Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.früher darauf hingewiesen, wie es nicht zufällig ist, daß die unheimlichen früher darauf hingewiesen, wie es nicht zufällig ist, daß die unheimlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123945"/> <p xml:id="ID_970" prev="#ID_969" next="#ID_971"> früher darauf hingewiesen, wie es nicht zufällig ist, daß die unheimlichen<lb/> Begräbnißstätten des Heidenthums im christlichen Mittelalter zu Gerichtsstätten<lb/> wurden. — Wir find aufrichtig dankbar, daß durch die Untersuchung von Co-<lb/> Hausen die Geschichte des wichtigen Fundes definitiv festgestellt und einer<lb/> kleinen Pflicht Genüge gethan ist. welche die Regierung gegen die Wissenschaft<lb/> zu erfüllen hatte. Zum Schluß sei noch einer Aufklärung erwähnt. Die<lb/> Leser werden sich erinnern, daß bei dem Hildesheimer Fund ein Stück Per¬<lb/> gament, das im Innern eines Gefäßes lag, zu geheimnißvoller Bedeutung ge¬<lb/> kommen war. Es war ein kleines Stück Pergament, ungewöhnlich scharfe<lb/> Untersuchung und Prüfung vermochte auf demselben schattenhafte Schriftzüge<lb/> zu erkennen, welche den Charakter einer rohen Gothik zu besitzen schienen<lb/> und dem spähenden Auge des Forschers das bedeutsame Wort „Herzog"<lb/> in die Seele riefen. Menschlicher Scharfsinn war deshalb eine kurze Weile<lb/> geneigt anzunehmen, daß die Deposition des Schatzes erst im Mittelalter stattge¬<lb/> funden haben könne. Es schwebte aber etwas Mystisches über dem Pergament<lb/> und es erregte damals Kopsschütteln. Nun hat sich erwiesen, daß dieses Perga¬<lb/> mentstück allerdings vorhanden war, daß auch die Deutung der unkenntlichen<lb/> Schriftspuren auf den Namen „Herzog" nicht gänzlich zu verwerfen ist. Zwar<lb/> ist nicht zu eruiren gewesen, welcher Herzog auf dem Pergamente gemeint ist,<lb/> aber es ist ebenfalls festgestellt, daß dieser Herzog Musketier war, daß ferner<lb/> jener Pergameatstreif an der Hinteren Seite einer Commishose angenäht<lb/> gewesen war, welche der Musketier nach militärischem Brauch dadurch als in<lb/> seinen Besitz bezeichnet hatte, und endlich, daß erwähntes Pergament von<lb/> einem alten, durchgeschlagenen Trommelfell abgeschnitten war. Die Mann¬<lb/> schaft der Garnison constatirte einstimmig diesen Ursprung, indem sie ähn¬<lb/> liche Fundstücke, die auf ihren eigenen Rückseiten befestigt waren, vorzeigte.<lb/> Die feuchten und nicht gereinigten Silbergeräthe waren am Abend in einer<lb/> alten Küche der Kaserne vom Schubkarren auf den Boden gesetzt und darauf<lb/> zur Herstellung militärischer Ordnung hübsch säuberlich geschichtet worden.<lb/> So war das Document, das unbeachtet auf dem Küchenboden gelegen hatte,<lb/> wahrscheinlich am Boden eines feuchten Fundstückes hängen geblieben und von<lb/> diesem in das Innere eines anderen Gefäßes gefallen. Es hat also kein Herzog<lb/> den Schatz deponirt und der Combination unserer eifrigen Alterthumsfreunde<lb/> bleibt kein anderer Traum übrig, als die Herleitung des Schatzes von Varus und<lb/> der Teutoburger Schlacht. Leider weist die zopfige und keineswegs feine Ver¬<lb/> zierung einiger Tischgeräthe, die unzweifelhafte und rohe Flickarbeit an anderen<lb/> Stücken, sogar eines der gekritzelten Goldschmiedzeichen darauf hin, daß ein<lb/> Theil des Fundes wohl erst in der spätern Kaiserzeit verfertigt wurde, daß<lb/> die Stücke gar nicht ein zusammengehöriges Tafelservice bildeten und daß sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
früher darauf hingewiesen, wie es nicht zufällig ist, daß die unheimlichen
Begräbnißstätten des Heidenthums im christlichen Mittelalter zu Gerichtsstätten
wurden. — Wir find aufrichtig dankbar, daß durch die Untersuchung von Co-
Hausen die Geschichte des wichtigen Fundes definitiv festgestellt und einer
kleinen Pflicht Genüge gethan ist. welche die Regierung gegen die Wissenschaft
zu erfüllen hatte. Zum Schluß sei noch einer Aufklärung erwähnt. Die
Leser werden sich erinnern, daß bei dem Hildesheimer Fund ein Stück Per¬
gament, das im Innern eines Gefäßes lag, zu geheimnißvoller Bedeutung ge¬
kommen war. Es war ein kleines Stück Pergament, ungewöhnlich scharfe
Untersuchung und Prüfung vermochte auf demselben schattenhafte Schriftzüge
zu erkennen, welche den Charakter einer rohen Gothik zu besitzen schienen
und dem spähenden Auge des Forschers das bedeutsame Wort „Herzog"
in die Seele riefen. Menschlicher Scharfsinn war deshalb eine kurze Weile
geneigt anzunehmen, daß die Deposition des Schatzes erst im Mittelalter stattge¬
funden haben könne. Es schwebte aber etwas Mystisches über dem Pergament
und es erregte damals Kopsschütteln. Nun hat sich erwiesen, daß dieses Perga¬
mentstück allerdings vorhanden war, daß auch die Deutung der unkenntlichen
Schriftspuren auf den Namen „Herzog" nicht gänzlich zu verwerfen ist. Zwar
ist nicht zu eruiren gewesen, welcher Herzog auf dem Pergamente gemeint ist,
aber es ist ebenfalls festgestellt, daß dieser Herzog Musketier war, daß ferner
jener Pergameatstreif an der Hinteren Seite einer Commishose angenäht
gewesen war, welche der Musketier nach militärischem Brauch dadurch als in
seinen Besitz bezeichnet hatte, und endlich, daß erwähntes Pergament von
einem alten, durchgeschlagenen Trommelfell abgeschnitten war. Die Mann¬
schaft der Garnison constatirte einstimmig diesen Ursprung, indem sie ähn¬
liche Fundstücke, die auf ihren eigenen Rückseiten befestigt waren, vorzeigte.
Die feuchten und nicht gereinigten Silbergeräthe waren am Abend in einer
alten Küche der Kaserne vom Schubkarren auf den Boden gesetzt und darauf
zur Herstellung militärischer Ordnung hübsch säuberlich geschichtet worden.
So war das Document, das unbeachtet auf dem Küchenboden gelegen hatte,
wahrscheinlich am Boden eines feuchten Fundstückes hängen geblieben und von
diesem in das Innere eines anderen Gefäßes gefallen. Es hat also kein Herzog
den Schatz deponirt und der Combination unserer eifrigen Alterthumsfreunde
bleibt kein anderer Traum übrig, als die Herleitung des Schatzes von Varus und
der Teutoburger Schlacht. Leider weist die zopfige und keineswegs feine Ver¬
zierung einiger Tischgeräthe, die unzweifelhafte und rohe Flickarbeit an anderen
Stücken, sogar eines der gekritzelten Goldschmiedzeichen darauf hin, daß ein
Theil des Fundes wohl erst in der spätern Kaiserzeit verfertigt wurde, daß
die Stücke gar nicht ein zusammengehöriges Tafelservice bildeten und daß sie
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