Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der einzelne Moorcolonist aber hat die Mittel nicht zu irgend welchen
Auslagen. Grade deshalb brennt er ja die Haide ab, weil diese Art sich
Dünger zu verschaffen kaum mehr kostet als. seine ohnehin nicht anders zu
verwerthende Arbeitskraft. Es geschieht zwar aus Kosten späterer Ernten,
aber unter dem ehernen Zwange der Nothwendigkeit!, ähnlich wie wenn ein
erschöpfter, aber zur Arbeit gezwungener Körper zum Branntwein greift, um
das Capital der Kraft anzugreifen, deren Zinsen nicht ausreichen wollen.
Einzelne von Gemeinsinn und Menschenliebe erfüllte Männer, wie Dr. Uhlen-
berg in Werlte und der katholische Pastor Sanders in Neu-Arenberg haben
daher Genossenschaften gebildet, in denen durch Spareinlagen u. s. f. das
Capital angesammelt werden und den Theilnehmern dargeboten werden soll,
welches zum Düngerkauf gehört. Die große Autorität auf diesem Rechts¬
gebiet, Schulze-Delitzsch, dem man die Statuten zur Prüfung einsandte, hat
dieselben allerdings nicht recht probehaltig gesunden. Allein es wird deshalb
ja nicht unmöglich sein, auch für diesen genossenschaftlichen Zweck die ent¬
sprechende Rechtsform zu finden. Ferner ließen sich auch Capitalien - Gesell¬
schaften denken, wie in den Niederlanden angeblich schon bestehen, welche es
mit gutem finanziellen Erfolge übernahmen, den Andauern die erforderlichen
Vorschüsse in Geld oder Waaren zu machen, eventuell auch gegen eine Jahr¬
abgabe die Canäle zu bauen, welche bei der Anlage dieser Colonien vergessen
worden sind. Die Provinz oder den Staat zu dieser unmittelbaren Ver¬
besserung des Betriebes heranzuziehen, wird man grundsätzlich gern solange
wie möglich vermeiden.

Aber die Staatsorgane haben darum doch auch in dieser Sache eine be¬
deutungsvolle Aufgabe; und es soll uns wundern, ob die officielle Com¬
mission, welche der Oberpräsident der Provinz Hannover Graf Otto Stol¬
berg im vorigen Winter nach Aurich berief, in ihrem noch nicht veröffent"
lichten Bericht dieselbe richtig treffen wird. Es kommt, meinen wir, daraus
an. das Moorbrennen überall da von Staats wegen zu unterdrücken, wo es
nicht geradezu zur Lebensnothdurft der Urheber gehört. Schritte man damit
vor in dem Maße, wie directere praktische Veranstaltungen eine Moorcolonie
nach der andern befähigen, dem Brennen zu entsagen, so müßte des hä߬
lichen Qualms alljährlich immer weniger werden, und wohl noch mancher der
heute lebenden Zeitgenossen würde das Ende des Moorrauchs erleben.

Die preußische Regierung in ihrer fortdauernden hochconservativen Zu¬
sammensetzung und daraus folgender Scheu vor der Oeffentlichkeit hat keine
Untersuchung im englischen oder französischen Sinne vornehmen wollen, wie¬
wohl man sie seit 1866, namentlich in Bremer Blättern, dahin zu drängen
suchte. Sie hat sich begnügt, die bereits gesammelte Weisheit ihrer Beamten
in einen noch geheim gehaltenen Bericht zu concentriren. Diese Lücke wird


Grenzboten II. 1870 42

Der einzelne Moorcolonist aber hat die Mittel nicht zu irgend welchen
Auslagen. Grade deshalb brennt er ja die Haide ab, weil diese Art sich
Dünger zu verschaffen kaum mehr kostet als. seine ohnehin nicht anders zu
verwerthende Arbeitskraft. Es geschieht zwar aus Kosten späterer Ernten,
aber unter dem ehernen Zwange der Nothwendigkeit!, ähnlich wie wenn ein
erschöpfter, aber zur Arbeit gezwungener Körper zum Branntwein greift, um
das Capital der Kraft anzugreifen, deren Zinsen nicht ausreichen wollen.
Einzelne von Gemeinsinn und Menschenliebe erfüllte Männer, wie Dr. Uhlen-
berg in Werlte und der katholische Pastor Sanders in Neu-Arenberg haben
daher Genossenschaften gebildet, in denen durch Spareinlagen u. s. f. das
Capital angesammelt werden und den Theilnehmern dargeboten werden soll,
welches zum Düngerkauf gehört. Die große Autorität auf diesem Rechts¬
gebiet, Schulze-Delitzsch, dem man die Statuten zur Prüfung einsandte, hat
dieselben allerdings nicht recht probehaltig gesunden. Allein es wird deshalb
ja nicht unmöglich sein, auch für diesen genossenschaftlichen Zweck die ent¬
sprechende Rechtsform zu finden. Ferner ließen sich auch Capitalien - Gesell¬
schaften denken, wie in den Niederlanden angeblich schon bestehen, welche es
mit gutem finanziellen Erfolge übernahmen, den Andauern die erforderlichen
Vorschüsse in Geld oder Waaren zu machen, eventuell auch gegen eine Jahr¬
abgabe die Canäle zu bauen, welche bei der Anlage dieser Colonien vergessen
worden sind. Die Provinz oder den Staat zu dieser unmittelbaren Ver¬
besserung des Betriebes heranzuziehen, wird man grundsätzlich gern solange
wie möglich vermeiden.

