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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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um so schwerer in das Gewicht fielen, als das Malen auf kleinen für die
Frescomalerei hergerichteten Stücken nicht üblich war, erklären hinreichend
die mehr oder minder flüchtige Durchführung der Bilder. Mochten auf den
Staffeleibildern die Einzelheiten der menschlichen Gestalten wie der Gründe
bis zu einer der Wirklichkeit entsprechenden Weise durchgeführt sein, so mußte
der sie reproducirende Frescomaler auf eine solche Darstellungsweise ver¬
zichten und sich darauf beschränken, nur das Wesentliche wiederzugeben. Die
Weise, wie dies geschehen ist, die scharfe Unterscheidung von Bedeutsamen
und Unbedeutsamem, die Energie, mit welcher jenes hervorgehoben ist, be¬
zeugt, wenigstens in den besseren Producten der campanischen Malerei, die
Lebenskraft der tüchtigen Tradition, welche die Malerei in Betreff der Aus¬
führung bewahrt hatte, mochte auch die originelle Erfindung beinahe voll¬
ständig abhanden gekommen sein.

Selbstverständlich lassen sich, wie es nicht anders sein kann bei der
Menge von Individualitäten, welche an diesen Bildern thätig waren, in
Betreff der Durchführung der Maleret verschiedene Grade unterscheiden.
Am Meisten treten aus der sonst üblichen andeutenden BeHandlungsweise
vier berühmte herculanische Bilder heraus: die Schmückung eines Mäd¬
chens, ein Schauspielersieg, eine Concertscene und eine Darstellung, welche
gewöhnlich auf Achilleus und Patroklos gedeutet wird. Wie die techni¬
schen Vorrichtungen, die Zubereitung des Stückes, der auf das Feinste ge¬
glättet, die der Farben, welche aus das Feinste gerieben sind, von der
Sorgfalt zeugen, welche man auf diese Bilder verwendete, wie schon die
Art des Randes, der nicht aus einer einfachen braunen Leiste besteht, son¬
dern aus mehreren bunten Streifen zusammengesetzt ist, darauf hinweist, daß
man bedacht war, diese Bilder in besonderer Weise aus der umgebenden
Wanddecoration loszuheben und als Kunstwerke selbständiger Bedeutung zu
charakterisiren, so hat auch der Maler in der Durchführung seiner Gestalten
in der That Alles geleistet, was ihm seine Technik gestattete. Vollständig
die Mittel derselben beherrschend, hat er, begabt mit einer unglaublichen
Leichtigkeit und Sicherheit der Hand, seine Darstellungen in einer Weise
durchzubilden verstanden, welche die meisten sonstigen Leistungen der cam-
panischen Wandmalerei weit übertrifft und den vier Bildern innerhalb der
Denkmäler dieses Kunstzweiges einen besonderen Platz sichert. Mag auch,
wie dies nicht anders geschehen konnte, bei der Uebertragung in die andere
Technik Manches von dem Charakter der Originale, in denen wir Tafel¬
bilder vorauszusetzen haben, abgeschwächt und modificirt sein, so geben uns
diese Bilder nichtsdestoweniger.den anschaulichsten Begriff von dem Charakter
der hellenistischen Tafelbilder. Die Schattirung ist in mannigfachen Ab¬
stufungen auf die Localtöne aufgesetzt, die Lichter in der feinsten Welse


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um so schwerer in das Gewicht fielen, als das Malen auf kleinen für die
Frescomalerei hergerichteten Stücken nicht üblich war, erklären hinreichend
die mehr oder minder flüchtige Durchführung der Bilder. Mochten auf den
Staffeleibildern die Einzelheiten der menschlichen Gestalten wie der Gründe
bis zu einer der Wirklichkeit entsprechenden Weise durchgeführt sein, so mußte
der sie reproducirende Frescomaler auf eine solche Darstellungsweise ver¬
zichten und sich darauf beschränken, nur das Wesentliche wiederzugeben. Die
Weise, wie dies geschehen ist, die scharfe Unterscheidung von Bedeutsamen
und Unbedeutsamem, die Energie, mit welcher jenes hervorgehoben ist, be¬
zeugt, wenigstens in den besseren Producten der campanischen Malerei, die
Lebenskraft der tüchtigen Tradition, welche die Malerei in Betreff der Aus¬
führung bewahrt hatte, mochte auch die originelle Erfindung beinahe voll¬
ständig abhanden gekommen sein.

Selbstverständlich lassen sich, wie es nicht anders sein kann bei der
Menge von Individualitäten, welche an diesen Bildern thätig waren, in
Betreff der Durchführung der Maleret verschiedene Grade unterscheiden.
Am Meisten treten aus der sonst üblichen andeutenden BeHandlungsweise
vier berühmte herculanische Bilder heraus: die Schmückung eines Mäd¬
chens, ein Schauspielersieg, eine Concertscene und eine Darstellung, welche
gewöhnlich auf Achilleus und Patroklos gedeutet wird. Wie die techni¬
schen Vorrichtungen, die Zubereitung des Stückes, der auf das Feinste ge¬
glättet, die der Farben, welche aus das Feinste gerieben sind, von der
Sorgfalt zeugen, welche man auf diese Bilder verwendete, wie schon die
Art des Randes, der nicht aus einer einfachen braunen Leiste besteht, son¬
dern aus mehreren bunten Streifen zusammengesetzt ist, darauf hinweist, daß
man bedacht war, diese Bilder in besonderer Weise aus der umgebenden
Wanddecoration loszuheben und als Kunstwerke selbständiger Bedeutung zu
charakterisiren, so hat auch der Maler in der Durchführung seiner Gestalten
in der That Alles geleistet, was ihm seine Technik gestattete. Vollständig
die Mittel derselben beherrschend, hat er, begabt mit einer unglaublichen
Leichtigkeit und Sicherheit der Hand, seine Darstellungen in einer Weise
durchzubilden verstanden, welche die meisten sonstigen Leistungen der cam-
panischen Wandmalerei weit übertrifft und den vier Bildern innerhalb der
Denkmäler dieses Kunstzweiges einen besonderen Platz sichert. Mag auch,
wie dies nicht anders geschehen konnte, bei der Uebertragung in die andere
Technik Manches von dem Charakter der Originale, in denen wir Tafel¬
bilder vorauszusetzen haben, abgeschwächt und modificirt sein, so geben uns
diese Bilder nichtsdestoweniger.den anschaulichsten Begriff von dem Charakter
der hellenistischen Tafelbilder. Die Schattirung ist in mannigfachen Ab¬
stufungen auf die Localtöne aufgesetzt, die Lichter in der feinsten Welse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/289>, abgerufen am 01.09.2024.