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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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mahlen. Familieninteressen, das Zusammenwirken der beiden Schwestern
sollten nach dem Tode Joseph's oder Katharina's oder Beider das Bündniß
zusammenhalten. So meinte man den Großfürsten Paul dem Einflüsse
Preußens zu entziehen. Diese Heirathsangelegenheit wird deshalb in vielen
Briefen als politische Frage erörtert. Beide sind entzückt, daß nun engere
Bande die beiden Häuser vereinigen werden. Die Prinzessin wird als ein
"kostbares Pfand" der gegenseitigen Zuneigung bezeichnet. Durch dynastische
Interessen und Hauspolitik hoffte man die Zukunft Oestreichs und Rußlands
am Besten sicherstellen zu können. Es war ein Irrthum; sogleich nach Joseph's
Tode änderte sich Alles, und der Vertrag von Reichenbach belehrte die Kaiserin,
daß Leopold nicht gesonnen war, so consequent antipreußische Politik zu
machen wie Joseph II. seit dem I. 1780.

Dieselbe Tendenz, den Großfürsten Paul dem preußischen Einflüsse zu
entziehen und ihn unter Joseph's Einfluß zu stellen, macht sich bei der im
Jahre 1781 vom Großfürsten unternommenen Reise ins Ausland geltend.
Nicht ohne einige Intrigue veranlaßte Katharina diese Reise, entwarf den
Reiseplan, entschied, daß in demselben Berlin nicht vorkommen durfte,
und bat wiederholt den Kaiser ihrem Sohne und dessen Gemahlin Gast¬
freundschaft zu erweisen.*) Sie ist entzückt darüber, daß ihr Sohn eine Zeit¬
lang am Hofe Joseph's weilen werde. Joseph seinerseits reist dem Gro߬
fürsten nach Troppau entgegen, begleitet ihn nach Wien, unterhält sich mit
ihm lebhaft ohne indessen Gegenstände von größerer Wichtigkeit zu berühren.
Ein Zeitgenosse berichtet, der Großfürst Paul sei gegen den Kaiser kalt und
zurückhaltend gewesen; noch größere Abneigung gegen den Kaiser habe die
Großfürstin gezeigt.**) Katharina dagegen weiß in ihren Briefen an Joseph
sehr viel davon zu erzählen, wie ihr Sohn und ihre Schwiegertochter erfüllt
wären von Dankbarkeit und Verehrung für den Kaiser, wie glücklich sie sich
in Wien fühlten und wie sie den Aufenthalt dort möglichst zu verlängern
wünschten. Katharina spricht die Hoffnung aus, daß die Rathschläge Jo¬
seph's eine heilsame Wirkung auf den Großfürsten ausüben werden, daß
dadurch das Band, welches beide Staaten vereinige, fester sich knüpfen,
daß Paul über solche Unterredungen mit dem Kaiser die gehörige Dis¬
kretion beobachten werde.***) Leider ist ein Schreiben des Kaisers vom





s. die eingehende Darstellung dieser Machination in dem Berichte des englischen Gesandten
in Raumers Beiträgen V. ö20. "Als die Großfürstin Berlins erwähnte, wies die Kaiserin den
Plan dahin zu reisen bestimmt und selbst zornig zurück und alle späteren Versuche des Königs
von Preußen blieben vergeblich."
") Raumers Beiträge V S25.
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tumög " kairs !s mvtior as serutateurs as xs,reils Secrets." f. Arneth. S. 118.

mahlen. Familieninteressen, das Zusammenwirken der beiden Schwestern
sollten nach dem Tode Joseph's oder Katharina's oder Beider das Bündniß
zusammenhalten. So meinte man den Großfürsten Paul dem Einflüsse
Preußens zu entziehen. Diese Heirathsangelegenheit wird deshalb in vielen
Briefen als politische Frage erörtert. Beide sind entzückt, daß nun engere
Bande die beiden Häuser vereinigen werden. Die Prinzessin wird als ein
„kostbares Pfand" der gegenseitigen Zuneigung bezeichnet. Durch dynastische
Interessen und Hauspolitik hoffte man die Zukunft Oestreichs und Rußlands
am Besten sicherstellen zu können. Es war ein Irrthum; sogleich nach Joseph's
Tode änderte sich Alles, und der Vertrag von Reichenbach belehrte die Kaiserin,
daß Leopold nicht gesonnen war, so consequent antipreußische Politik zu
machen wie Joseph II. seit dem I. 1780.

