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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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zu übergeben..... Auf alle Fälle beschließe ich hierüber nichts definitiv, bis
ich weiß, ob Du kommst oder nicht.

Dein neuer Freund v. Kleist interesstrt mich so sehr, daß Du mich durch
nähere Nachrichten von ihm sehr verbinden würdest. Natürlich bin ich
auch begierig, mit dem ersten Product, womit Du (wiewohl incognito) im
Publico aufgetreten bist, bekannt zu werden. Melde mir also den Titel und
den Verleger, damit ich baldmöglichst mich in den Besitz eines Exemplars
setzen könne.*)

Dem T. Merkur wird vermuthlich am letzten dieses Jahres zu Grabe
geläutet werden. Der Absatz nimmt mit jedem Jahrgang ab und was der
dermahlige Verleger pr. Honorar geben will, ist weniger als der elendeste
Romanschreiber verdient. Ueberhaupt hat es noch nie so schlecht um den
Buchhandel gestanden als dermahlen. Von Geßnern habe ich seit Jahr und
Tag keine Zeile erhalten. Ich wünsche sehr zu wissen, wie seine Sachen
stehen, und was für Aussichten er in der neuen Ordnung der Dinge hat.
Wenn den Zeitungen zu glauben wäre, so ließe sich alles ganz gut bey Euch
an; in Frankreich hingegen zeigen sich seitdem sich Napoleon zu dem bekann¬
ten, (wie ich besorge) falschen Schritt hat verleiten lassen, Aspecten von
schlimmer Vorbedeutung. Schreibe mir so oft als möglich, lieber Sohn, und
sey versichert, daß niemand meinem Herzen näher ist als Du. Tausend herz¬
liche Grüße an Deine gute Schwester und ihren Mann. Wollte Gott, ich
könnte den Rest meines Lebens bey Euch in der Schweitz beschließen! Lebt
W. wohl, meine Kinder!

Vielleicht veranlaßt diese Veröffentlichung etwa noch vorhandene Briefe
des Sohnes Ludwig Wieland ans Tageslicht zu bringen, in denen er dem
Vater über Heinrich von Kleist Nachricht gab. --





Aus Schwaben.

Mit der Ernennung Geßler's, des Kanzlers der Universität Tübingen,
zum Minister des Cultus und Unterrichts ist das Ministerium wieder ver¬
vollständigt. Erst nach dieser Ergänzung werden nun vollends die Abstriche
im Budget, mit welchen die Stände bei ihrem Wiederzusammentritt erfreut


") Demnach existirten Briefe Ludwig Wieland's in denen er über Heinrich von Kleist berich¬
tete. -- L. Wieland's Dialogen und Erzählungen, von seinem Vater herausgegeben, erschienen
(I. Theil) in Leipzig 1803 und (II. Theil) in Zürich 1805 (bei Heinrich Geßner). Ist vielleicht
hier von seiner Bearbeitung des zerbrochnen Kruges die Rede?

zu übergeben..... Auf alle Fälle beschließe ich hierüber nichts definitiv, bis
ich weiß, ob Du kommst oder nicht.

Dein neuer Freund v. Kleist interesstrt mich so sehr, daß Du mich durch
nähere Nachrichten von ihm sehr verbinden würdest. Natürlich bin ich
auch begierig, mit dem ersten Product, womit Du (wiewohl incognito) im
Publico aufgetreten bist, bekannt zu werden. Melde mir also den Titel und
den Verleger, damit ich baldmöglichst mich in den Besitz eines Exemplars
setzen könne.*)

Dem T. Merkur wird vermuthlich am letzten dieses Jahres zu Grabe
geläutet werden. Der Absatz nimmt mit jedem Jahrgang ab und was der
dermahlige Verleger pr. Honorar geben will, ist weniger als der elendeste
Romanschreiber verdient. Ueberhaupt hat es noch nie so schlecht um den
Buchhandel gestanden als dermahlen. Von Geßnern habe ich seit Jahr und
Tag keine Zeile erhalten. Ich wünsche sehr zu wissen, wie seine Sachen
stehen, und was für Aussichten er in der neuen Ordnung der Dinge hat.
Wenn den Zeitungen zu glauben wäre, so ließe sich alles ganz gut bey Euch
an; in Frankreich hingegen zeigen sich seitdem sich Napoleon zu dem bekann¬
ten, (wie ich besorge) falschen Schritt hat verleiten lassen, Aspecten von
schlimmer Vorbedeutung. Schreibe mir so oft als möglich, lieber Sohn, und
sey versichert, daß niemand meinem Herzen näher ist als Du. Tausend herz¬
liche Grüße an Deine gute Schwester und ihren Mann. Wollte Gott, ich
könnte den Rest meines Lebens bey Euch in der Schweitz beschließen! Lebt
W. wohl, meine Kinder!

Vielleicht veranlaßt diese Veröffentlichung etwa noch vorhandene Briefe
des Sohnes Ludwig Wieland ans Tageslicht zu bringen, in denen er dem
Vater über Heinrich von Kleist Nachricht gab. —





Aus Schwaben.

Mit der Ernennung Geßler's, des Kanzlers der Universität Tübingen,
zum Minister des Cultus und Unterrichts ist das Ministerium wieder ver¬
vollständigt. Erst nach dieser Ergänzung werden nun vollends die Abstriche
im Budget, mit welchen die Stände bei ihrem Wiederzusammentritt erfreut


") Demnach existirten Briefe Ludwig Wieland's in denen er über Heinrich von Kleist berich¬
tete. — L. Wieland's Dialogen und Erzählungen, von seinem Vater herausgegeben, erschienen
(I. Theil) in Leipzig 1803 und (II. Theil) in Zürich 1805 (bei Heinrich Geßner). Ist vielleicht
hier von seiner Bearbeitung des zerbrochnen Kruges die Rede?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/270>, abgerufen am 27.07.2024.