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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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23. December 1781 nicht aufgefunden worden. In demselben hatte sich Jo¬
seph in sehr günstiger Weise über den Großfürsten und dessen Gemahlin aus¬
gesprochen. Die Kaiserin, deren gespanntes Verhältniß zu dem Großfürsten
bekannt ist. spricht in ihrer Antwort an den Kaiser Zweifel darüber aus,
daß Paul mit sehr veränderter Gesinnung nach Se. Petersburg zurückkehren
werde. Es gebe, sagt sie, manche Dinge, welche nur durch die Zeit gelehrt
würden; jedes Alter habe seine eigene Denkweise, daher wünschten jüngere
Leute nicht immer den Rath älterer Personen zu hören und diese letzteren
seien noch weniger geneigt von den Kindern zu lernen. Eine gereizte Stim¬
mung spricht sich in diesen Worten aus.*) Einige Monate später als der
Großfürst und dessen Gemahlin auf der Rückreise wiederum in Wien ver¬
weilten, versichert Joseph, er sei überzeugt daß alles Mißtrauen und alle
Geneigtheit zu allerlei kleinen Ränken aus den Herzen seiner Gäste ver¬
schwunden sein werde, setzt aber hinzu "soweit die Gewohnheit und ihre Um¬
gebung, welche allein dafür verantwortlich zu machen sei, dies gestatteten."
Er räth der Kaiserin besonders auf diese den Großfürsten umgebenden Per¬
sonen Acht zu geben, die ungünstig Gestimmten zu entfernen, mit großer Sorgfalt
neue zu wählen. Dadurch werde die Ruhe des Hauses sichergestellt werden.**)

Offenbar ist hier das Streben Joseph's aus die Entfernung solcher Per¬
sonen hinzuarbeiten, welche, wie Graf Parm, preußenfreundlich gesinnt waren.
Es zeugt von großer Intimität der Beziehungen Joseph's zur Kaiserin, daß
er diese Fragen berührte. Er entschuldigt sich auch wegen seiner Kühnheit,
und fürchtet, die Kaiserin werde ihn für verrückt halten, daß er ihr der-
gleichen Dinge zu schreiben wage. Aber auch in einem etwas späteren Briefe,
in welchem er die Freude des Wiedersehens der Kaiserin mit ihren Kindern
sich ausmalt, bemerkt er, wie sehr die innigen Beziehungen dieser drei Per¬
sonen zu einander auch sein Glück ausmachten. Wir wissen, daß die Span¬
nung zwischen der Kaiserin und dem Thronfolger sich nie besserte, daß aber
die Kaiserin den Trotz des Sohnes durch ein wahrhaft furchtbares Mittel
zu brechen wußte. Sie schrieb für ihn die Memoiren ihrer Ehe, damit er
lese, wer sein Vater war.***)

Von großem Interesse sind die heiteren Auslassungen Joseph's und
Katharina's über den Papst Pius VI., welcher im Jahre 1782 einige Zeit
in Wien verweilte. Hatten Joseph's Reformen, sein Toleranzedict, die Ein-
ziehung von Klostergütern, in Rom und bei der katholischen Geistlichkeit An¬
stoß erregt, so war Katharina im Gegentheil voll Freude und Entzücken bei
Empfang der Nachrichten von dem entschiedenen Austreten des Kaisers gegen-





") S. 118 bei Arneth.
") Ebenda. S. 1K2.
V. Sybel. Ztschr. 1861. I. S. 98.

23. December 1781 nicht aufgefunden worden. In demselben hatte sich Jo¬
seph in sehr günstiger Weise über den Großfürsten und dessen Gemahlin aus¬
gesprochen. Die Kaiserin, deren gespanntes Verhältniß zu dem Großfürsten
bekannt ist. spricht in ihrer Antwort an den Kaiser Zweifel darüber aus,
daß Paul mit sehr veränderter Gesinnung nach Se. Petersburg zurückkehren
werde. Es gebe, sagt sie, manche Dinge, welche nur durch die Zeit gelehrt
würden; jedes Alter habe seine eigene Denkweise, daher wünschten jüngere
Leute nicht immer den Rath älterer Personen zu hören und diese letzteren
seien noch weniger geneigt von den Kindern zu lernen. Eine gereizte Stim¬
mung spricht sich in diesen Worten aus.*) Einige Monate später als der
Großfürst und dessen Gemahlin auf der Rückreise wiederum in Wien ver¬
weilten, versichert Joseph, er sei überzeugt daß alles Mißtrauen und alle
Geneigtheit zu allerlei kleinen Ränken aus den Herzen seiner Gäste ver¬
schwunden sein werde, setzt aber hinzu „soweit die Gewohnheit und ihre Um¬
gebung, welche allein dafür verantwortlich zu machen sei, dies gestatteten."
Er räth der Kaiserin besonders auf diese den Großfürsten umgebenden Per¬
sonen Acht zu geben, die ungünstig Gestimmten zu entfernen, mit großer Sorgfalt
neue zu wählen. Dadurch werde die Ruhe des Hauses sichergestellt werden.**)

