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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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niger, mit Satyrsköpfen und verguldeten Schnitzwerke verzierten Rahm ge¬
faßt war, stand in dem schmalen Sälgen, gegen die Thür gewendet, worinne
Man in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hineingehet. Es war mit
14 Lichtern erleuchtet und darhinter war ein grünes Tuch angeschlagen,
welches die nehmlichen Dienste that als bei einem Gemählde der Grund.
Die Musik war im Saal. Die Kleidung des Gh. Gödens war rothe
Strümpfe, welche über die Knie giengen, eine große Bürgermeistersweste,
dergleichen Manschetten, Schapeau und Halskrauße, Rock mit großen Auf¬
schlägen, und eine schwartze Perruque. Als der Hertzogin zu wißen gethan
worden war, daß alles bereit sei, gieng der Gh. G. mit mir, der ich die
nehmliche Kleidung anhatte als auf dem Jahrmarkt zu Plundersweilen und
eine Masque vor dem Gesicht, der Hertzogin entgegen; er sagte ihr, er hofte.
Jhro Durchl. würden denen Vornehmen zu Plund. die hohe Ehre nicht
abschlagen, sie ein wenig im Vorbeigehen zu besuchen, da ihnen diese hohe
Gnade an den vorigen Jahrmarkt schon einmahl widerfahren sei; doch ließe
sich der dasige Senat entschuldigen, daß er nicht selbst gekommen sey, Jhro
Durchl. zu bewillkommen, weil seine Glieder alle verheirathet und Kinder
hätten und sich also des Vergnügens ohnmöglich berauben könnten, ihren
kleinen Zöglingen heute Abend Heiligen Christ zu bescheeren; derowegen
hätten sie ihn armen Hagestoltz abgeschickt Jhro Durchl. einzuladen. Damit
war die Anrede aus, ich gab das Zeichen, daß die Musik angieng und die
Hertzogin trat in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hinein; sie besah
wie Fr. v. Jöchhauß das Gemählde. Wie die Musik aus war, setzte sie sich,
wobei ich ihr den Stuhl schieben mußte; der Gh. G. nahm die Verse und
einen Stab in die Hand, deklamirte sie und wieß mit dem Stab auf die
Sachen im Gemählde, welche die Verse erklärten. Da dieses vorbei war
wünschte ich, daß das Gemählde noch einmal so groß wäre, auf daß mein
Verstand noch länger auf so eine angenehme Weise ergözt würde: doch iedes
Ding hat sein Ende und meine Beschreibung hat das ihrige auch erreicht.


(Ohne Unterschrift.)
In Laken coMfi A. Schöll.


Graf Beust und die Lage Oestreichs.

Graf Reuse trat unter der kurzsichtigen Reaction Belcredi's ins östreichi¬
sche Ministerium; sobald dieser Liebling des Hofes beseitigt war und der
Sachse dessen Sitz eingenommen, sah er sich genöthigt, der damals mächtigen


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niger, mit Satyrsköpfen und verguldeten Schnitzwerke verzierten Rahm ge¬
faßt war, stand in dem schmalen Sälgen, gegen die Thür gewendet, worinne
Man in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hineingehet. Es war mit
14 Lichtern erleuchtet und darhinter war ein grünes Tuch angeschlagen,
welches die nehmlichen Dienste that als bei einem Gemählde der Grund.
Die Musik war im Saal. Die Kleidung des Gh. Gödens war rothe
Strümpfe, welche über die Knie giengen, eine große Bürgermeistersweste,
dergleichen Manschetten, Schapeau und Halskrauße, Rock mit großen Auf¬
schlägen, und eine schwartze Perruque. Als der Hertzogin zu wißen gethan
worden war, daß alles bereit sei, gieng der Gh. G. mit mir, der ich die
nehmliche Kleidung anhatte als auf dem Jahrmarkt zu Plundersweilen und
eine Masque vor dem Gesicht, der Hertzogin entgegen; er sagte ihr, er hofte.
Jhro Durchl. würden denen Vornehmen zu Plund. die hohe Ehre nicht
abschlagen, sie ein wenig im Vorbeigehen zu besuchen, da ihnen diese hohe
Gnade an den vorigen Jahrmarkt schon einmahl widerfahren sei; doch ließe
sich der dasige Senat entschuldigen, daß er nicht selbst gekommen sey, Jhro
Durchl. zu bewillkommen, weil seine Glieder alle verheirathet und Kinder
hätten und sich also des Vergnügens ohnmöglich berauben könnten, ihren
kleinen Zöglingen heute Abend Heiligen Christ zu bescheeren; derowegen
hätten sie ihn armen Hagestoltz abgeschickt Jhro Durchl. einzuladen. Damit
war die Anrede aus, ich gab das Zeichen, daß die Musik angieng und die
Hertzogin trat in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hinein; sie besah
wie Fr. v. Jöchhauß das Gemählde. Wie die Musik aus war, setzte sie sich,
wobei ich ihr den Stuhl schieben mußte; der Gh. G. nahm die Verse und
einen Stab in die Hand, deklamirte sie und wieß mit dem Stab auf die
Sachen im Gemählde, welche die Verse erklärten. Da dieses vorbei war
wünschte ich, daß das Gemählde noch einmal so groß wäre, auf daß mein
Verstand noch länger auf so eine angenehme Weise ergözt würde: doch iedes
Ding hat sein Ende und meine Beschreibung hat das ihrige auch erreicht.


