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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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der Firniß, mit welchem die Wände bald nach ihrer Bloßlegung überzogen
zu werden pflegen, immerhin gewisse Abwandlungen der ursprünglichen Far-
benscala hervorruft, so muß die Untersuchung unmittelbar nach Ausgrabung
der betreffenden Räume stattfinden. Hoffen wir, daß die durch Fiorelli's
Fürsorge in Pompei gegründete archäologische Schule sich die Lösung dieser
ihr ganz naturgemäß anfallenden Aufgabe angelegen sein lasse. Sollte sich
hierbei auch kein consequent beobachtetes Gesetz herausstellen, sollte sich viel¬
mehr ergeben, daß die einzelnen Wandmaler nach eigenem Ermessen mehr
oder minder bestrebt waren, die verschiedenen Bestandtheile der Decoration
in Einklang zu bringen, so wäre auch dieses letztere Resultat für die Frage,
welche uns gegenwärtig beschäftigt, wichtig genug. Immerhin stellt sich ein neues
Moment heraus, welches unter Umständen die genaue Wiedergabe der
Compositionen beeinträchtigte, die bei der Herstellung der Mittelbilder zu
Grunde lagen.

Ferner ist bei dieser Frage eine in der Regel nicht gehörig berücksichtigte
Eigenthümlichkeit der Einrichtung des antiken Hauses in Betracht zu ziehen. Nur
sehr wenige Zimmer desselben hatten ein volles Licht; selbst im Atrium und im
Peristyl war es mehr oder minder durch den Verschluß der zwischen den ein¬
zelnen Säulen angebrachten Teppiche gedämpft. In den neuerdings ausgegrabe¬
nen Häusern Pompeis, wo die betreffenden Stellen noch nicht durch die oft sehr
schonungslose Hand des Restaurators mit Stuck zugeputzt sind, erkennt man
deutlich die Vorrichtungen, welche zur Befestigung der Vorhänge getroffen
waren. Allenthalben sind an den nach dem Jmpluvium gerichteten Seiten
der Säulen Nägel oder Haken angebracht, denen öfters an den gegenüberlie¬
genden Wänden des Porticus Klammern entsprechen. Man sieht deutlich,
daß die Vorhänge unter Umständen von den Säulen nach den Wänden her¬
übergezogen werden konnten, wodurch gewisse Theile des Porticus isolirt und
zugleich eine eigenthümlich malerische Wirkung erzielt wurde. Aus dieser
Beobachtung ergibt sich, daß eine auf die Einzelheiten eingehende Durchbil¬
dung der die Wände schmückenden Bilder in der Regel eine höchst überflüssige
Mühwaltung gewesen wäre. Mannigfache Eigenthümlichlichkeiten in der Be¬
handlung der Bilder, die gegenwärtig, wenn man sie bei vollem Lichte be¬
trachtet, dürstig oder gar hart erscheinen, werden durch diesen Gesichtspunkt
hinreichend gerechtfertigt. In den mangelhaft beleuchteten Magazinen des
Neapler Museums machten selbst sehr decorativ behandelte Bilder einen höchst
befriedigenden Eindruck. Die Beschaffenheit des Locals, für welches die Bilder
bestimmt waren, ist bei ihrer Beurtheilung ebenso zu berücksichtigen wie bei
der Beurtheilung der Sarkophagreliefs, die sich vollständig anders darstellen,
wenn wir sie statt unter klarem Sonnenlichte in einem Halbdunkel betrachten,
wie das der Grabkammer vorauszusetzen ist, für die sie bestimmt.waren. Mag


der Firniß, mit welchem die Wände bald nach ihrer Bloßlegung überzogen
zu werden pflegen, immerhin gewisse Abwandlungen der ursprünglichen Far-
benscala hervorruft, so muß die Untersuchung unmittelbar nach Ausgrabung
der betreffenden Räume stattfinden. Hoffen wir, daß die durch Fiorelli's
Fürsorge in Pompei gegründete archäologische Schule sich die Lösung dieser
ihr ganz naturgemäß anfallenden Aufgabe angelegen sein lasse. Sollte sich
hierbei auch kein consequent beobachtetes Gesetz herausstellen, sollte sich viel¬
mehr ergeben, daß die einzelnen Wandmaler nach eigenem Ermessen mehr
oder minder bestrebt waren, die verschiedenen Bestandtheile der Decoration
in Einklang zu bringen, so wäre auch dieses letztere Resultat für die Frage,
welche uns gegenwärtig beschäftigt, wichtig genug. Immerhin stellt sich ein neues
Moment heraus, welches unter Umständen die genaue Wiedergabe der
Compositionen beeinträchtigte, die bei der Herstellung der Mittelbilder zu
Grunde lagen.

Ferner ist bei dieser Frage eine in der Regel nicht gehörig berücksichtigte
Eigenthümlichkeit der Einrichtung des antiken Hauses in Betracht zu ziehen. Nur
sehr wenige Zimmer desselben hatten ein volles Licht; selbst im Atrium und im
Peristyl war es mehr oder minder durch den Verschluß der zwischen den ein¬
zelnen Säulen angebrachten Teppiche gedämpft. In den neuerdings ausgegrabe¬
nen Häusern Pompeis, wo die betreffenden Stellen noch nicht durch die oft sehr
schonungslose Hand des Restaurators mit Stuck zugeputzt sind, erkennt man
deutlich die Vorrichtungen, welche zur Befestigung der Vorhänge getroffen
waren. Allenthalben sind an den nach dem Jmpluvium gerichteten Seiten
der Säulen Nägel oder Haken angebracht, denen öfters an den gegenüberlie¬
genden Wänden des Porticus Klammern entsprechen. Man sieht deutlich,
daß die Vorhänge unter Umständen von den Säulen nach den Wänden her¬
übergezogen werden konnten, wodurch gewisse Theile des Porticus isolirt und
zugleich eine eigenthümlich malerische Wirkung erzielt wurde. Aus dieser
Beobachtung ergibt sich, daß eine auf die Einzelheiten eingehende Durchbil¬
dung der die Wände schmückenden Bilder in der Regel eine höchst überflüssige
Mühwaltung gewesen wäre. Mannigfache Eigenthümlichlichkeiten in der Be¬
handlung der Bilder, die gegenwärtig, wenn man sie bei vollem Lichte be¬
trachtet, dürstig oder gar hart erscheinen, werden durch diesen Gesichtspunkt
hinreichend gerechtfertigt. In den mangelhaft beleuchteten Magazinen des
Neapler Museums machten selbst sehr decorativ behandelte Bilder einen höchst
befriedigenden Eindruck. Die Beschaffenheit des Locals, für welches die Bilder
bestimmt waren, ist bei ihrer Beurtheilung ebenso zu berücksichtigen wie bei
der Beurtheilung der Sarkophagreliefs, die sich vollständig anders darstellen,
wenn wir sie statt unter klarem Sonnenlichte in einem Halbdunkel betrachten,
wie das der Grabkammer vorauszusetzen ist, für die sie bestimmt.waren. Mag


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/291>, abgerufen am 01.09.2024.