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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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lands auf die amerikanischen Colonien erregten den lebhaftesten Unwillen der
Kaiserin um so mehr, als es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war,
die guten Dienste der beiden kaiserlichen Höfe zur Geltung zu bringen. Joseph
und Katharina waren überzeugt, daß England durch eine solche Vermitte¬
lung einen günstigeren Frieden erlangt haben würde. Wir wissen aus den
Memoiren Se'gur's und aus dem Tagebuche Chrapowitzki's, daß Katharina
diesen Frieden als eine arge Demüthigung Englands ansah. Sie hat wohl
geäußert, daß sie an der Stelle des Königs sich eher eine Kugel durch den
Kopf gejagt als einen solchen Verlust verschmerzt hätte. Sie konnte nicht
begreisen, wie der englische Gesandte Fitz-Herbert, 1787 im Gespräche mit
Se'gur die Behauptung aufstellen konnte, daß der Verlust der amerikanischen
Provinzen für England geradezu vortheilhaft gewesen sei.*) Sie war erstaunt
als im Jahre 1786 ihr Leibarzt, der Engländer Nogerson, bemerkte, in Eng¬
land habe man schon lange vergessen, daß man die Colonien verloren habe.
So etwas, sagte sie, könne man nie vergessen.**)

Das bairische Tauschproject ist ebenfalls ein Gegenstand eingehender
Erörterung in dem Briefwechsel Joseph's mit Katharina. Der Teschener
Frieden von 1779 war eine Schlappe für die östreichische Politik gewesen.
Nur wenige Jahre nach demselben tauchten die Annexionsgelüste wieder aus.
Nachdem Joseph der Kaiserin von dem Tauschproject Mittheilung gemacht
hatte, ging Katharina mit Eifer auf diesen Plan ein und versprach ihre
Unterstützung. Ausdrücklich sagte sie, daß eine solche Arrondirung der Grenzen
Oestreichs auch für Rußland Vortheile biete. Indessen stieß man auf Schwierig¬
keiten und erging sich durch mehrere Briefe in spitzen Reden über Friedrich
den Großen, den Kurfürsten von Baiern und den Herzog von Pfalz-Zwei¬
brücken. Des russischen Gesandten Rumjanzow Auftreten zu Gunsten Joseph's,
seine im Januar 178S an den Herzog gerichtete Drohnote erregten den
Unwillen Preußens und haben wohl ihren Theil zum Mißlingen des Tausch-
projects beigetragen.

Die gereizte Stimmung zu Wien und zu Petersburg, in Betreff der
Haltung Friedrichs des Großen, gelangte in den Briefen Joseph's und Katha¬
rina's sehr oft zum Ausdruck. Der König von Preußen, schreibt Joseph
u. a. am 24. Februar 1781, habe den größten Vortheil von der Theilung
Polens gehabt; seine Ränke seien überall zu spüren, in Polen so gut wie in
der Türkei. Als nun gar der Fürstenbund entstand, schrieb Joseph mit
großer Bitterkeit über die ewigen Hindernisse, welche der König von Preußen
ihm bereite; er habe seine geheimen Canäle, durch welche er von allen Ent.




') Segur lit. 229. 230.
Chrapowitzli 17. November 1786.

lands auf die amerikanischen Colonien erregten den lebhaftesten Unwillen der
Kaiserin um so mehr, als es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war,
die guten Dienste der beiden kaiserlichen Höfe zur Geltung zu bringen. Joseph
und Katharina waren überzeugt, daß England durch eine solche Vermitte¬
lung einen günstigeren Frieden erlangt haben würde. Wir wissen aus den
Memoiren Se'gur's und aus dem Tagebuche Chrapowitzki's, daß Katharina
diesen Frieden als eine arge Demüthigung Englands ansah. Sie hat wohl
geäußert, daß sie an der Stelle des Königs sich eher eine Kugel durch den
Kopf gejagt als einen solchen Verlust verschmerzt hätte. Sie konnte nicht
begreisen, wie der englische Gesandte Fitz-Herbert, 1787 im Gespräche mit
Se'gur die Behauptung aufstellen konnte, daß der Verlust der amerikanischen
Provinzen für England geradezu vortheilhaft gewesen sei.*) Sie war erstaunt
als im Jahre 1786 ihr Leibarzt, der Engländer Nogerson, bemerkte, in Eng¬
land habe man schon lange vergessen, daß man die Colonien verloren habe.
So etwas, sagte sie, könne man nie vergessen.**)

