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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Die Seestadt verehrte natürlich auch die Götter des Meeres, neben Neptun
besonders die Castoren, das allen Schiffern heilige Brüderpaar Castor und
Pollux, welche die stürmische See beruhigten und gute Fahrt gaben; ihr
am 27. Januar unter Leitung des höchsten Civilbeamten Roms gefeiertes
Fest war noch in später Zeit seiner Spiele wegen sehr beliebt.

Einige Denkmäler geben weitere Nachrichten über die religiösen Zustände
Ostia's zu verschiedenen Zeiten. Zunächst eine Inschrift aus der Gründung
des Kaiserreichs, welche die Stiftungen des P. Lucilius Gamala, eines
municipalen Würdenträgers aufzählt. Außer verschiedenen Leistungen von
mehr bürgerlicher Art. wie Pflasterung einer Straße, unentgeltliche Ab¬
haltung von Spielen, Stiftung von Normalgewichten, Ausstattung des
Tribunals mit Marmorschmuck, Schenkung einer Geldsumme an die Stadt
in Kriegszeiten, mehrfacher Speisungen der Stadtbewohner wird erwähnt,
er habe den Tempel des Vulkan restaurirt und den Göttinnen Venus, Fortuna,
Ceres und spes Heiligthümer neu gebaut. Mögen diese Heiligthümer auch
entsprechend der verhältnißmäßig alten Zeit, in welcher Gamala lebte, von
einfachen Verhältnissen gewesen sein, ein wie großer religiöser Eifer spricht
sich hierin aus und wie viel hat hier ein einzelner Mann gethan! Anders
ist es dann anderthalb Jahrhunderte später, wo auf einer stattlichen Ehren"
laset die Namen und Titel von mehr als hundert Männern aufgezeichnet sind,
welche das Geld zur Erweiterung eines einzigen Tempels zusammengeschossen
haben. Aber auch die Reihe jener Göttinnen ist bemerkenswerth und zwar
nicht nur weil der Cultus des Glückes und der Hoffnung, der Ceres und
der Venus für einen Kaufmann bezeichnend ist, sondern auch deshalb, weil
diese Gottheiten rein römische und italische sind. Gamala ist kein römisches
Wort, vielmehr der Name einer syrischen Stadt und die Familie des frommen
Mannes wird von dort herstammen; um so größere Beachtung verdient es,
daß er statt den orientalischen Culten anzuhängen völlig die römischen reli¬
giösen Anschauungen getheilt hat. Man hat die Ansicht ausgesprochen, daß
die fremden Culte schon frühe in der Hafenstadt Verehrung gefunden haben,
allein vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt wird
dies nur in geringem Maße der Fall gewesen sein. Der Handel mit der
Levante nahm seinen Weg über Pozzuoli und konnte keinen wesentlichen
Einfluß auf Ostia ausüben; auch erkennt man an den Gräbern, daß die
ältere Bestattungsweise, das Verbrennen der Todten und die Beisetzung ihrer
Asche nur langsam und spät der neueren gewichen ist, die unter der Ein¬
wirkung von fremden, orientalischen Vorstellungen und Auferstehungslehren
die Bestattung unversehrter Leichen gebot und in einzelnen Fällen selbst Um¬
bauten der Gräber herbeigeführt hat. Zu diesen Zeugen für den erst spät
eingetretenen Umschwung gehört auch eine Reihe von Inschriften aus dem


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Die Seestadt verehrte natürlich auch die Götter des Meeres, neben Neptun
besonders die Castoren, das allen Schiffern heilige Brüderpaar Castor und
Pollux, welche die stürmische See beruhigten und gute Fahrt gaben; ihr
am 27. Januar unter Leitung des höchsten Civilbeamten Roms gefeiertes
Fest war noch in später Zeit seiner Spiele wegen sehr beliebt.