Aber die Staatsorgane haben darum doch auch in dieser Sache eine be¬
deutungsvolle Aufgabe; und es soll uns wundern, ob die officielle Com¬
mission, welche der Oberpräsident der Provinz Hannover Graf Otto Stol¬
berg im vorigen Winter nach Aurich berief, in ihrem noch nicht veröffent«
lichten Bericht dieselbe richtig treffen wird. Es kommt, meinen wir, daraus
an. das Moorbrennen überall da von Staats wegen zu unterdrücken, wo es
nicht geradezu zur Lebensnothdurft der Urheber gehört. Schritte man damit
vor in dem Maße, wie directere praktische Veranstaltungen eine Moorcolonie
nach der andern befähigen, dem Brennen zu entsagen, so müßte des hä߬
lichen Qualms alljährlich immer weniger werden, und wohl noch mancher der
heute lebenden Zeitgenossen würde das Ende des Moorrauchs erleben.

Die preußische Regierung in ihrer fortdauernden hochconservativen Zu¬
sammensetzung und daraus folgender Scheu vor der Oeffentlichkeit hat keine
Untersuchung im englischen oder französischen Sinne vornehmen wollen, wie¬
wohl man sie seit 1866, namentlich in Bremer Blättern, dahin zu drängen
suchte. Sie hat sich begnügt, die bereits gesammelte Weisheit ihrer Beamten
in einen noch geheim gehaltenen Bericht zu concentriren. Diese Lücke wird


