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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Partei am 18. April zu Stuttgart hielt, haben die Nothwendigkeit eines
Politischen Anschlusses an den norddeutschen Bund gerade aus den speciellen
Landesinteressen heraus überzeugend nachgewiesen. Es ist auch nirgends eine
Widerlegung versucht worden, weder von Seite der Patrioten, obwol deren
Presse wochenlang von der Polemik gegen jenes Ereigniß lebte, noch von
Seite der Regierung, deren Presse ein Eingehen auf dasselbe weislich vermied.
Daß die Demonstration der nationalen Partei nach oben ohne Eindruck
geblieben sein sollte, ist gleichwol schwer zu glauben. Es kann namentlich
nicht unbemerkt geblieben sein, wie durch den unerfreulichen Gang der Dinge
seit vier Jahren die konservativen, loyalen Elemente der Bevölkerung mehr
und mehr auf die nationale Seite sich herübergedrängt sehen. Der Anschluß
eines Theils des ritterschaftlichen Adels war in dieser Beziehung ein lehr¬
reiches Symptom. Die Regierung täuscht sich, wenn sie glaubt, die Elemente
zu einer gouvernementalen Partei zu finden, mit der sie gleichzeitig die Pa¬
trioten wie die nationalen bekämpfen könnte. Dazu ist es heute zu spät.
Wer die Stetigkeit unserer inneren Entwickelung will, muß dem Land einen
starken Rückhalt suchen, und nur ein tastender Dilettantismus, um ein Wort
des Herrn v. Varnbüler zu gebrauchen, kann diesen Rückhalt in Baiern finden.
Man kann die vorhandenen Schwierigkeiten nicht durch eine Politik des status
Mo überwinden, denn durch die Politik des Status puo sind sie geschaffen.


7-


Aus den Niederlanden.

Unsere Beziehungen zum Ausland bleiben glücklicher Weise dieselben,
d. h. wir haben in Politik möglichst wenig mit anderen Staaten zu schaffen
gehabt. Händel mit Fremden durften uns keinen Vortheil bringen, da wir
als die Schwächeren etwaige Ansprüche nicht kräftig vertreten können. Unterdeß
bleibt man hier mißtrauisch, besonders Deutschland gegenüber und sucht aus
jeder Beurtheilung hiesiger Zustände in Ihrer Presse eine feindselige Richtung
zu entdecken. Man ist sogar kindisch genug. sich über Erzählungen und No¬
vellen beleidigt zu fühlen, die hin und wieder dort erscheinen und die leider
häufig die hiesigen socialen Zustände in einem unrichtigen Lichte schildern.
Was könnte man bei Ihnen sagen, wenn man all den Unsinn beachtete,
der unserem Publicum über deutsches Leben fast täglich in Correspondenzen
aufgetischt wird, welche politischer Zinngießerei aus irgend einer Bierhalle
gleichen?


Partei am 18. April zu Stuttgart hielt, haben die Nothwendigkeit eines
Politischen Anschlusses an den norddeutschen Bund gerade aus den speciellen
Landesinteressen heraus überzeugend nachgewiesen. Es ist auch nirgends eine
Widerlegung versucht worden, weder von Seite der Patrioten, obwol deren
Presse wochenlang von der Polemik gegen jenes Ereigniß lebte, noch von
Seite der Regierung, deren Presse ein Eingehen auf dasselbe weislich vermied.
Daß die Demonstration der nationalen Partei nach oben ohne Eindruck
geblieben sein sollte, ist gleichwol schwer zu glauben. Es kann namentlich
nicht unbemerkt geblieben sein, wie durch den unerfreulichen Gang der Dinge
seit vier Jahren die konservativen, loyalen Elemente der Bevölkerung mehr
und mehr auf die nationale Seite sich herübergedrängt sehen. Der Anschluß
eines Theils des ritterschaftlichen Adels war in dieser Beziehung ein lehr¬
reiches Symptom. Die Regierung täuscht sich, wenn sie glaubt, die Elemente
zu einer gouvernementalen Partei zu finden, mit der sie gleichzeitig die Pa¬
trioten wie die nationalen bekämpfen könnte. Dazu ist es heute zu spät.
Wer die Stetigkeit unserer inneren Entwickelung will, muß dem Land einen
starken Rückhalt suchen, und nur ein tastender Dilettantismus, um ein Wort
des Herrn v. Varnbüler zu gebrauchen, kann diesen Rückhalt in Baiern finden.
Man kann die vorhandenen Schwierigkeiten nicht durch eine Politik des status
Mo überwinden, denn durch die Politik des Status puo sind sie geschaffen.