(Ohne Unterschrift.)
In Laken coMfi A. Schöll.


Graf Beust und die Lage Oestreichs.

Graf Reuse trat unter der kurzsichtigen Reaction Belcredi's ins östreichi¬
sche Ministerium; sobald dieser Liebling des Hofes beseitigt war und der
Sachse dessen Sitz eingenommen, sah er sich genöthigt, der damals mächtigen


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[0361] niger, mit Satyrsköpfen und verguldeten Schnitzwerke verzierten Rahm ge¬ faßt war, stand in dem schmalen Sälgen, gegen die Thür gewendet, worinne Man in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hineingehet. Es war mit 14 Lichtern erleuchtet und darhinter war ein grünes Tuch angeschlagen, welches die nehmlichen Dienste that als bei einem Gemählde der Grund. Die Musik war im Saal. Die Kleidung des Gh. Gödens war rothe Strümpfe, welche über die Knie giengen, eine große Bürgermeistersweste, dergleichen Manschetten, Schapeau und Halskrauße, Rock mit großen Auf¬ schlägen, und eine schwartze Perruque. Als der Hertzogin zu wißen gethan worden war, daß alles bereit sei, gieng der Gh. G. mit mir, der ich die nehmliche Kleidung anhatte als auf dem Jahrmarkt zu Plundersweilen und eine Masque vor dem Gesicht, der Hertzogin entgegen; er sagte ihr, er hofte. Jhro Durchl. würden denen Vornehmen zu Plund. die hohe Ehre nicht abschlagen, sie ein wenig im Vorbeigehen zu besuchen, da ihnen diese hohe Gnade an den vorigen Jahrmarkt schon einmahl widerfahren sei; doch ließe sich der dasige Senat entschuldigen, daß er nicht selbst gekommen sey, Jhro Durchl. zu bewillkommen, weil seine Glieder alle verheirathet und Kinder hätten und sich also des Vergnügens ohnmöglich berauben könnten, ihren kleinen Zöglingen heute Abend Heiligen Christ zu bescheeren; derowegen hätten sie ihn armen Hagestoltz abgeschickt Jhro Durchl. einzuladen. Damit war die Anrede aus, ich gab das Zeichen, daß die Musik angieng und die Hertzogin trat in den Aufenthalt der Medizäischen Venus hinein; sie besah wie Fr. v. Jöchhauß das Gemählde. Wie die Musik aus war, setzte sie sich, wobei ich ihr den Stuhl schieben mußte; der Gh. G. nahm die Verse und einen Stab in die Hand, deklamirte sie und wieß mit dem Stab auf die Sachen im Gemählde, welche die Verse erklärten. Da dieses vorbei war wünschte ich, daß das Gemählde noch einmal so groß wäre, auf daß mein Verstand noch länger auf so eine angenehme Weise ergözt würde: doch iedes Ding hat sein Ende und meine Beschreibung hat das ihrige auch erreicht. (Ohne Unterschrift.) In Laken coMfi A. Schöll. Graf Beust und die Lage Oestreichs. Graf Reuse trat unter der kurzsichtigen Reaction Belcredi's ins östreichi¬ sche Ministerium; sobald dieser Liebling des Hofes beseitigt war und der Sachse dessen Sitz eingenommen, sah er sich genöthigt, der damals mächtigen 45*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/361>, abgerufen am 27.07.2024.