Grenzboten II. 1870 42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123955"/>
          <p xml:id="ID_1000"> Der einzelne Moorcolonist aber hat die Mittel nicht zu irgend welchen<lb/>
Auslagen. Grade deshalb brennt er ja die Haide ab, weil diese Art sich<lb/>
Dünger zu verschaffen kaum mehr kostet als. seine ohnehin nicht anders zu<lb/>
verwerthende Arbeitskraft. Es geschieht zwar aus Kosten späterer Ernten,<lb/>
aber unter dem ehernen Zwange der Nothwendigkeit!, ähnlich wie wenn ein<lb/>
erschöpfter, aber zur Arbeit gezwungener Körper zum Branntwein greift, um<lb/>
das Capital der Kraft anzugreifen, deren Zinsen nicht ausreichen wollen.<lb/>
Einzelne von Gemeinsinn und Menschenliebe erfüllte Männer, wie Dr. Uhlen-<lb/>
berg in Werlte und der katholische Pastor Sanders in Neu-Arenberg haben<lb/>
daher Genossenschaften gebildet, in denen durch Spareinlagen u. s. f. das<lb/>
Capital angesammelt werden und den Theilnehmern dargeboten werden soll,<lb/>
welches zum Düngerkauf gehört. Die große Autorität auf diesem Rechts¬<lb/>
gebiet, Schulze-Delitzsch, dem man die Statuten zur Prüfung einsandte, hat<lb/>
dieselben allerdings nicht recht probehaltig gesunden. Allein es wird deshalb<lb/>
ja nicht unmöglich sein, auch für diesen genossenschaftlichen Zweck die ent¬<lb/>
sprechende Rechtsform zu finden. Ferner ließen sich auch Capitalien - Gesell¬<lb/>
schaften denken, wie in den Niederlanden angeblich schon bestehen, welche es<lb/>
mit gutem finanziellen Erfolge übernahmen, den Andauern die erforderlichen<lb/>
Vorschüsse in Geld oder Waaren zu machen, eventuell auch gegen eine Jahr¬<lb/>
abgabe die Canäle zu bauen, welche bei der Anlage dieser Colonien vergessen<lb/>
worden sind. Die Provinz oder den Staat zu dieser unmittelbaren Ver¬<lb/>
besserung des Betriebes heranzuziehen, wird man grundsätzlich gern solange<lb/>
wie möglich vermeiden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1001"> Aber die Staatsorgane haben darum doch auch in dieser Sache eine be¬<lb/>
deutungsvolle Aufgabe; und es soll uns wundern, ob die officielle Com¬<lb/>
mission, welche der Oberpräsident der Provinz Hannover Graf Otto Stol¬<lb/>
berg im vorigen Winter nach Aurich berief, in ihrem noch nicht veröffent«<lb/>
lichten Bericht dieselbe richtig treffen wird. Es kommt, meinen wir, daraus<lb/>
an. das Moorbrennen überall da von Staats wegen zu unterdrücken, wo es<lb/>
nicht geradezu zur Lebensnothdurft der Urheber gehört. Schritte man damit<lb/>
vor in dem Maße, wie directere praktische Veranstaltungen eine Moorcolonie<lb/>
nach der andern befähigen, dem Brennen zu entsagen, so müßte des hä߬<lb/>
lichen Qualms alljährlich immer weniger werden, und wohl noch mancher der<lb/>
heute lebenden Zeitgenossen würde das Ende des Moorrauchs erleben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1002" next="#ID_1003"> Die preußische Regierung in ihrer fortdauernden hochconservativen Zu¬<lb/>
sammensetzung und daraus folgender Scheu vor der Oeffentlichkeit hat keine<lb/>
Untersuchung im englischen oder französischen Sinne vornehmen wollen, wie¬<lb/>
wohl man sie seit 1866, namentlich in Bremer Blättern, dahin zu drängen<lb/>
suchte. Sie hat sich begnügt, die bereits gesammelte Weisheit ihrer Beamten<lb/>
in einen noch geheim gehaltenen Bericht zu concentriren.  Diese Lücke wird</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1870 42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Der einzelne Moorcolonist aber hat die Mittel nicht zu irgend welchen Auslagen. Grade deshalb brennt er ja die Haide ab, weil diese Art sich Dünger zu verschaffen kaum mehr kostet als. seine ohnehin nicht anders zu verwerthende Arbeitskraft. Es geschieht zwar aus Kosten späterer Ernten, aber unter dem ehernen Zwange der Nothwendigkeit!, ähnlich wie wenn ein erschöpfter, aber zur Arbeit gezwungener Körper zum Branntwein greift, um das Capital der Kraft anzugreifen, deren Zinsen nicht ausreichen wollen. Einzelne von Gemeinsinn und Menschenliebe erfüllte Männer, wie Dr. Uhlen- berg in Werlte und der katholische Pastor Sanders in Neu-Arenberg haben daher Genossenschaften gebildet, in denen durch Spareinlagen u. s. f. das Capital angesammelt werden und den Theilnehmern dargeboten werden soll, welches zum Düngerkauf gehört. Die große Autorität auf diesem Rechts¬ gebiet, Schulze-Delitzsch, dem man die Statuten zur Prüfung einsandte, hat dieselben allerdings nicht recht probehaltig gesunden. Allein es wird deshalb ja nicht unmöglich sein, auch für diesen genossenschaftlichen Zweck die ent¬ sprechende Rechtsform zu finden. Ferner ließen sich auch Capitalien - Gesell¬ schaften denken, wie in den Niederlanden angeblich schon bestehen, welche es mit gutem finanziellen Erfolge übernahmen, den Andauern die erforderlichen Vorschüsse in Geld oder Waaren zu machen, eventuell auch gegen eine Jahr¬ abgabe die Canäle zu bauen, welche bei der Anlage dieser Colonien vergessen worden sind. Die Provinz oder den Staat zu dieser unmittelbaren Ver¬ besserung des Betriebes heranzuziehen, wird man grundsätzlich gern solange wie möglich vermeiden. Aber die Staatsorgane haben darum doch auch in dieser Sache eine be¬ deutungsvolle Aufgabe; und es soll uns wundern, ob die officielle Com¬ mission, welche der Oberpräsident der Provinz Hannover Graf Otto Stol¬ berg im vorigen Winter nach Aurich berief, in ihrem noch nicht veröffent« lichten Bericht dieselbe richtig treffen wird. Es kommt, meinen wir, daraus an. das Moorbrennen überall da von Staats wegen zu unterdrücken, wo es nicht geradezu zur Lebensnothdurft der Urheber gehört. Schritte man damit vor in dem Maße, wie directere praktische Veranstaltungen eine Moorcolonie nach der andern befähigen, dem Brennen zu entsagen, so müßte des hä߬ lichen Qualms alljährlich immer weniger werden, und wohl noch mancher der heute lebenden Zeitgenossen würde das Ende des Moorrauchs erleben. Die preußische Regierung in ihrer fortdauernden hochconservativen Zu¬ sammensetzung und daraus folgender Scheu vor der Oeffentlichkeit hat keine Untersuchung im englischen oder französischen Sinne vornehmen wollen, wie¬ wohl man sie seit 1866, namentlich in Bremer Blättern, dahin zu drängen suchte. Sie hat sich begnügt, die bereits gesammelte Weisheit ihrer Beamten in einen noch geheim gehaltenen Bericht zu concentriren. Diese Lücke wird Grenzboten II. 1870 42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/335>, abgerufen am 27.07.2024.