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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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die Mitglieder des seligen deutschen Bundestages lose aneinander zu ketten,
hat ihren vorzüglichen Sitz in dem nach dem Glänze der Hauptstädte lüster¬
nen Palermo. Sicilien hat seine eigene Geschichte, unabhängig von derjeni¬
gen Italiens, vielbewegt, mannigfaltig und inhaltsreich, und man ist daher
vollkommen berechtigt, dieselbe zum Gegenstande besonderer Behandlung zu
wachen, wie es in dem uns vorliegenden Werke geschehen ist.

Es ist eine glückliche Wahl und man kann den loben, der sich das
Studium dieser Insel zu seiner Lebensaufgabe macht. Schon der landschaft¬
liche Charakter muß den wissenschaftlichen Mann dazu anreizen. Denn die
Erfahrung macht jeder der tausend Reisenden, welche von innerem unwider-
stehlichem Drange nach dem schönen Süden gezogen, jährlich die Alpen über¬
steigen, um das Wunderland der Apenninen zu schauen, daß, je weiter sie nach
Süden kommen, um so schöner, romantischer, malerischer, charaktervoller das Land
Wird. Diese gewaltige Zacken- und Linienbildung der Berge und Küsten,
diese tiefe Azurbläue der Luft und des Meeres, diese Farbenpracht der Sonnen-
Untergänge und des Alpenglühens, diese üppige Ergiebigkeit des mit Indien
und Mexico vergleichbaren Bodens gibt es doch nicht in Rom und Florenz.
Sieht man auf großartige Linienform, so gebührt dem Monte Pellegrino,
sieht man auf Majestät, so kommt dem Aetna die Siegespalme zu vor allen
Bergen Italiens. Constantinopel, Stockholm und Neapel gelten als die drei
am prachtvollsten gelegenen Städte, aber in der Bildung der Berge und der
Ebene kommt Palermo über Neapel, es fehlt ihm nur die inselreiche See.
So führt uns denn auch der Verfasser, wohlerkennend, daß einerseits die
Schilderung der Oertlichkeit seinem Buche mehr Interesse verleihen mußte,
daß andererseits auch die tiefen Wechselbeziehungen zwischen Bodengestaltung
und Geschichte der Einwohner überall vollste Beachtung verdienen, zu An-
fang seines Werkes in die geographische Erkenntniß der Insel ein. Von der
Meerenge an. die sich bildete, als die Sturmfluthen in unvordenklichen Zeiten
den Isthmus überwältigten und die Halbinsel zur Insel machten, von dem
Punkte an, wo Scylla und Charybdis ihr menschenverderbendes Werk trie¬
ben, umwandern wir die Küsten, die zackigen Vorgebirge und die purpur¬
blauem Buchten, besteigen dann die Berge im Innern, namentlich die von
den Alten sehr gerühmten Nebroden, den eichenbestandenen Mons Maroncus,
die isolirten Bergkegel Monte Pellegrino. Eknomos und Eryx, verweilen aber
Mit besonderem Wohlbehagen bei dem wunderbaren Feuerberge Aetna, der
uns ja durch die überaus präcisen Forschungen und Messungen des Pro¬
fessors von Waltershausen genauer bekannt geworden ist, als beinahe alle
anderen Punkte unseres Planeten. Wir hören da von den einzelnen Aus¬
brüchen des Vulkans, von den Anschauungen der Alten, von den Eindrücken,
welche die Feuerströme, die Dampfwirbel und die Donner auf die Dichter


die Mitglieder des seligen deutschen Bundestages lose aneinander zu ketten,
hat ihren vorzüglichen Sitz in dem nach dem Glänze der Hauptstädte lüster¬
nen Palermo. Sicilien hat seine eigene Geschichte, unabhängig von derjeni¬
gen Italiens, vielbewegt, mannigfaltig und inhaltsreich, und man ist daher
vollkommen berechtigt, dieselbe zum Gegenstande besonderer Behandlung zu
wachen, wie es in dem uns vorliegenden Werke geschehen ist.

