Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.ultramontanen Tiroler und andere Duodezstämme. Dr. Giskra erkannte das ultramontanen Tiroler und andere Duodezstämme. Dr. Giskra erkannte das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123983"/> <p xml:id="ID_1079" prev="#ID_1078" next="#ID_1080"> ultramontanen Tiroler und andere Duodezstämme. Dr. Giskra erkannte das<lb/> einzige Heilmittel in der Wahlreform, oder richtiger gesagt, diese Erkenntniß<lb/> drängte sich ihm auf, als durch die Resolution der Polen und die Declaration<lb/> der Czechen die Gefahr immer klarer zu Tage trat, daß der Reichsrath<lb/> durch Ausscheidung der widerstrebenden Elemente entweder beschlußunfähig<lb/> werden, oder zu einem Rumpfparlamente zusammenschrumpfen könnte. Das<lb/> einzige Gegenmittel, das dem Minister erlaubt schien, war die Verstärkung des<lb/> Reichsraths, die dessen Zerbröckelung unmöglich machen sollte. Anfangs schien<lb/> auch der Kaiser damit einverstanden, später erhoben sich dagegen Bedenken selbst<lb/> im Ministerrathe, als hiebei die directen Wahlen zur Sprache kamen. Man<lb/> konnte darüber nicht schlüssig werden, ob nach dem revidirten Grundgesetze<lb/> über die Reichsvertretung den Landtagen bloß die Pflicht oder auch das<lb/> Recht der Wahl in den Reichsrath zustehe. Endlich einigte man sich um die<lb/> Mitte September v. I. nach zweimaliger Berathung über ein vom Minister<lb/> des Innern entworfenes und an einzelnen Stellen abgeändertes Umlauf-<lb/> schreiben an alle Länderchefs, wonach die Frage der Wahlreform nicht ohne<lb/> Intervention der Landtage gelöst werden sollte. Es drückte die Erwartung<lb/> aus, daß sich diese der Reform bemächtigen, alle Detailfragen in ihrer vollen<lb/> Tragweite erwägen und darüber bindende Beschlüsse fassen würden. Wenn<lb/> man damit den Weg der Verständigung zu betreten dachte, so war unschwer<lb/> vorherzusehen, daß der Versuch ein vergeblicher sei, denn wie sollten siebzehn<lb/> Landtage, selbst wenn sie nicht aus so verschiedenen Elementen beständen,<lb/> auch nur der Hauptsache nach in derselben Anschauung zusammentreffen? In<lb/> der That gab es deren einige, welche die directen Wahlen in den Reichsrath<lb/> schlechtweg ablehnten, andere, die sich dafür erklärten, aber eine verschiedene<lb/> Durchführung vorschlugen; der galizische endlich ließ sie gar nicht zur Sprache<lb/> bringen, so daß man dort für Polens Sonderinteressen die frühere Resolu¬<lb/> tion von Neuem betrieb. Inzwischen versäumte Graf Beust nicht, die Oppo¬<lb/> sition, die mit jedem Tage kecker ihr Haupt erhob, durch seine Preßorgane<lb/> gegen den Reichsrath zu schüren. Dabei kam ihm die feudale Fraction<lb/> im Ministerrathe selbst zu statten. Die Mitglieder derselben. Taaffe. Potocki<lb/> und Berger, traten auf seine Seite, der hierdurch allmälig vorbereitete Zwie¬<lb/> spalt kam endlich offen zu Tage. Auch höchsten Orts hatte er gewußt, ernste<lb/> Besorgnisse rege zu machen. Bei der am 10. December v. I. gehaltenen<lb/> Ministerconferenz stellte der Kaiser an das Gesammtministerium die Aufforde¬<lb/> rung, „sich alsbald mit der Frage zu beschäftigen, welche Schritte zu ge-<lb/> schehen hätten, um eine Verständigung mit den bisher außerhalb der Ver¬<lb/> fassung stehenden Parteien zu ermöglichen, damit die Verfassung durch allge¬<lb/> meine Annahme und Betheiligung zur Wahrheit werde." Dieser Wunsch<lb/> klang auch in der von Hafner verfaßten Thronrede durch, deren Abänderung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
ultramontanen Tiroler und andere Duodezstämme. Dr. Giskra erkannte das
einzige Heilmittel in der Wahlreform, oder richtiger gesagt, diese Erkenntniß
drängte sich ihm auf, als durch die Resolution der Polen und die Declaration
der Czechen die Gefahr immer klarer zu Tage trat, daß der Reichsrath
durch Ausscheidung der widerstrebenden Elemente entweder beschlußunfähig
werden, oder zu einem Rumpfparlamente zusammenschrumpfen könnte. Das
einzige Gegenmittel, das dem Minister erlaubt schien, war die Verstärkung des
Reichsraths, die dessen Zerbröckelung unmöglich machen sollte. Anfangs schien
auch der Kaiser damit einverstanden, später erhoben sich dagegen Bedenken selbst
im Ministerrathe, als hiebei die directen Wahlen zur Sprache kamen. Man
konnte darüber nicht schlüssig werden, ob nach dem revidirten Grundgesetze
über die Reichsvertretung den Landtagen bloß die Pflicht oder auch das
Recht der Wahl in den Reichsrath zustehe. Endlich einigte man sich um die
Mitte September v. I. nach zweimaliger Berathung über ein vom Minister
des Innern entworfenes und an einzelnen Stellen abgeändertes Umlauf-
schreiben an alle Länderchefs, wonach die Frage der Wahlreform nicht ohne
Intervention der Landtage gelöst werden sollte. Es drückte die Erwartung
aus, daß sich diese der Reform bemächtigen, alle Detailfragen in ihrer vollen
Tragweite erwägen und darüber bindende Beschlüsse fassen würden. Wenn
man damit den Weg der Verständigung zu betreten dachte, so war unschwer
vorherzusehen, daß der Versuch ein vergeblicher sei, denn wie sollten siebzehn
Landtage, selbst wenn sie nicht aus so verschiedenen Elementen beständen,
auch nur der Hauptsache nach in derselben Anschauung zusammentreffen? In
der That gab es deren einige, welche die directen Wahlen in den Reichsrath
schlechtweg ablehnten, andere, die sich dafür erklärten, aber eine verschiedene
Durchführung vorschlugen; der galizische endlich ließ sie gar nicht zur Sprache
bringen, so daß man dort für Polens Sonderinteressen die frühere Resolu¬
tion von Neuem betrieb. Inzwischen versäumte Graf Beust nicht, die Oppo¬
sition, die mit jedem Tage kecker ihr Haupt erhob, durch seine Preßorgane
gegen den Reichsrath zu schüren. Dabei kam ihm die feudale Fraction
im Ministerrathe selbst zu statten. Die Mitglieder derselben. Taaffe. Potocki
und Berger, traten auf seine Seite, der hierdurch allmälig vorbereitete Zwie¬
spalt kam endlich offen zu Tage. Auch höchsten Orts hatte er gewußt, ernste
Besorgnisse rege zu machen. Bei der am 10. December v. I. gehaltenen
Ministerconferenz stellte der Kaiser an das Gesammtministerium die Aufforde¬
rung, „sich alsbald mit der Frage zu beschäftigen, welche Schritte zu ge-
schehen hätten, um eine Verständigung mit den bisher außerhalb der Ver¬
fassung stehenden Parteien zu ermöglichen, damit die Verfassung durch allge¬
meine Annahme und Betheiligung zur Wahrheit werde." Dieser Wunsch
klang auch in der von Hafner verfaßten Thronrede durch, deren Abänderung
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