Offenbar ist hier das Streben Joseph's aus die Entfernung solcher Per¬
sonen hinzuarbeiten, welche, wie Graf Parm, preußenfreundlich gesinnt waren.
Es zeugt von großer Intimität der Beziehungen Joseph's zur Kaiserin, daß
er diese Fragen berührte. Er entschuldigt sich auch wegen seiner Kühnheit,
und fürchtet, die Kaiserin werde ihn für verrückt halten, daß er ihr der-
gleichen Dinge zu schreiben wage. Aber auch in einem etwas späteren Briefe,
in welchem er die Freude des Wiedersehens der Kaiserin mit ihren Kindern
sich ausmalt, bemerkt er, wie sehr die innigen Beziehungen dieser drei Per¬
sonen zu einander auch sein Glück ausmachten. Wir wissen, daß die Span¬
nung zwischen der Kaiserin und dem Thronfolger sich nie besserte, daß aber
die Kaiserin den Trotz des Sohnes durch ein wahrhaft furchtbares Mittel
zu brechen wußte. Sie schrieb für ihn die Memoiren ihrer Ehe, damit er
lese, wer sein Vater war.***)

Von großem Interesse sind die heiteren Auslassungen Joseph's und
Katharina's über den Papst Pius VI., welcher im Jahre 1782 einige Zeit
in Wien verweilte. Hatten Joseph's Reformen, sein Toleranzedict, die Ein-
ziehung von Klostergütern, in Rom und bei der katholischen Geistlichkeit An¬
stoß erregt, so war Katharina im Gegentheil voll Freude und Entzücken bei
Empfang der Nachrichten von dem entschiedenen Austreten des Kaisers gegen-





") S. 118 bei Arneth.
") Ebenda. S. 1K2.
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[0254] 23. December 1781 nicht aufgefunden worden. In demselben hatte sich Jo¬ seph in sehr günstiger Weise über den Großfürsten und dessen Gemahlin aus¬ gesprochen. Die Kaiserin, deren gespanntes Verhältniß zu dem Großfürsten bekannt ist. spricht in ihrer Antwort an den Kaiser Zweifel darüber aus, daß Paul mit sehr veränderter Gesinnung nach Se. Petersburg zurückkehren werde. Es gebe, sagt sie, manche Dinge, welche nur durch die Zeit gelehrt würden; jedes Alter habe seine eigene Denkweise, daher wünschten jüngere Leute nicht immer den Rath älterer Personen zu hören und diese letzteren seien noch weniger geneigt von den Kindern zu lernen. Eine gereizte Stim¬ mung spricht sich in diesen Worten aus.*) Einige Monate später als der Großfürst und dessen Gemahlin auf der Rückreise wiederum in Wien ver¬ weilten, versichert Joseph, er sei überzeugt daß alles Mißtrauen und alle Geneigtheit zu allerlei kleinen Ränken aus den Herzen seiner Gäste ver¬ schwunden sein werde, setzt aber hinzu „soweit die Gewohnheit und ihre Um¬ gebung, welche allein dafür verantwortlich zu machen sei, dies gestatteten." Er räth der Kaiserin besonders auf diese den Großfürsten umgebenden Per¬ sonen Acht zu geben, die ungünstig Gestimmten zu entfernen, mit großer Sorgfalt neue zu wählen. Dadurch werde die Ruhe des Hauses sichergestellt werden.**) Offenbar ist hier das Streben Joseph's aus die Entfernung solcher Per¬ sonen hinzuarbeiten, welche, wie Graf Parm, preußenfreundlich gesinnt waren. Es zeugt von großer Intimität der Beziehungen Joseph's zur Kaiserin, daß er diese Fragen berührte. Er entschuldigt sich auch wegen seiner Kühnheit, und fürchtet, die Kaiserin werde ihn für verrückt halten, daß er ihr der- gleichen Dinge zu schreiben wage. Aber auch in einem etwas späteren Briefe, in welchem er die Freude des Wiedersehens der Kaiserin mit ihren Kindern sich ausmalt, bemerkt er, wie sehr die innigen Beziehungen dieser drei Per¬ sonen zu einander auch sein Glück ausmachten. Wir wissen, daß die Span¬ nung zwischen der Kaiserin und dem Thronfolger sich nie besserte, daß aber die Kaiserin den Trotz des Sohnes durch ein wahrhaft furchtbares Mittel zu brechen wußte. Sie schrieb für ihn die Memoiren ihrer Ehe, damit er lese, wer sein Vater war.***) Von großem Interesse sind die heiteren Auslassungen Joseph's und Katharina's über den Papst Pius VI., welcher im Jahre 1782 einige Zeit in Wien verweilte. Hatten Joseph's Reformen, sein Toleranzedict, die Ein- ziehung von Klostergütern, in Rom und bei der katholischen Geistlichkeit An¬ stoß erregt, so war Katharina im Gegentheil voll Freude und Entzücken bei Empfang der Nachrichten von dem entschiedenen Austreten des Kaisers gegen- ") S. 118 bei Arneth. ") Ebenda. S. 1K2. V. Sybel. Ztschr. 1861. I. S. 98.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/254>, abgerufen am 01.09.2024.