Es ist eine glückliche Wahl und man kann den loben, der sich das
Studium dieser Insel zu seiner Lebensaufgabe macht. Schon der landschaft¬
liche Charakter muß den wissenschaftlichen Mann dazu anreizen. Denn die
Erfahrung macht jeder der tausend Reisenden, welche von innerem unwider-
stehlichem Drange nach dem schönen Süden gezogen, jährlich die Alpen über¬
steigen, um das Wunderland der Apenninen zu schauen, daß, je weiter sie nach
Süden kommen, um so schöner, romantischer, malerischer, charaktervoller das Land
Wird. Diese gewaltige Zacken- und Linienbildung der Berge und Küsten,
diese tiefe Azurbläue der Luft und des Meeres, diese Farbenpracht der Sonnen-
Untergänge und des Alpenglühens, diese üppige Ergiebigkeit des mit Indien
und Mexico vergleichbaren Bodens gibt es doch nicht in Rom und Florenz.
Sieht man auf großartige Linienform, so gebührt dem Monte Pellegrino,
sieht man auf Majestät, so kommt dem Aetna die Siegespalme zu vor allen
Bergen Italiens. Constantinopel, Stockholm und Neapel gelten als die drei
am prachtvollsten gelegenen Städte, aber in der Bildung der Berge und der
Ebene kommt Palermo über Neapel, es fehlt ihm nur die inselreiche See.
So führt uns denn auch der Verfasser, wohlerkennend, daß einerseits die
Schilderung der Oertlichkeit seinem Buche mehr Interesse verleihen mußte,
daß andererseits auch die tiefen Wechselbeziehungen zwischen Bodengestaltung
und Geschichte der Einwohner überall vollste Beachtung verdienen, zu An-
fang seines Werkes in die geographische Erkenntniß der Insel ein. Von der
Meerenge an. die sich bildete, als die Sturmfluthen in unvordenklichen Zeiten
den Isthmus überwältigten und die Halbinsel zur Insel machten, von dem
Punkte an, wo Scylla und Charybdis ihr menschenverderbendes Werk trie¬
ben, umwandern wir die Küsten, die zackigen Vorgebirge und die purpur¬
blauem Buchten, besteigen dann die Berge im Innern, namentlich die von
den Alten sehr gerühmten Nebroden, den eichenbestandenen Mons Maroncus,
die isolirten Bergkegel Monte Pellegrino. Eknomos und Eryx, verweilen aber
Mit besonderem Wohlbehagen bei dem wunderbaren Feuerberge Aetna, der
uns ja durch die überaus präcisen Forschungen und Messungen des Pro¬
fessors von Waltershausen genauer bekannt geworden ist, als beinahe alle
anderen Punkte unseres Planeten. Wir hören da von den einzelnen Aus¬
brüchen des Vulkans, von den Anschauungen der Alten, von den Eindrücken,
welche die Feuerströme, die Dampfwirbel und die Donner auf die Dichter


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[0369] die Mitglieder des seligen deutschen Bundestages lose aneinander zu ketten, hat ihren vorzüglichen Sitz in dem nach dem Glänze der Hauptstädte lüster¬ nen Palermo. Sicilien hat seine eigene Geschichte, unabhängig von derjeni¬ gen Italiens, vielbewegt, mannigfaltig und inhaltsreich, und man ist daher vollkommen berechtigt, dieselbe zum Gegenstande besonderer Behandlung zu wachen, wie es in dem uns vorliegenden Werke geschehen ist. Es ist eine glückliche Wahl und man kann den loben, der sich das Studium dieser Insel zu seiner Lebensaufgabe macht. Schon der landschaft¬ liche Charakter muß den wissenschaftlichen Mann dazu anreizen. Denn die Erfahrung macht jeder der tausend Reisenden, welche von innerem unwider- stehlichem Drange nach dem schönen Süden gezogen, jährlich die Alpen über¬ steigen, um das Wunderland der Apenninen zu schauen, daß, je weiter sie nach Süden kommen, um so schöner, romantischer, malerischer, charaktervoller das Land Wird. Diese gewaltige Zacken- und Linienbildung der Berge und Küsten, diese tiefe Azurbläue der Luft und des Meeres, diese Farbenpracht der Sonnen- Untergänge und des Alpenglühens, diese üppige Ergiebigkeit des mit Indien und Mexico vergleichbaren Bodens gibt es doch nicht in Rom und Florenz. Sieht man auf großartige Linienform, so gebührt dem Monte Pellegrino, sieht man auf Majestät, so kommt dem Aetna die Siegespalme zu vor allen Bergen Italiens. Constantinopel, Stockholm und Neapel gelten als die drei am prachtvollsten gelegenen Städte, aber in der Bildung der Berge und der Ebene kommt Palermo über Neapel, es fehlt ihm nur die inselreiche See. So führt uns denn auch der Verfasser, wohlerkennend, daß einerseits die Schilderung der Oertlichkeit seinem Buche mehr Interesse verleihen mußte, daß andererseits auch die tiefen Wechselbeziehungen zwischen Bodengestaltung und Geschichte der Einwohner überall vollste Beachtung verdienen, zu An- fang seines Werkes in die geographische Erkenntniß der Insel ein. Von der Meerenge an. die sich bildete, als die Sturmfluthen in unvordenklichen Zeiten den Isthmus überwältigten und die Halbinsel zur Insel machten, von dem Punkte an, wo Scylla und Charybdis ihr menschenverderbendes Werk trie¬ ben, umwandern wir die Küsten, die zackigen Vorgebirge und die purpur¬ blauem Buchten, besteigen dann die Berge im Innern, namentlich die von den Alten sehr gerühmten Nebroden, den eichenbestandenen Mons Maroncus, die isolirten Bergkegel Monte Pellegrino. Eknomos und Eryx, verweilen aber Mit besonderem Wohlbehagen bei dem wunderbaren Feuerberge Aetna, der uns ja durch die überaus präcisen Forschungen und Messungen des Pro¬ fessors von Waltershausen genauer bekannt geworden ist, als beinahe alle anderen Punkte unseres Planeten. Wir hören da von den einzelnen Aus¬ brüchen des Vulkans, von den Anschauungen der Alten, von den Eindrücken, welche die Feuerströme, die Dampfwirbel und die Donner auf die Dichter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/369>, abgerufen am 01.09.2024.