7-


Aus den Niederlanden.

Unsere Beziehungen zum Ausland bleiben glücklicher Weise dieselben,
d. h. wir haben in Politik möglichst wenig mit anderen Staaten zu schaffen
gehabt. Händel mit Fremden durften uns keinen Vortheil bringen, da wir
als die Schwächeren etwaige Ansprüche nicht kräftig vertreten können. Unterdeß
bleibt man hier mißtrauisch, besonders Deutschland gegenüber und sucht aus
jeder Beurtheilung hiesiger Zustände in Ihrer Presse eine feindselige Richtung
zu entdecken. Man ist sogar kindisch genug. sich über Erzählungen und No¬
vellen beleidigt zu fühlen, die hin und wieder dort erscheinen und die leider
häufig die hiesigen socialen Zustände in einem unrichtigen Lichte schildern.
Was könnte man bei Ihnen sagen, wenn man all den Unsinn beachtete,
der unserem Publicum über deutsches Leben fast täglich in Correspondenzen
aufgetischt wird, welche politischer Zinngießerei aus irgend einer Bierhalle
gleichen?


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[0275] Partei am 18. April zu Stuttgart hielt, haben die Nothwendigkeit eines Politischen Anschlusses an den norddeutschen Bund gerade aus den speciellen Landesinteressen heraus überzeugend nachgewiesen. Es ist auch nirgends eine Widerlegung versucht worden, weder von Seite der Patrioten, obwol deren Presse wochenlang von der Polemik gegen jenes Ereigniß lebte, noch von Seite der Regierung, deren Presse ein Eingehen auf dasselbe weislich vermied. Daß die Demonstration der nationalen Partei nach oben ohne Eindruck geblieben sein sollte, ist gleichwol schwer zu glauben. Es kann namentlich nicht unbemerkt geblieben sein, wie durch den unerfreulichen Gang der Dinge seit vier Jahren die konservativen, loyalen Elemente der Bevölkerung mehr und mehr auf die nationale Seite sich herübergedrängt sehen. Der Anschluß eines Theils des ritterschaftlichen Adels war in dieser Beziehung ein lehr¬ reiches Symptom. Die Regierung täuscht sich, wenn sie glaubt, die Elemente zu einer gouvernementalen Partei zu finden, mit der sie gleichzeitig die Pa¬ trioten wie die nationalen bekämpfen könnte. Dazu ist es heute zu spät. Wer die Stetigkeit unserer inneren Entwickelung will, muß dem Land einen starken Rückhalt suchen, und nur ein tastender Dilettantismus, um ein Wort des Herrn v. Varnbüler zu gebrauchen, kann diesen Rückhalt in Baiern finden. Man kann die vorhandenen Schwierigkeiten nicht durch eine Politik des status Mo überwinden, denn durch die Politik des Status puo sind sie geschaffen. 7- Aus den Niederlanden. Unsere Beziehungen zum Ausland bleiben glücklicher Weise dieselben, d. h. wir haben in Politik möglichst wenig mit anderen Staaten zu schaffen gehabt. Händel mit Fremden durften uns keinen Vortheil bringen, da wir als die Schwächeren etwaige Ansprüche nicht kräftig vertreten können. Unterdeß bleibt man hier mißtrauisch, besonders Deutschland gegenüber und sucht aus jeder Beurtheilung hiesiger Zustände in Ihrer Presse eine feindselige Richtung zu entdecken. Man ist sogar kindisch genug. sich über Erzählungen und No¬ vellen beleidigt zu fühlen, die hin und wieder dort erscheinen und die leider häufig die hiesigen socialen Zustände in einem unrichtigen Lichte schildern. Was könnte man bei Ihnen sagen, wenn man all den Unsinn beachtete, der unserem Publicum über deutsches Leben fast täglich in Correspondenzen aufgetischt wird, welche politischer Zinngießerei aus irgend einer Bierhalle gleichen?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/275>, abgerufen am 27.07.2024.