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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Haus eine glückliche Ausnahme. Außer manchen Gerätschaften fanden sich
allmälig nicht weniger als zweiundzwanzig größere oder kleinere Bronze¬
statuetten und endlich auch zwei goldene Ringe, ein jeder von dem beträcht¬
lichen Gewichte von mehr als fünfunddreißig Grammen, der eine in Form
einer mehrfach gewundenen Schlange, der andere einfacher, aber mit einer
seltenen Goldmünze des Kaisers Trajanus Decius verziert. Wir waren
Zeugen von der frohen Stimmung der Aufseher, als das erste Stück des
edlen Metalls eben hervorgezogen war; bei einem wiederholten Besuche war
man in Folge einer zweitägigen unfruchtbaren Arbeit ziemlich mißmuthig.
Jene Statuetten, unter denen einige künstlerischen Werth besitzen, standen in
der Hauscapelle, dem Lararium, und waren zum Theil durch Feuer arg be¬
schädigt; auch nimmt man an, das Haus sei bei einem Brande im vierten
Jahrhundert zerstört und seitdem unter seinen Trümmern liegen geblieben.

Bedeutenderes Interesse flößt ein Tempel ein, der in der Mitte der
Stadt innerhalb eines zum Theil durch Säulenhallen begrenzten Bezirkes auf
hohen Substructionen emporragt. Nach Süden orientirt hatte er eine säulen¬
getragene Vorhalle und eine Celle, in deren Hintergrund das Cultusbild aus
aus hohem und breitem Postamente stand. Von den schönen Marmortafeln,
welche den äußerst sorgfältig gefügten Backsteinbau im Innern und Aeußern
überall bedeckten, ist nur wenig noch an Ort und Stelle, zumal da seit Jah¬
ren fast Jeder der zahlreichen Besucher Stücke davon entführt hat, aber
einige große, schön gearbeitete Gebälkstücke und die imposante noch an ihrer
Stelle liegende Schwelle, ein Block bunten afrikanischen Marmors von mehr
als achtzehn Fuß Länge, werden auch wohl noch unseren Nachkommen eine
Vorstellung von der Pracht der Ausstattung gewähren. Sicherlich ist es
einer der Haupttempel der Stadt gewesen, doch läßt es sich nicht bestimmen,
wem er geweiht war.

Als eine in Ostia hochverehrte Gottheit ist Vulkan bekannt, der väter¬
liche, wie man ihn hieß. Für die mit seinem Dienste verbundenen Feste zu
sorgen, war ein wichtiges Municipalamt und sein Oberpriester, ein Mann
vom höchsten Range, hatte die Aussicht auch über die übrigen Heiligthümer
der Stadt und ihrer Umgebung. Welche Eigenschaft in dem Wesen Vulkan's
diesen Cultus ursprünglich veranlaßt haben mag, ist schwer zu ergründen, in
der Kaiserzeit aber wird der Gott hier wie in Rom hauptsächlich in der be¬
stimmten Absicht verehrt worden sein, um Schutz gegen sein verheerendes
Element zu erflehen. Durch gewissenhaften, eifrigen Cultus der Gottheit
suchte man Feuersbrünsten, die in der an Magazinen reichen Stadt sehr ge¬
fährlich werden konnten, vorzubeugen, ohne darum praktische Vorsichts¬
maßregeln zu vernachlässigen. Denn kurze Zeit, nachdem in Rom das Corps
der Feuerwächter organisirt war, erhielt auch Ostia eine Cohorte desselben.


Haus eine glückliche Ausnahme. Außer manchen Gerätschaften fanden sich
allmälig nicht weniger als zweiundzwanzig größere oder kleinere Bronze¬
statuetten und endlich auch zwei goldene Ringe, ein jeder von dem beträcht¬
lichen Gewichte von mehr als fünfunddreißig Grammen, der eine in Form
einer mehrfach gewundenen Schlange, der andere einfacher, aber mit einer
seltenen Goldmünze des Kaisers Trajanus Decius verziert. Wir waren
Zeugen von der frohen Stimmung der Aufseher, als das erste Stück des
edlen Metalls eben hervorgezogen war; bei einem wiederholten Besuche war
man in Folge einer zweitägigen unfruchtbaren Arbeit ziemlich mißmuthig.
Jene Statuetten, unter denen einige künstlerischen Werth besitzen, standen in
der Hauscapelle, dem Lararium, und waren zum Theil durch Feuer arg be¬
schädigt; auch nimmt man an, das Haus sei bei einem Brande im vierten
Jahrhundert zerstört und seitdem unter seinen Trümmern liegen geblieben.

Bedeutenderes Interesse flößt ein Tempel ein, der in der Mitte der
Stadt innerhalb eines zum Theil durch Säulenhallen begrenzten Bezirkes auf
hohen Substructionen emporragt. Nach Süden orientirt hatte er eine säulen¬
getragene Vorhalle und eine Celle, in deren Hintergrund das Cultusbild aus
aus hohem und breitem Postamente stand. Von den schönen Marmortafeln,
welche den äußerst sorgfältig gefügten Backsteinbau im Innern und Aeußern
überall bedeckten, ist nur wenig noch an Ort und Stelle, zumal da seit Jah¬
ren fast Jeder der zahlreichen Besucher Stücke davon entführt hat, aber
einige große, schön gearbeitete Gebälkstücke und die imposante noch an ihrer
Stelle liegende Schwelle, ein Block bunten afrikanischen Marmors von mehr
als achtzehn Fuß Länge, werden auch wohl noch unseren Nachkommen eine
Vorstellung von der Pracht der Ausstattung gewähren. Sicherlich ist es
einer der Haupttempel der Stadt gewesen, doch läßt es sich nicht bestimmen,
wem er geweiht war.