Einige Denkmäler geben weitere Nachrichten über die religiösen Zustände
Ostia's zu verschiedenen Zeiten. Zunächst eine Inschrift aus der Gründung
des Kaiserreichs, welche die Stiftungen des P. Lucilius Gamala, eines
municipalen Würdenträgers aufzählt. Außer verschiedenen Leistungen von
mehr bürgerlicher Art. wie Pflasterung einer Straße, unentgeltliche Ab¬
haltung von Spielen, Stiftung von Normalgewichten, Ausstattung des
Tribunals mit Marmorschmuck, Schenkung einer Geldsumme an die Stadt
in Kriegszeiten, mehrfacher Speisungen der Stadtbewohner wird erwähnt,
er habe den Tempel des Vulkan restaurirt und den Göttinnen Venus, Fortuna,
Ceres und spes Heiligthümer neu gebaut. Mögen diese Heiligthümer auch
entsprechend der verhältnißmäßig alten Zeit, in welcher Gamala lebte, von
einfachen Verhältnissen gewesen sein, ein wie großer religiöser Eifer spricht
sich hierin aus und wie viel hat hier ein einzelner Mann gethan! Anders
ist es dann anderthalb Jahrhunderte später, wo auf einer stattlichen Ehren«
laset die Namen und Titel von mehr als hundert Männern aufgezeichnet sind,
welche das Geld zur Erweiterung eines einzigen Tempels zusammengeschossen
haben. Aber auch die Reihe jener Göttinnen ist bemerkenswerth und zwar
nicht nur weil der Cultus des Glückes und der Hoffnung, der Ceres und
der Venus für einen Kaufmann bezeichnend ist, sondern auch deshalb, weil
diese Gottheiten rein römische und italische sind. Gamala ist kein römisches
Wort, vielmehr der Name einer syrischen Stadt und die Familie des frommen
Mannes wird von dort herstammen; um so größere Beachtung verdient es,
daß er statt den orientalischen Culten anzuhängen völlig die römischen reli¬
giösen Anschauungen getheilt hat. Man hat die Ansicht ausgesprochen, daß
die fremden Culte schon frühe in der Hafenstadt Verehrung gefunden haben,
allein vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt wird
dies nur in geringem Maße der Fall gewesen sein. Der Handel mit der
Levante nahm seinen Weg über Pozzuoli und konnte keinen wesentlichen
Einfluß auf Ostia ausüben; auch erkennt man an den Gräbern, daß die
ältere Bestattungsweise, das Verbrennen der Todten und die Beisetzung ihrer
Asche nur langsam und spät der neueren gewichen ist, die unter der Ein¬
wirkung von fremden, orientalischen Vorstellungen und Auferstehungslehren
die Bestattung unversehrter Leichen gebot und in einzelnen Fällen selbst Um¬
bauten der Gräber herbeigeführt hat. Zu diesen Zeugen für den erst spät
eingetretenen Umschwung gehört auch eine Reihe von Inschriften aus dem


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[0345] Die Seestadt verehrte natürlich auch die Götter des Meeres, neben Neptun besonders die Castoren, das allen Schiffern heilige Brüderpaar Castor und Pollux, welche die stürmische See beruhigten und gute Fahrt gaben; ihr am 27. Januar unter Leitung des höchsten Civilbeamten Roms gefeiertes Fest war noch in später Zeit seiner Spiele wegen sehr beliebt. Einige Denkmäler geben weitere Nachrichten über die religiösen Zustände Ostia's zu verschiedenen Zeiten. Zunächst eine Inschrift aus der Gründung des Kaiserreichs, welche die Stiftungen des P. Lucilius Gamala, eines municipalen Würdenträgers aufzählt. Außer verschiedenen Leistungen von mehr bürgerlicher Art. wie Pflasterung einer Straße, unentgeltliche Ab¬ haltung von Spielen, Stiftung von Normalgewichten, Ausstattung des Tribunals mit Marmorschmuck, Schenkung einer Geldsumme an die Stadt in Kriegszeiten, mehrfacher Speisungen der Stadtbewohner wird erwähnt, er habe den Tempel des Vulkan restaurirt und den Göttinnen Venus, Fortuna, Ceres und spes Heiligthümer neu gebaut. Mögen diese Heiligthümer auch entsprechend der verhältnißmäßig alten Zeit, in welcher Gamala lebte, von einfachen Verhältnissen gewesen sein, ein wie großer religiöser Eifer spricht sich hierin aus und wie viel hat hier ein einzelner Mann gethan! Anders ist es dann anderthalb Jahrhunderte später, wo auf einer stattlichen Ehren« laset die Namen und Titel von mehr als hundert Männern aufgezeichnet sind, welche das Geld zur Erweiterung eines einzigen Tempels zusammengeschossen haben. Aber auch die Reihe jener Göttinnen ist bemerkenswerth und zwar nicht nur weil der Cultus des Glückes und der Hoffnung, der Ceres und der Venus für einen Kaufmann bezeichnend ist, sondern auch deshalb, weil diese Gottheiten rein römische und italische sind. Gamala ist kein römisches Wort, vielmehr der Name einer syrischen Stadt und die Familie des frommen Mannes wird von dort herstammen; um so größere Beachtung verdient es, daß er statt den orientalischen Culten anzuhängen völlig die römischen reli¬ giösen Anschauungen getheilt hat. Man hat die Ansicht ausgesprochen, daß die fremden Culte schon frühe in der Hafenstadt Verehrung gefunden haben, allein vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt wird dies nur in geringem Maße der Fall gewesen sein. Der Handel mit der Levante nahm seinen Weg über Pozzuoli und konnte keinen wesentlichen Einfluß auf Ostia ausüben; auch erkennt man an den Gräbern, daß die ältere Bestattungsweise, das Verbrennen der Todten und die Beisetzung ihrer Asche nur langsam und spät der neueren gewichen ist, die unter der Ein¬ wirkung von fremden, orientalischen Vorstellungen und Auferstehungslehren die Bestattung unversehrter Leichen gebot und in einzelnen Fällen selbst Um¬ bauten der Gräber herbeigeführt hat. Zu diesen Zeugen für den erst spät eingetretenen Umschwung gehört auch eine Reihe von Inschriften aus dem 43-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/345>, abgerufen am 18.12.2024.