und Syrakus, behandelt also einen Abschnitt, aus welchem den Gebildeten etwa nur der ltterarische Glanz des Dichterhofes König Hierons und aus der Urzeit höchstens noch Odysseus Besuch in der Kyklo- penhöhle bekannt ist. Da füllt sich denn der Raum mit lebensvollen Ge¬ stalten. Schon in der Zeit, als die.Götter noch auf Erden wandelten, ist Sicilien nicht nur von den Unsterblichen geehrt, die seine Bergspitzen be¬ wohnen, seine Fluren beschützen und sich Jeder seinen Lieblingsaufenthalt auswählten, sondern die Helden der Vorzeit, wie Herakles. Jolaus und Dac- dalus der erste Baumeister, Aristqeus, der Sohn des Apollo, Odysseus, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/370
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/370>, abgerufen am 18.12.2024.