Als eine in Ostia hochverehrte Gottheit ist Vulkan bekannt, der väter¬
liche, wie man ihn hieß. Für die mit seinem Dienste verbundenen Feste zu
sorgen, war ein wichtiges Municipalamt und sein Oberpriester, ein Mann
vom höchsten Range, hatte die Aussicht auch über die übrigen Heiligthümer
der Stadt und ihrer Umgebung. Welche Eigenschaft in dem Wesen Vulkan's
diesen Cultus ursprünglich veranlaßt haben mag, ist schwer zu ergründen, in
der Kaiserzeit aber wird der Gott hier wie in Rom hauptsächlich in der be¬
stimmten Absicht verehrt worden sein, um Schutz gegen sein verheerendes
Element zu erflehen. Durch gewissenhaften, eifrigen Cultus der Gottheit
suchte man Feuersbrünsten, die in der an Magazinen reichen Stadt sehr ge¬
fährlich werden konnten, vorzubeugen, ohne darum praktische Vorsichts¬
maßregeln zu vernachlässigen. Denn kurze Zeit, nachdem in Rom das Corps
der Feuerwächter organisirt war, erhielt auch Ostia eine Cohorte desselben.


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[0344] Haus eine glückliche Ausnahme. Außer manchen Gerätschaften fanden sich allmälig nicht weniger als zweiundzwanzig größere oder kleinere Bronze¬ statuetten und endlich auch zwei goldene Ringe, ein jeder von dem beträcht¬ lichen Gewichte von mehr als fünfunddreißig Grammen, der eine in Form einer mehrfach gewundenen Schlange, der andere einfacher, aber mit einer seltenen Goldmünze des Kaisers Trajanus Decius verziert. Wir waren Zeugen von der frohen Stimmung der Aufseher, als das erste Stück des edlen Metalls eben hervorgezogen war; bei einem wiederholten Besuche war man in Folge einer zweitägigen unfruchtbaren Arbeit ziemlich mißmuthig. Jene Statuetten, unter denen einige künstlerischen Werth besitzen, standen in der Hauscapelle, dem Lararium, und waren zum Theil durch Feuer arg be¬ schädigt; auch nimmt man an, das Haus sei bei einem Brande im vierten Jahrhundert zerstört und seitdem unter seinen Trümmern liegen geblieben. Bedeutenderes Interesse flößt ein Tempel ein, der in der Mitte der Stadt innerhalb eines zum Theil durch Säulenhallen begrenzten Bezirkes auf hohen Substructionen emporragt. Nach Süden orientirt hatte er eine säulen¬ getragene Vorhalle und eine Celle, in deren Hintergrund das Cultusbild aus aus hohem und breitem Postamente stand. Von den schönen Marmortafeln, welche den äußerst sorgfältig gefügten Backsteinbau im Innern und Aeußern überall bedeckten, ist nur wenig noch an Ort und Stelle, zumal da seit Jah¬ ren fast Jeder der zahlreichen Besucher Stücke davon entführt hat, aber einige große, schön gearbeitete Gebälkstücke und die imposante noch an ihrer Stelle liegende Schwelle, ein Block bunten afrikanischen Marmors von mehr als achtzehn Fuß Länge, werden auch wohl noch unseren Nachkommen eine Vorstellung von der Pracht der Ausstattung gewähren. Sicherlich ist es einer der Haupttempel der Stadt gewesen, doch läßt es sich nicht bestimmen, wem er geweiht war. Als eine in Ostia hochverehrte Gottheit ist Vulkan bekannt, der väter¬ liche, wie man ihn hieß. Für die mit seinem Dienste verbundenen Feste zu sorgen, war ein wichtiges Municipalamt und sein Oberpriester, ein Mann vom höchsten Range, hatte die Aussicht auch über die übrigen Heiligthümer der Stadt und ihrer Umgebung. Welche Eigenschaft in dem Wesen Vulkan's diesen Cultus ursprünglich veranlaßt haben mag, ist schwer zu ergründen, in der Kaiserzeit aber wird der Gott hier wie in Rom hauptsächlich in der be¬ stimmten Absicht verehrt worden sein, um Schutz gegen sein verheerendes Element zu erflehen. Durch gewissenhaften, eifrigen Cultus der Gottheit suchte man Feuersbrünsten, die in der an Magazinen reichen Stadt sehr ge¬ fährlich werden konnten, vorzubeugen, ohne darum praktische Vorsichts¬ maßregeln zu vernachlässigen. Denn kurze Zeit, nachdem in Rom das Corps der Feuerwächter organisirt war, erhielt auch Ostia eine Cohorte desselben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/344>, abgerufen am 01.09.2024.