Das bairische Tauschproject ist ebenfalls ein Gegenstand eingehender
Erörterung in dem Briefwechsel Joseph's mit Katharina. Der Teschener
Frieden von 1779 war eine Schlappe für die östreichische Politik gewesen.
Nur wenige Jahre nach demselben tauchten die Annexionsgelüste wieder aus.
Nachdem Joseph der Kaiserin von dem Tauschproject Mittheilung gemacht
hatte, ging Katharina mit Eifer auf diesen Plan ein und versprach ihre
Unterstützung. Ausdrücklich sagte sie, daß eine solche Arrondirung der Grenzen
Oestreichs auch für Rußland Vortheile biete. Indessen stieß man auf Schwierig¬
keiten und erging sich durch mehrere Briefe in spitzen Reden über Friedrich
den Großen, den Kurfürsten von Baiern und den Herzog von Pfalz-Zwei¬
brücken. Des russischen Gesandten Rumjanzow Auftreten zu Gunsten Joseph's,
seine im Januar 178S an den Herzog gerichtete Drohnote erregten den
Unwillen Preußens und haben wohl ihren Theil zum Mißlingen des Tausch-
projects beigetragen.

Die gereizte Stimmung zu Wien und zu Petersburg, in Betreff der
Haltung Friedrichs des Großen, gelangte in den Briefen Joseph's und Katha¬
rina's sehr oft zum Ausdruck. Der König von Preußen, schreibt Joseph
u. a. am 24. Februar 1781, habe den größten Vortheil von der Theilung
Polens gehabt; seine Ränke seien überall zu spüren, in Polen so gut wie in
der Türkei. Als nun gar der Fürstenbund entstand, schrieb Joseph mit
großer Bitterkeit über die ewigen Hindernisse, welche der König von Preußen
ihm bereite; er habe seine geheimen Canäle, durch welche er von allen Ent.




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Chrapowitzli 17. November 1786.
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[0256] lands auf die amerikanischen Colonien erregten den lebhaftesten Unwillen der Kaiserin um so mehr, als es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war, die guten Dienste der beiden kaiserlichen Höfe zur Geltung zu bringen. Joseph und Katharina waren überzeugt, daß England durch eine solche Vermitte¬ lung einen günstigeren Frieden erlangt haben würde. Wir wissen aus den Memoiren Se'gur's und aus dem Tagebuche Chrapowitzki's, daß Katharina diesen Frieden als eine arge Demüthigung Englands ansah. Sie hat wohl geäußert, daß sie an der Stelle des Königs sich eher eine Kugel durch den Kopf gejagt als einen solchen Verlust verschmerzt hätte. Sie konnte nicht begreisen, wie der englische Gesandte Fitz-Herbert, 1787 im Gespräche mit Se'gur die Behauptung aufstellen konnte, daß der Verlust der amerikanischen Provinzen für England geradezu vortheilhaft gewesen sei.*) Sie war erstaunt als im Jahre 1786 ihr Leibarzt, der Engländer Nogerson, bemerkte, in Eng¬ land habe man schon lange vergessen, daß man die Colonien verloren habe. So etwas, sagte sie, könne man nie vergessen.**) Das bairische Tauschproject ist ebenfalls ein Gegenstand eingehender Erörterung in dem Briefwechsel Joseph's mit Katharina. Der Teschener Frieden von 1779 war eine Schlappe für die östreichische Politik gewesen. Nur wenige Jahre nach demselben tauchten die Annexionsgelüste wieder aus. Nachdem Joseph der Kaiserin von dem Tauschproject Mittheilung gemacht hatte, ging Katharina mit Eifer auf diesen Plan ein und versprach ihre Unterstützung. Ausdrücklich sagte sie, daß eine solche Arrondirung der Grenzen Oestreichs auch für Rußland Vortheile biete. Indessen stieß man auf Schwierig¬ keiten und erging sich durch mehrere Briefe in spitzen Reden über Friedrich den Großen, den Kurfürsten von Baiern und den Herzog von Pfalz-Zwei¬ brücken. Des russischen Gesandten Rumjanzow Auftreten zu Gunsten Joseph's, seine im Januar 178S an den Herzog gerichtete Drohnote erregten den Unwillen Preußens und haben wohl ihren Theil zum Mißlingen des Tausch- projects beigetragen. Die gereizte Stimmung zu Wien und zu Petersburg, in Betreff der Haltung Friedrichs des Großen, gelangte in den Briefen Joseph's und Katha¬ rina's sehr oft zum Ausdruck. Der König von Preußen, schreibt Joseph u. a. am 24. Februar 1781, habe den größten Vortheil von der Theilung Polens gehabt; seine Ränke seien überall zu spüren, in Polen so gut wie in der Türkei. Als nun gar der Fürstenbund entstand, schrieb Joseph mit großer Bitterkeit über die ewigen Hindernisse, welche der König von Preußen ihm bereite; er habe seine geheimen Canäle, durch welche er von allen Ent. ') Segur lit. 229. 230. Chrapowitzli 17. November 1786.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/256>, abgerufen am 18.12.2024.