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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Activer, selbständiger Handel wird freilich auch damals weit geringer gewesen
sein, als Spedition; und Zimmerleute, Getreidemesser, Lastträger, See- und
Flußschiffer, alle in wohl organisirten Corporationen bildeten den Hauptbe-
standtheil der Bevölkerung. Der Verfall begann erst, als Constantinopel an
Stelle von Rom Sitz der kaiserlichen Regierung wurde, und letzteres die
Verarmung theilte, welcher der größere Theil Italiens schon früher verfallen
war. Nach wiederholten Verwüstungen durch die Saracenen befestigte im
neunten Jahrhundert Papst Gregor der Vierte zum Schutze der wenigen
Einwohner, die geblieben, einen Theil der Stadt, auch jener Sieg von Leo
dem Vierten, der durch das nach Rafael's Entwurf ausgeführte Bild in den
Stanzen des Vatikans unsterblich geworden ist, gehört demselben Jahrhundert
an. Aber noch häufig litt die Stadt in den Kriegen des Mittelalters; und
auch die Zeit der Renaissance vermochte trotz der verdienstvollen Bemühungen
der Roveres nicht, sie wieder zu heben. Jetzt findet der Fremde in dem
kleinen Orte, der eine Viertelstunde von der alten Stadt landeinwärts gelegen
ihren Namen führt, nur wenige, ärmliche Häuser um die stattliche, vom
älteren Sangallo erbaute Burg. In den inneren einst von Baldassare
Peruzzi verzierten Räumen derselben Hausen in den Wintermonaten die Sträf¬
linge, die an den Ausgrabungen arbeiten, meist eingefangene Deserteure,
unter ihnen nicht wenige Deutsche. Im Sommer werden auch diese nach
Rom zurückgeführt, kaum fünfzig Menschen trotzen dann der Fieberluft an -
der öden Stätte.

Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts ließen einige Privatpersonen,
Römer sowohl wie Fremde, an verschiedenen Stellen Ausgrabungen unter¬
nehmen, die stets durch Kunstwerke und Inschriften reich belohnt wurden,
nicht unbedeutenden Ertrag gewährten selbst noch Kalköfen, bei denen Mamor-
Werke aufgehäuft, aber erst theilweise verbrannt waren. Im Jahre 1803
faßte dann Papst Pius der Siebente den Entschluß, die durch die gewalt¬
same Ueberführung so mancher Sculpturen nach Paris entstandenen Lücken
des vatikanischen Museums aus Ostia's Schätzen wieder ergänzen zu lassen.
Nur drei Jahre war es der Zeitumstände wegen möglich, die darauf gerich¬
teten Arbeiten fortzuführen, doch schmücken seitdem nicht wenige Kunstwerke,
so die Büste des jugendlichen Augustus, das Lieblingsstück der meisten Rom¬
fahrer, die nach jenem Papste benannten Theile des Museums. Später nahm
der bekannte Cardinal Pacca die dankbare Arbeit auf und konnte manchen
Fund in seine Vigna schaffen, während er Anderes, nicht eben das Bedeu¬
tendste, in den Räumen des bischöflichen Palastes in Ostia ließ. Endlich
ordnete Pius der Neunte im Jahre 1856 wiederum größere Ausgrabungen
an und auch bei diesem Unternehmen hat er Ursache, fein stets steigendes
Glück zu preisen.


Activer, selbständiger Handel wird freilich auch damals weit geringer gewesen
sein, als Spedition; und Zimmerleute, Getreidemesser, Lastträger, See- und
Flußschiffer, alle in wohl organisirten Corporationen bildeten den Hauptbe-
standtheil der Bevölkerung. Der Verfall begann erst, als Constantinopel an
Stelle von Rom Sitz der kaiserlichen Regierung wurde, und letzteres die
Verarmung theilte, welcher der größere Theil Italiens schon früher verfallen
war. Nach wiederholten Verwüstungen durch die Saracenen befestigte im
neunten Jahrhundert Papst Gregor der Vierte zum Schutze der wenigen
Einwohner, die geblieben, einen Theil der Stadt, auch jener Sieg von Leo
dem Vierten, der durch das nach Rafael's Entwurf ausgeführte Bild in den
Stanzen des Vatikans unsterblich geworden ist, gehört demselben Jahrhundert
an. Aber noch häufig litt die Stadt in den Kriegen des Mittelalters; und
auch die Zeit der Renaissance vermochte trotz der verdienstvollen Bemühungen
der Roveres nicht, sie wieder zu heben. Jetzt findet der Fremde in dem
kleinen Orte, der eine Viertelstunde von der alten Stadt landeinwärts gelegen
ihren Namen führt, nur wenige, ärmliche Häuser um die stattliche, vom
älteren Sangallo erbaute Burg. In den inneren einst von Baldassare
Peruzzi verzierten Räumen derselben Hausen in den Wintermonaten die Sträf¬
linge, die an den Ausgrabungen arbeiten, meist eingefangene Deserteure,
unter ihnen nicht wenige Deutsche. Im Sommer werden auch diese nach
Rom zurückgeführt, kaum fünfzig Menschen trotzen dann der Fieberluft an -
der öden Stätte.

Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts ließen einige Privatpersonen,
Römer sowohl wie Fremde, an verschiedenen Stellen Ausgrabungen unter¬
nehmen, die stets durch Kunstwerke und Inschriften reich belohnt wurden,
nicht unbedeutenden Ertrag gewährten selbst noch Kalköfen, bei denen Mamor-
Werke aufgehäuft, aber erst theilweise verbrannt waren. Im Jahre 1803
faßte dann Papst Pius der Siebente den Entschluß, die durch die gewalt¬
same Ueberführung so mancher Sculpturen nach Paris entstandenen Lücken
des vatikanischen Museums aus Ostia's Schätzen wieder ergänzen zu lassen.
Nur drei Jahre war es der Zeitumstände wegen möglich, die darauf gerich¬
teten Arbeiten fortzuführen, doch schmücken seitdem nicht wenige Kunstwerke,
so die Büste des jugendlichen Augustus, das Lieblingsstück der meisten Rom¬
fahrer, die nach jenem Papste benannten Theile des Museums. Später nahm
der bekannte Cardinal Pacca die dankbare Arbeit auf und konnte manchen
Fund in seine Vigna schaffen, während er Anderes, nicht eben das Bedeu¬
tendste, in den Räumen des bischöflichen Palastes in Ostia ließ. Endlich
ordnete Pius der Neunte im Jahre 1856 wiederum größere Ausgrabungen
an und auch bei diesem Unternehmen hat er Ursache, fein stets steigendes
Glück zu preisen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/341>, abgerufen am 27.07.2024.