Dieselbe Tendenz, den Großfürsten Paul dem preußischen Einflüsse zu
entziehen und ihn unter Joseph's Einfluß zu stellen, macht sich bei der im
Jahre 1781 vom Großfürsten unternommenen Reise ins Ausland geltend.
Nicht ohne einige Intrigue veranlaßte Katharina diese Reise, entwarf den
Reiseplan, entschied, daß in demselben Berlin nicht vorkommen durfte,
und bat wiederholt den Kaiser ihrem Sohne und dessen Gemahlin Gast¬
freundschaft zu erweisen.*) Sie ist entzückt darüber, daß ihr Sohn eine Zeit¬
lang am Hofe Joseph's weilen werde. Joseph seinerseits reist dem Gro߬
fürsten nach Troppau entgegen, begleitet ihn nach Wien, unterhält sich mit
ihm lebhaft ohne indessen Gegenstände von größerer Wichtigkeit zu berühren.
Ein Zeitgenosse berichtet, der Großfürst Paul sei gegen den Kaiser kalt und
zurückhaltend gewesen; noch größere Abneigung gegen den Kaiser habe die
Großfürstin gezeigt.**) Katharina dagegen weiß in ihren Briefen an Joseph
sehr viel davon zu erzählen, wie ihr Sohn und ihre Schwiegertochter erfüllt
wären von Dankbarkeit und Verehrung für den Kaiser, wie glücklich sie sich
in Wien fühlten und wie sie den Aufenthalt dort möglichst zu verlängern
wünschten. Katharina spricht die Hoffnung aus, daß die Rathschläge Jo¬
seph's eine heilsame Wirkung auf den Großfürsten ausüben werden, daß
dadurch das Band, welches beide Staaten vereinige, fester sich knüpfen,
daß Paul über solche Unterredungen mit dem Kaiser die gehörige Dis¬
kretion beobachten werde.***) Leider ist ein Schreiben des Kaisers vom





s. die eingehende Darstellung dieser Machination in dem Berichte des englischen Gesandten
in Raumers Beiträgen V. ö20. „Als die Großfürstin Berlins erwähnte, wies die Kaiserin den
Plan dahin zu reisen bestimmt und selbst zornig zurück und alle späteren Versuche des Königs
von Preußen blieben vergeblich."
") Raumers Beiträge V S25.
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[0253] mahlen. Familieninteressen, das Zusammenwirken der beiden Schwestern sollten nach dem Tode Joseph's oder Katharina's oder Beider das Bündniß zusammenhalten. So meinte man den Großfürsten Paul dem Einflüsse Preußens zu entziehen. Diese Heirathsangelegenheit wird deshalb in vielen Briefen als politische Frage erörtert. Beide sind entzückt, daß nun engere Bande die beiden Häuser vereinigen werden. Die Prinzessin wird als ein „kostbares Pfand" der gegenseitigen Zuneigung bezeichnet. Durch dynastische Interessen und Hauspolitik hoffte man die Zukunft Oestreichs und Rußlands am Besten sicherstellen zu können. Es war ein Irrthum; sogleich nach Joseph's Tode änderte sich Alles, und der Vertrag von Reichenbach belehrte die Kaiserin, daß Leopold nicht gesonnen war, so consequent antipreußische Politik zu machen wie Joseph II. seit dem I. 1780. Dieselbe Tendenz, den Großfürsten Paul dem preußischen Einflüsse zu entziehen und ihn unter Joseph's Einfluß zu stellen, macht sich bei der im Jahre 1781 vom Großfürsten unternommenen Reise ins Ausland geltend. Nicht ohne einige Intrigue veranlaßte Katharina diese Reise, entwarf den Reiseplan, entschied, daß in demselben Berlin nicht vorkommen durfte, und bat wiederholt den Kaiser ihrem Sohne und dessen Gemahlin Gast¬ freundschaft zu erweisen.*) Sie ist entzückt darüber, daß ihr Sohn eine Zeit¬ lang am Hofe Joseph's weilen werde. Joseph seinerseits reist dem Gro߬ fürsten nach Troppau entgegen, begleitet ihn nach Wien, unterhält sich mit ihm lebhaft ohne indessen Gegenstände von größerer Wichtigkeit zu berühren. Ein Zeitgenosse berichtet, der Großfürst Paul sei gegen den Kaiser kalt und zurückhaltend gewesen; noch größere Abneigung gegen den Kaiser habe die Großfürstin gezeigt.**) Katharina dagegen weiß in ihren Briefen an Joseph sehr viel davon zu erzählen, wie ihr Sohn und ihre Schwiegertochter erfüllt wären von Dankbarkeit und Verehrung für den Kaiser, wie glücklich sie sich in Wien fühlten und wie sie den Aufenthalt dort möglichst zu verlängern wünschten. Katharina spricht die Hoffnung aus, daß die Rathschläge Jo¬ seph's eine heilsame Wirkung auf den Großfürsten ausüben werden, daß dadurch das Band, welches beide Staaten vereinige, fester sich knüpfen, daß Paul über solche Unterredungen mit dem Kaiser die gehörige Dis¬ kretion beobachten werde.***) Leider ist ein Schreiben des Kaisers vom s. die eingehende Darstellung dieser Machination in dem Berichte des englischen Gesandten in Raumers Beiträgen V. ö20. „Als die Großfürstin Berlins erwähnte, wies die Kaiserin den Plan dahin zu reisen bestimmt und selbst zornig zurück und alle späteren Versuche des Königs von Preußen blieben vergeblich." ") Raumers Beiträge V S25. '' „^joss croirs anit en Mräers, selon les äüsirs as V. N. ^. Is sseret lo xlus striot, an«zlyu<z xsu imxünstrMö pus soit ä'aillöurs la MM<Z58ö esux, gui »out Äevou- tumög » kairs !s mvtior as serutateurs as xs,reils Secrets." f. Arneth. S. 118.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/253>, abgerufen am 09.11.2024.